27. Dez. 2017

Radikaldiät heilt Typ-2-Diabetiker

Foto: skynesher/GettyImages

STUDIE – Fast 90 Prozent der Typ-2-Diabetiker, die mehr als 15 kg abnahmen, erreichten eine Diabetes-Remission – und zwar eine anhaltende. (Medical Tribune 50/17) 

Die Bedingungen waren hart: Die Probanden in der Interventionsgruppe durften drei bis fünf Monate lang nur zwischen 823 und 853 kcal pro Tag in Form einer Formuladiät zu sich nehmen. Danach folgte eine zwei- bis achtwöchige Phase, in der stufenweise wieder feste Nahrung eingeführt wurde. Danach erhielten die Teilnehmer noch strukturierte Unterstützung, um eine stabile längerfristige Gewichtsreduktion zu erreichen. Der Erfolg gab den harten Maßnahmen recht. Fast 90 Prozent der Probanden, die es schafften, mehr als 15 kg Gewicht zu verlieren, erreichten eine Diabetes-Remission, freut sich Studienleiter Prof. Dr. Roy Taylor, Newcastle University, gegenüber „Lancet“. Das bedeutet, dass diese Probanden einen HbA1c < 6,5 hatten, nachdem sie seit mindestens zwei Monaten keine Antidiabetika mehr eingenommen hatten. Die Diabetes-Remission konnte bis zum Ende der Studie nach zwölf Monaten aufrechterhalten werden.

Studie in der Hausarztpraxis

Die multizentrische nicht verblindete clusterrandomisierte Studie fand unter Real-Life-Bedingungen im niedergelassenen Setting statt. 49 Hausarztpraxen in Schottland und dem nordenglischen Tyneside nahmen teil und und wurden in eine Interventions- und eine Kontrollgruppe randomisiert. In die Studie eingeschlossen werden konnten Patienten zwischen 20 und 65 Jahren, die innerhalb der vorangegangenen sechs Jahre die Diagnose Typ-2-Diabetes erhalten hatten, einen BMI zwischen 27 und 45 hatten und nicht mit Insulin behandelt wurden. Auschlusskriterien waren schwere oder instabile Herzerkrankungen und andere schwere Komorbiditäten, Gewichtverlust von 5 kg oder mehr innerhalb des letzten halben Jahres, Essstörungen, Schwangerschaft, Depressionen und ein HbA1c von < 6 zu Studienbeginn bzw. ein HbA1c < 6,5 ohne Antidiabetika.

Die Interventionsgruppe musste sich der beschriebenen Radikaldiät unterziehen und mit Tag 1 der Kur sämtliche Antidiabetika und Antihypertensiva absetzen. Die Kontrollgruppe wurde entweder im Rahmen eines evidenzbasierten Gewichtsreduktionsprogramms betreut oder leitlinienkonform geführt. Die mittlere Gewichtsabnahme lag in der Interventionsgruppe bei 10 kg, in der Kontrollgruppe verloren die Probanden im Schnitt nur 1 kg. In der Interventionsgruppe verloren 24 Prozent der Probanden > 15 kg, in der Kontrollgruppe keiner. Fast die Hälfte der Interventionsgruppe (46 %) erreichte eine Diabetes-Remission, in der Kontrollgruppe waren es vier Prozent. Die harten Diätvorgaben in der Interventionsgruppe hielten allerdings nicht alle durch – ein Viertel der Probanden brach ab. Die Rate unerwünschter Ereignisse war in der Interventionsgruppe höher (4 vs. 1 %).

Böses Leber- und Pankreasfett  
Der hier angewandte therapeutische Ansatz beruht auf der sogenannten „Twin-Cycle-Hypothese“ zur Ätiologie des Typ-2-Diabetes. Die besagt, dass die Entstehung des Typ-2-Diabetes vor allem durch hohe Fettgehalte von Leber und Pankreas getriggert wird. In einer Proof-of-Concept-Studie* konnte die Arbeitsgruppe um Prof. Roy Taylor diese Hypothese schon vor einigen Jahren bestätigen: Mit einer 600–700 kcal/Tag-Diät sank der Leberfettgehalt innerhalb von sieben Tagen auf das Niveau Gesunder. Analog zur Leberentfettung ging auch die Insulinresistenz der Hepatozyten zurück. Die Bauchspeicheldrüse brauchte ein wenig länger, um sich zu erholen, doch nach acht Wochen hatten sich auch Pankreasfettgehalt und First-Phase-Insulinsekretion normalisiert.

Lean M et al., Lancet 2017; DOI: 10.1016/S0140-6736(17)33102-1

*Lim EL et al., Diabetologia 2011; 54: 2506–14

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune