9. Okt. 2014

Zur Operation ins EU-Ausland reisen

Die Erstattung im Ausland entstandener Behandlungskosten darf laut einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht verweigert werden, wenn das Fehlen grundlegenden medizinischen Materials verhindert, dass die versicherte Person die Krankenhausbehandlung in ihrem Heimatland rechtzeitig erhält.

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EU-Richter stärken Recht auf Krankenbehandlung im Ausland

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg urteilte am Donnerstag, dass Krankenkassen die Erstattung von Kosten nicht ablehnen dürfen, wenn eine angemessene Behandlung des Patienten im Heimatland nicht rechtzeitig möglich ist. Voraussetzung sei aber, dass die Behandlung zu den Leistungen gehöre, die in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats vorgesehen seien.

Hintergrund des Urteils ist die Klage einer Patientin mit rumänischer Staatsangehörigkeit, die an einer schweren Erkrankung der Koronargefäße leidet, deren Krankheitsverlauf einen Spitalsaufenthalt in einer Fachklinik in Temeswar (Rumänien) erforderlich machte. Die ärztlichen Untersuchungen führten zu der Entscheidung, eine Operation am offenen Herzen vorzunehmen.

Während ihres Krankenhausaufenthalts bemerkte die Patientin, dass es an Medikamenten und an grundlegendem, medizinischem Material fehle und die Zahl der Betten unzureichend sei. In Anbetracht der Kompliziertheit des chirurgischen Eingriffs, dem sie sich unterziehen musste, entschied sich die Frau, sich in Deutschland operieren zu lassen. Daraufhin beantragte sie bei ihrer Krankenkasse die Übernahme der Behandlungskosten in Höhe von rund EUR 18.000 Euro.

Der Antrag wurde von den rumänischen behörden mit der Begründung abgelehnt, dass aus dem Bericht des behandelnden Arztes nicht hervorgehe, dass die beantragte Leistung nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums in Rumänien erbracht werden könne.

In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass das Unionsrecht zwei Voraussetzungen aufstellt, bei deren Erfüllung die vorherige Genehmigung
zur Erstattung der Behandlungskosten erteilt werden muss.

Zunächst muss die betreffende Therapie zu den Leistungen gehören, die in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats vorgesehen sind, in dessen Gebiet der Sozialversicherte wohnt. Sodann muss ausgeschlossen sein, dass der Sozialversicherte die Behandlung, die er im Ausland erhalten will, in Anbetracht seines derzeitigen Gesundheitszustands und des Verlaufs seiner Krankheit in einem Zeitraum erhalten kann, der für die gewünschte Behandlung in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, normalerweise erforderlich ist.

Zur letztgenannten Voraussetzung hat der Gerichtshof entschieden, dass die erforderliche Genehmigung nicht verweigert werden darf, wenn die gleiche oder eine ebenso wirksame Behandlung in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Betroffene wohnt, nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Um zu beurteilen, ob dies der Fall ist, muss der zuständige Träger sämtliche Umstände des konkreten Falles beachten. Folglich kann das Fehlen von Medikamenten und grundlegendem medizinischen Material die Vornahme einer gleichen oder ebenso wirksamen rechtzeitigen Behandlung im Wohnsitzmitgliedstaat unmöglich machen.

Der Gerichtshof gelangt zu dem Ergebnis, dass die Genehmigung zur Erstattung im Ausland entstandener Behandlungskosten nicht verweigert werden darf, wenn das Fehlen von Medikamenten und grundlegendem medizinischen Material verhindert, dass der Sozialversicherte die Krankenhausbehandlung in seinem Wohnsitzmitgliedstaat rechtzeitig erhält. Diese Unmöglichkeit ist sowohl auf der Ebene sämtlicher Krankenhauseinrichtungen zu beurteilen, die in der Lage sind, diese Behandlung in diesem Mitgliedstaat vorzunehmen, als auch im Hinblick auf den Zeitraum, in dem diese Behandlung rechtzeitig erlangt werden kann.

>> Volltext des Urteils

Quelle: Europäischer Gerichtshof