19. Sep. 2014

Stress macht miese Laune

Chronischer Stress kann zu Verhaltensstörungen führen. Ein Team des Brain Mind Institutes an der École Polytechnique de Fédérale de Lausanne entdeckte mit der Aktivierung eines spaltenden Enzym, das zu diesen Problemen führt, am Tiermodell einen wichtigen synaptischen Mechanismus.

Schweizer Forscher gingen der Frage nach, weshalb gestresste Menschen oft mürrisch, böse, abgelenkt oder vergesslich sind. Sie markierten nun in einer Arbeit in “Nature Communications” einen grundlegenden synaptischen Mechanismus, der die Beziehung zwischen chronischem Stress und dem Verlust sozialer Fähigkeiten und kognitiver Beeinträchtigung erklärt. Wenn ein spezielles Enzym durch Stressoren getriggert wird, greift ein synaptisches, regulatorisches Molekül im Gehirn.

© EPFL
© EPFL

Das Laboratory of Behavioral Genetics um Carmen Sandi suchte in einer für Engagement im Verhalten und kognitive Fähigkeiten bekannten Region des Hippocampus nach Antworten. In dieser Gehirnregion untersuchten die Wissenschaftler das an der synaptischen Ebene zwischen zwei Nervenzellen befindliche Nectin-3 Zelladhäsionsprotein, dessen Aufgabe es ist, Adhärenz zu gewährleisten. Diese im postsynaptischen Teil positionierten Proteine binden an die Moleküle des präsynaptischen Abschnitt, um so die synaptische Funktion zu gewährleisten. Dabei fanden die Forscher in Rattenmodellen, die durch chronischen Stress betroffen waren, eine deutlich geringere Anzahl an Nectin-3-Molekülen. …

Die Untersuchungen führten die Forscher zu dem am Proteinabbau beteiligten Enzym MMP-9. Es war bereits bekannt, dass chronischer Stress zu einer massiven Freisetzung von Glutamat, einem Molekül, das auf NMDA-Rezeptoren wirkt, führt. Nun aber fanden die Wissenschaftler heraus, dass diese Rezeptoren die MMP-9-Enzyme aktiviert, die wie Scheren die Nectin-3 Zelladhäsionsproteine zerschneiden. “Wenn dies geschieht, ist Nectin-3 nicht in der Lage, seine Rolle als Modulator der synaptischen Plastizität zu erfüllen,” erläutert Carmen Sandi. Im Gegenzug führen diese Effekte dazu, dass Probanden ihre Geselligkeit verlieren, Interaktionen mit Kollegen vermeiden und Verständnis- sowie Gedächtnisprobleme bekommen.

Gemeinsam mit polnischen Neurowissenschaftlern konnten die Schweizer Forscher diesen Mechanismus in Nagetieren sowohl in vitro als auch in vivo bestätigen. Durch externe Anwendungen, die entweder Nectin-3 aktivierten oder MMP-9 hemmen, zeigten sie, dass Probanden ihre Geselligkeit und normalen kognitiven Fähigkeiten zurückgewinnen konnten .

Die Identifizierung dieses Mechanismus ist laut Sandi wichtig, weil sie Behandlungen für neuropsychiatrische Störungen möglich macht, die mit chronischen Stress zusammenhängen, besonders aber Depressionen.

Interessanterweise ist die MMP-9 Expression auch an anderen Pathologien wie neurodegenerativen Krankheiten einschließlich ALS oder Epilepsie beteiligt.

Michael A. van der Kooij, Martina Fantin, Emilia Rejmak, Jocelyn Grosse, Olivia Zanoletti, Celine Fournier, Krishnendu Ganguly, Katarzyna Kalita, Leszek Kaczmarek, Carmen Sandi
Role for ​MMP-9 in stress-induced downregulation of ​nectin-3 in hippocampal CA1 and associated behavioural alterations
Nature Communications 5, Article number: 4995, Published 18 September 2014, doi: 10.1038/ncomms5995

Quelle: EPFL

[is_user_logged_in]Yes.[/is_user_logged_in]