Resümee über 10 Jahre Brustkrebs-Früherkennungsprogramm
Seit 2014 bekommen Frauen im Rahmen des Brustkrebs-Früherkennungsprogramms ein kostenloses Tumorscreening. Die programmverantwortliche Medizinerin, Dr. Veronika Riegler, zieht im Gespräch mit uns ein Resümee.
medonline: Frau Dr. Riegler, wie ist der aktuelle Status beim Brustkrebsfrüherkennungsprogramm?
Veronika Riegler: Das Brustkrebsfrüherkennungsprogramm hat wesentlich dazu beigetragen, dass Brustkrebs heute so gut therapierbar ist. Über 90% der Brustkrebspatientinnen haben eine 5-Jahres-Überlebensrate, das ist im Vergleich zu anderen Tumorarten extrem hoch. Das heißt, das Brustkrebsfrüherkennungsprogramm wirkt. Insgesamt haben wir rund 170 Screening-Standorte in ganz Österreich.
Brustkrebsscreenings sind ja ein EU-weites Ziel. Wie liegt Österreich hier international?
Insgesamt sehr gut. Es gibt in der EU prinzipiell ein Nord-Süd-Gefälle. Die skandinavischen Länder etwa haben traditionell eine höhere Beteiligung bei Vorsorgeuntersuchungen, so auch beim Brustkrebsscreening. Aber Österreich steht im Vergleich zu den Nachbarländern wie Deutschland gut da. Unsere Detektionszahlen sind sehr ähnlich. Im Stadium I unter 10mm weisen wir etwa 31% der Tumoren nach, in Deutschland sind es 35%.
In Deutschland wurde seit Sommer 2024 der Kreis der Teilnehmerinnen ausgeweitet auf 45–75 Jahre, was in Österreich ja von Anfang an so war. Ist das eine Bestätigung für uns?
So würde ich das auch sehen. Die aktuellen Daten haben ergeben, dass Frauen auch schon ab 45 Jahren und auch noch über 70 Jahren von dem Programm profitieren. Deshalb hat auch die EU ihre Leitlinien geändert und empfiehlt jetzt die Screenings in der Altersgruppe von 45–75 Jahren. Deutschland ist diesen Empfehlungen jetzt gefolgt.
Eine weitere Besonderheit in Österreich ist der verstärkte Einsatz von Ultraschall, schon bei der Erstuntersuchung. Warum und welche Vorteile hat dies?
Bei Auffälligkeiten der Mammografie kann der Ultraschall gleich im Anschluss gemacht werden. Diese Kombination der beiden bildgebenden Verfahren bei der Einschätzung der Befundergebnisse erhöht die Befundqualität. Zudem kann man beim Ultraschall auch die Achselhöhlen untersuchen und mögliche Lymphknoten detektieren, die einen Hinweis auf einen Tumor geben. Das ist ein großer Vorteil, wenn dies schon bei der Erstuntersuchung geschieht, weil dadurch die Zahl der Zweituntersuchungen reduziert wird. Die Ultraschall-Untersuchung muss zwar – im Gegensatz zur Mammografie – von einer Ärztin oder einem Arzt durchgeführt werden. Aber teurer käme es, wenn die Patientinnen und Patienten nochmals kommen müssen.
Der vierte Evaluierungsbericht der GÖG zeigt, dass die Teilnahmerate von 40% nach wie vor unter den Vorgaben der EU liegt. Was ist hier geplant, um mehr Frauen und Männer zu erreichen?
Das ist ein schwieriges Thema. Viele Frauen wollen es gar nicht wissen und kommen erst, wenn sie einen Tumor ertasten. Hier gilt es aufzuklären. Ein großer Hebel sind auch die Gynäkologinnen und Gynäkologen. Diese sind die einzigen Ärztinnen und Ärzte, zu denen Frauen durchgehend und regelmäßig Kontakt haben. Wenn diese das Brustkrebsfrüherkennungsprogramm aktiv empfehlen, dann würde meiner Meinung nach auch die Teilnahmerate steigen.
Aber nicht alle Gynäkologinnen und Gynäkologen sind begeistert vom Brustkrebsfrüherkennungsprogramm, oder?
Da ist am Anfang nicht alles optimal gelaufen, weil die Gynäkologinnen und Gynäkologen die Befunde des Brustkrebsscreenings nicht erhalten haben. Durch die quasi Zuweisung zur Screening-Mammografie ist dies aber möglich. Uns ist es ein Anliegen, dass die Gynäkologinnen und Gynäkologen die Frauen weiterhin begleiten.
Apropos begleiten. In der Evaluierung der GÖG wurden Datenlücken angesprochen. Welche sind das konkret und wie könnte man diese schließen?
Die Programmleitung koordiniert in enger Abstimmung mit den Regionalstellen in den Bundesländern sowie den Vertreterinnen und Vertretern der Länder, die für die LKF-finanzierten Krankenanstalten zuständig sind, Strategien, wie die Datenübermittlung automatisiert werden kann und der operative Aufwand in den Spitälern möglichst gering ist.
Gleichzeitig laufen Gespräche über die Einbindung der PRIKRAF-Häuser, da auch in diesen Brustgesundheitszentren ein nicht unbeträchtlicher Anteil von Assessmentuntersuchungen durchgeführt wird.
Wie ist Ihr persönliches Resümee nach 10 Jahren Brustkrebsfrüherkennungsprogramm?
Die Initiative ist grandios. Ich bin seit knapp 2 Jahren programmverantwortliche Medizinerin, kann aber auch durch meine jahrzehntelange Arbeit als Chirurgin sagen: Besser geht es nicht. Dass die Mortalitätsrate bei Brustkrebs heute so niedrig ist, ist ein wesentlicher Verdienst des Brustkrebsscreenings. Denn je früher ein Tumor identifiziert wird, desto besser sind die Überlebenschancen. Wir dürfen nicht aufhören, hier aufzuklären und zu informieren. Denn wir sehen, dass es wirkt.
Dr. Veronika Riegler ist programmverantwortliche Medizinerin des Brustkrebsfrüherkennungsprogramms und chirurgische Oberärztin im Gesundheitszentrum Favoriten.