28. Okt. 2022ECTRIMS 2022

Stammzelltransplantation: Daten aus dem klinischen Alltag

Eine internationale retrospektive Kohortenstudie zeigte für die autologe, hämatopoetische Stammzelltransplantation (AHSCT) bei Patienten mit aggressiv verlaufender schubförmiger MS eine ausgeprägte Reduktion der Schubrate und der Behinderungsprogression. Allerdings war die AHSCT im Vergleich zu Ocrelizumab nicht und im Vergleich zu Natalizumab nur marginal überlegen.

Stammzellen
koto_feja/GettyImages

Eine autologe, hämatopoetische Stammzelltransplantation (AHSCT) kommt gelegentlich als Rettungsversuch bei PatientInnen mit aggressiver MS und Nicht-Ansprechen auf DMTs (Disease Modifying Therapies) zum Einsatz. In einarmigen Studien wurden für diese „Salavage Therapy“ in hervorragende Ansprechraten berichtet, so Prof. Dr. Tomas Kalincik von der Universität Melbourne. Bislang wurde die AHSCT in zwei randomisierten, kontrollierten Studien untersucht. In einer Phase-II-Studie mit nur neun PatientInnen in der Transplantations-Gruppe wurde im Vergleich zum Zytostatikum Mitoxantron hinsichtlich mehrerer Endpunkte die Überlegenheit der AHSCT gezeigt (1). Eine Phase-III-Studie mit 110 PatientInnen zeigte im Vergleich zu Standard of Care (inklusive hochaktiver DMTs, Immunsuppression und Plasmapherese) ebenfalls eine überlegene Wirksamkeit der Stammzelltransplantation. Nach einem Jahr hatte sich die Behinderung in der AHSCT-Gruppe leicht gebessert, während sich in der Kontrollgruppe der EDSS-Wert (Expanded Disability Status Scale) verschlechtert hatte. Es kam zu keinen Todesfällen in Zusammenhang mit der Therapie (2). Allerdings bezeichnet Kalincik die aktuell verfügbare Evidenz zum Einsatz dieser Therapie, insbesondere im Hinblick auf die Vergleichbarkeit mit konventionellen Therapien als suboptimal, zumal die Phase-III-Daten angesichts der sehr heterogenen Kontrollgruppe Vergleiche zwischen der AHSCT und den hochwirksamen DMTs erschwert.

Daten aus sechs AHSCT-Zentren in verschiedenen Ländern

Kalincik präsentierte im Rahmen des ECTRIMS 2022 die Ergebnisse einer Studie, die PatientInnen mit schubförmig verlaufender MS aus sechs AHSCT Zentren in Ottawa, Uppsala, Sheffield, Bergen, Sydney und Melbourne mit PatientInnen aus dem internationalen Register MSBase, die mit Natalizumab, Ocrelizumab oder Fingolimod behandelt wurden, verglich. Ausgeschlossen waren PatientInnen, die mit Alemtuzumab vorbehandelt waren, bereits eine AHSCT erhalten oder in den vergangenen zehn Jahren an einer klinischen Studie teilgenommen hatten. Die PatientInnen wurden anhand eines Propensity Scores, der Geschlecht, Alter, Behinderungs Score (EDSS), Krankheitsdauer, Schubaktivität, bislang erfolgreichste Behandlung und das Land der Behandlung umfasste, paarweise gematcht. Anschließend erfolgte ein paarweiser Vergleich im Hinblick auf die annualisierte Schubrate, Freiheit von Schüben sowie über sechs Monate bestätigte Verbesserungen oder Verschlechterungen auf der EDSS. Die PatientInnen zeigten vor Einschluss generell eine hohe Schubrate von 0,9 im Jahr vor Einschluss in die Studie sowie einen mittleren Behinderungsgrad von EDSS 3–4. Die AHSCT führte zu einer dramatischen Reduktion der Schubrate. Die Chance, nach fünf Jahren noch frei von Schüben zu sein, lag bei den AHSCT-PatientInnen bei 85 Prozent.

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