Schmerzversorgung hinkt im internationalen Vergleich weit hinterher

Derzeit müssen Schmerzpatientinnen und -patienten drei Monate auf eine Erstbegutachtung warten. Dies werde sich auch nach dem Entwurf des „Österreichischen Strukturplans Gesundheit“ nicht ändern, mahnen Schmerzexpertinnen und -experten. Sie wollen endlich eine multimodale Schmerzversorgung anbieten können.

Bereits zum 16. Mal finden heuer die Österreichischen Schmerzwochen statt, in denen die Österreichische Schmerzgesellschaft (ÖSG) die Öffentlichkeit und die Entscheidungsträger für Schmerzerkrankungen und deren Versorgung sensibilisieren will. Im Rahmen der Auftakt-Pressekonferenz kritisierten ÖSG-Präsident OA Dr. Wolfgang Jaksch, Vizepräsidentin OÄ Dr. Gabriele Grögl-Aringer und ÖSG-Generalsekretär Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar die mangelhafte Versorgung der Schmerzpatientinnen und Schmerzpatienten in Österreich. Es brauche Strukturen, die eine multimodale Schmerztherapie zulassen, und eine Verbesserung der Ausbildung in Richtung Spezialisierung. „Wenn sowohl die Gesundheitspolitik als auch die Versicherungsträger unseren Forderungen, die österreichische schmerzmedizinische Versorgung zu verbessern, weiterhin nicht nachkommen, werden sie sich für das Leid, das den Patientinnen und Patienten zugefügt wird, und auch für die immensen Kosten, die durch eine effektive Therapie deutlich reduziert werden können, verantworten müssen!“, mahnte der ÖSG-Präsident.

Es fehlt an Strukturen und Ressourcen

„Wenn es um Schmerzen geht, lässt sich die Realität mit dem Wort ‚Volkskrankheit‘ sehr treffend beschreiben“, so ÖSG-Präsident Jaksch. Derzeit leiden in Österreich mindesten 1,5 Millionen Menschen an diversen Formen chronischer Schmerzen. Zusätzlich gibt es noch 350.000 bis 400.000 Menschen, die an chronischen Schmerzen mit assoziierten körperlichen, seelischen und sozialen Beeinträchtigungen, also einer eigenen „Schmerzkrankheit“ leiden.
„Beiden Gruppen ist gemeinsam, dass sie für eine effektive Schmerztherapie eine multimodale, interdisziplinäre Schmerzversorgung benötigen. Diese Therapieformen können wir derzeit aber nicht gewährleisten, weil uns die entsprechenden Strukturen und Ressourcen fehlen. Dadurch fehlen uns auch die Möglichkeiten, die Chronifizierung von Schmerzen zu vermeiden“, erklärte Grögl-Aringer. In den letzten Jahren wurden zahlreiche Schmerzambulanzen geschlossen oder derart reduziert, dass nur noch stundenweise geöffnet werden kann und keine adäquate Versorgung mehr möglich sei. „Dieser Mangel hat zu Wartezeiten von zwei bis drei Monaten für die Erstbegutachtung in den Ambulanzen geführt“, betonte Grögl-Aringer.
Durch die Verknappung südlich von Wien würden nun auch viele der Schmerpatientinnen und Schmerzpatienten aus diesen Regionen in die Hauptstadt kommen, was die Wartezeiten in den Schmerzambulanzen noch weiter verlängere, gibt Jaksch zu bedenken.
Auch im niedergelassenen Bereich sei die Situation nicht besser, zeigte die Vizepräsidentin auf: „Die schmerzmedizinischen Leistungen, die meistens sehr zeitaufwendig sind – für die Erstbegutachtung einer Schmerzpatientin, eines Schmerzpatienten braucht man ein bis 1,5 Stunden –, sind nicht in den Honorarkatalogen abgebildet. Noch dazu geht die Zahl der niedergelassenen Kassenärztinnen und Kassenärzte im Verhältnis zur Bevölkerung insgesamt seit Jahren zurück.“

„Versorgungskonzept der ÖSG wird von Entscheidungsträgern ignoriert“

In Österreich gibt es zwar eine Patientencharta, in der die Grundrechte der PatientInnen ausführlich beschrieben sind; diese Rechte können allerdings nicht umgesetzt werden, da die Institutionen für die bestmögliche Schmerzbehandlung nicht ausreichend vorhanden seien.
Eine Verbesserung der Schmerzversorgung sei auch nach Vorliegen des „Österreichischen Strukturplans Gesundheit“ nicht zu erwarten, da Schmerz darin kaum eine Rolle spiele.
“Bundesministerin Oberhauser meinte in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage im August 2016, dass ihr eine flächendeckende und abgestufte Versorgung von Schmerzpatientinnen und Schmerzpatienten „ein großes Anliegen“ sei. Wenn man sich den Österreichischen Strukturplan Gesundheit ansieht, scheint das leider nur ein Lippenbekenntnis zu sein. Denn in diesem Plan, der jetzt im Rohentwurf vorliegt, ist keine Rede von strukturellen Veränderungen, die für eine Verbesserung der schmerzmedizinischen Versorgung in Österreich nennenswert und notwendig wären”, bemängelte Grögl-Aringer.

„Da die Politik und die Sozialversicherung nichts unternehmen, waren wir von der ÖSG inzwischen aktiv und haben mit verschiedenen Fachgesellschaften, die mit dem Thema Schmerz beschäftigt sind, wichtige Konzepte erarbeitet. Darunter z. B. ein Konzept für eine Klassifikation schmerztherapeutischer Einrichtungen im Sinne einer abgestuften intra- und extramuralen Versorgung von Schmerzpatientinnen und -patienten“, so Jaksch.
„Dieses Konzept wurde den GesundheitspolitikerInnen und Versicherungsträgern mehrfach vorgestellt, bisher aber ignoriert. Wir von der Österreichischen Schmerzgesellschaft fordern, dass diese Veränderungen für eine Verbesserung der schmerzmedizinischen Versorgung im niedergelassenen, im ambulanten und im stationären Bereich dringendst in diesen Rohentwurf aufgenommen werden, damit wir unseren Patientinnen und Patienten endlich eine adäquate State-of-the-Art-Therapie anbieten können. Es ist wirklich beschämend, dass wir international derart weit hinterherhinken!“, betonte Grögl-Aringer.

Es braucht eine Spezialisierung

2007 wurde das Schmerzdiplom in Österreich eingeführt, das sich aus 120 Stunden Theorie und 80 Stunden Praxis zusammensetzt. 900 Ärztinnen und Ärzte können heute dieses Diplom vorweisen. „Unser Ziel ist, die Schmerzausbildung an internationale Standards anzupassen. Dazu brauchen wir die Spezialisierung. Diese Forderung wird von AllgemeinmedizinerInnen unterstützt, und auch mit der Ärztekammer sind wir bereits im Gespräch. Wir sind zuversichtlich, diese Spezialisierung im Laufe des Jahres 2017 umsetzen zu können“, so Likar. Neben den Strukturen brauche es auch die Qualität, die durch die Spezialisierung gesichert würde.
„Die theoretischen Stunden aus dem jetzigen Schmerzdiplom würde ich eher ins universitäre Studium verlegen“, meint der ÖSG-Präsident. „80 Stunden für die praktische Ausbildung sind allerdings einfach nicht ausreichend für eine Spezialisierung. In Deutschland beträgt diese ein Jahr. Das werden wir hierzulande wohl nicht durchsetzen können, aber zwei Wochen sind schlichtweg zu wenig“, betonte Jaksch.
„Ein wichtiger Schritt wäre auch, dass sich die Gebietskrankenkassen österreichweit auf eine multimodale Betreuung der SchmerzpatientInnen einigen, wie wir es in Kärnten haben“, so Likar.

Druck von PatientInnen aufbauen

„Um die Entscheidungsträger in Richtung multimodale Schmerzversorgung zu bewegen, müssten wir auch vonseiten der Patientinnen und Patienten dringend Druck auf die Politik aufbauen. Auf der Website der Schmerzallianz gibt es die Möglichkeit, an einer Unterschriftenaktion(https://www.schmerz-allianz.at/aktuelles/unterschriftenaktion/) teilzunehmen. Es wäre schön, wenn auch Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen und Patienten darauf hinweisen, hier mitzumachen!“, sagte Jaksch.

Die Schmerzgesellschaft hat auch eine neue Patientenbroschüre erstellt, die für Betroffene und Interessierte Wissenswertes über die Behandlung von Schmerzen aller Art bietet.

Quelle: Pressekonferenz zu den Österreichischen Schmerzwochen, 18. 1. 2017, Wien