29. Jän. 2018

Diabetes? Das Herz nicht vergessen!

Kardio interaktiv – Typ-2-Diabetiker sind häufig kardiovaskuläre Hochrisikopatienten. Daten aus großen Endpunktstudien zeigen unterschiedliche Effekte der verschiedenen Antidiabetika auf das Herzrisiko. (Medical Tribune 4/18)  

Neue Antidiabetika können in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Hochrisikopatienten hilfreich sein.
Neue Antidiabetika können in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Hochrisikopatienten hilfreich sein.

Nach langen Jahren des vergleichsweisen Stillstandes hat sich das Angebot an Therapie für den Diabetes mellitus Typ 2 (T2D) in den letzten Jahren erheblich vergrößert. Nacheinander kamen die Substanzgruppen der GLP-1-Analoga, DPP-4-Inhibitoren und SGLT-2-Inhibitoren mit jeweils mehreren Produkten auf den Markt. Laut aktueller europäischer Leitlinie zum Management des T2D sind diese Substanzgruppen weitgehend gleichgestellt. Sie können entweder als Add-on-Therapie zum Einsatz kommen, wenn mit dem First-Line-Therapeutikum Metformin keine ausreichende glykämische Kontrolle erreicht wird, oder sie können Metformin im Falle der Unverträglichkeit ersetzen. Die Leitlinie gibt hier keine Präferenzen vor, zahlreiche Zweier- und Dreierkombinationen sind möglich. Die Wahl wird in der Regel anhand der Verträglichkeit und oft auch der Komorbiditäten getroffen.1

Kardiovaskuläre Endpunkte

Kardiovaskuläre Erkrankung und/oder Herzinsuffizienz sind in der diabetischen Population häufig. Aus diesem Grund schreibt die amerikanische FDA im Rahmen des Zulassungsverfahrens für neue Diabetes-Therapie kardiovaskuläre Endpunkstudien vor, die die Sicherheit in kardiovaskulären Risikopopulationen demonstrieren sollen. Zum Teil weisen die Ergebnisse dieser Studien jedoch über den reinen Sicherheitsaspekt hinaus. „Zwei dieser Substanzgruppen haben sich im Sinne einer Reduktion kardio­vaskulärer Ereignisse als besonders günstig herausgestellt: Die GLP-1-­Analoga und die SGLT-2-Inhibitoren“, sagt Univ.-Prof. Dr. Kurt Hubert, Leiter der 3. Medizinischen Abteilung am Wilhelminenspital in Wien.

Univ.-Prof. Dr. Kurt Huber Wilhelminenspital, Wien
Univ.-Prof. Dr. Kurt Huber
Wilhelminenspital, Wien

Generell wurde in diesen Studien die Wirkung auf einen kombinierten kardiovaskulären Endpunkt aus kardiovaskulärer Mortalität, Myokardinfarkt und Schlaganfall untersucht. Risikoreduktionen konnten gezeigt werden für Pioglitazon, Liraglutid, Semi­glutid, Empaglifozin und Canaglifozin.   Allerdings standen hinter diesen Effekten jeweils andere Treiber. So dürfte hinter der Risikoreduktion unter Pioglitazon vor allem die Wirkung auf das Schlaganfallrisiko stehen, die sich in mehreren Studien vor allem in der Sekundärprävention als substanziell erwiesen hat.2 Bei Herzinsuffizienz soll Pioglitazon nicht verwendet werden. Von einer ganz anderen Seite wird der kombinierte kardiovaskuläre Endpunkt durch die SGLT-2-Inhibitoren beeinflusst. Hier sorgte die Studie ­EMPA-REG OUTCOME für Aufregung. Sie fand unter Therapie mit Empagliflozin in einer kardiovaskulären Hochrisikopopulation vor allem eine sehr deutliche Senkung der kardiovaskulären Mortalität um 38 Prozent, was letztlich auch zu einer Senkung der Gesamtmortalität führte. Dabei wurden die Ereignisraten von nicht-tödlichem Myokardinfarkt und nicht-tödlichem Schlaganfall nicht signifikant verändert. Dafür waren unter Empagliflozin Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz signifikant seltener als unter Placebo.3

Huber: „Die Wirkung von Empagliflozin auf HbA1c und Körpergewicht sind durchaus günstig, können den sehr deutlichen und vor allem sehr schnell einsetzenden Effekt auf das kardiovaskuläre Risiko nicht erklären. Es laufen derzeit Studien, die die Wirkung von Empagliflozin auf Patienten mit Herzinsuffizienz ohne komorbiden Diabetes untersuchen.“  Auch auf die Nierenfunktion wirkt sich Empagliflozin günstig aus. Mehrere renale Parameter wurden deutlich und signifikant gesenkt. Die Verträglichkeit ist gut, in sehr seltenen Fällen kann es unter Therapie mit SGLT-2-­­Hemmern zu Ketoazidose kommen. Dies müsse bereits bei der Verschreibung bedacht werden. Insbesondere bei alten Patienten ist auf eine ausreichende Trinkmenge zu achten. Eine weitere antidiabetische Sub­stanz, für die eine signifikante Wirkung auf das kardiovaskuläre Risiko gezeigt werden konnte, ist der GLP-1-Rezeptoragonist Liraglutid. Die glukosesenkende Wirkung des Inkretinmimetikums beruht auf Verstärkung der Insulinsekretion, Hemmung der Glukagonausschüttung und Verlangsamung der Magenentleerung.

Kardiovaskuläre Risikoreduktion konnte in der LEADER-Studie4 demonstriert werden. Die kardiovaskuläre Mortalität war in ­LEADER um 22 Prozent reduziert. Dahinter stehen offenbar andere Mechanismen als bei den SGLT-2-Inhibitoren, denn Lira­glutid zeigte keine Wirkung auf Endpunkte, die im Zusammenhang mit Herzinsuffizienz stehen.  Positive kardiovaskuläre Endpunktdaten sind mittlerweile auch für den SGLT-2-Inhibitor Canaglifozin und das GLP-1-Analogon Semaglutid verfügbar. Alle anderen neuen Antidiabetika waren hinsichtlich des kardiovaskulären Risikos neutral oder es liegen bislang keine Daten aus Endpunktstudien vor. Für die gesamte Gruppe der DPP-4-Inhibitoren konnte kein kardiovaskulärer Benefit nachgewiesen werden.

Nierenfunktion beachten

Angesichts dieser Daten bieten sich, so Huber, für die Therapie kardiovaskulärer Hochrisikopatienten zusätzlich zu Metformin SGLT-2-Inhibitoren und GLP-1-Analoga an, wobei die Datenlage für Empagliflozin und ­Liraglutid am besten ist. Ein wichtiger Parameter für die Entscheidung ist die Nierenfunktion, denn SGLT-2-Inhibitoren sind derzeit bei eingeschränkter Nierenfunktion (eGFR < 45) kontraindiziert.

Referenzen:
1 Inzucchi SE et al., Diabetes Care 2015 Jan; 38(1): 140–92 Lee M et al., Stroke 2017 Feb; 48(2): 388–93
3 Zinman B et al., N Engl J Med 2015; 373: 2117–28
4 Marso SP et al., N Engl J Med 2016 Jul 28; 375(4): 311–22

Kardio Interaktiv, Wien, 13. Jänner 2018

Zum Infocenter zu kardiovaskulären Risiken bei Diabetes

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune