13. Juni 2014

Umsatzsteuerpflicht für Patientenstock?

WIEN – Vor dem Praxisverkauf sollte unbedingt ein Steuerberater beigezogen werden, müssen doch komplexe Fragen geklärt werden. So ist etwa durch die jüngste Judikatur etwa die Umsatzsteuerbefreiung des Verkaufs des Patientenstocks aufgehoben. Wobei dies wiederum im Widerspruch zu einer EURichtlinie steht.

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Ärzte mit Hausapotheken tätigen auch umsatzsteuerpflichtige Umsätze.

 

Das Finanzministerium hat seit Jahren per Erlass (UStR RZ 947) verfügt, dass die Veräußerung von nicht mehr benötigten Praxisgegenständen sowie auch der ganzen Praxis im Regelfall ohne Umsatzsteuer erfolgen kann. Dies gilt auch für den Fall, dass die Praxis geschlossen und einzelne Einrichtungsgegenstände in das Privatvermögen entnommen werden.

Umsatzsteuer bei Hilfsgeschäften

Für Hilfsgeschäfte wie etwa die Veräußerung, Entnahme oder Vermietung von Anlagevermögen inklusive der Betriebsveräußerung kann die Steuerbefreiung gemäß § 6 (1) 26 UStG zum Tragen kommen. Danach ist auch die Lieferung und Entnahme von Gegenständen steuerbefreit, wenn der Unternehmer für diese Gegenstände keinen Vorsteuerabzug vornehmen konnte und die gelieferten oder entnommenen Gegenstände ausschließlich für eine unecht steuerbefreite Tätigkeit (§ 6 (1) Z 7–25 UStG) verwendet wurden oder die Gegenstände vorübergehend für Zwecke verwendet werden, die außerhalb des Unternehmens liegen und die Gegenstände im Unternehmen stets ausschließlich für eine solche unecht umsatzsteuerbefreite Tätigkeit verwendet wurden. Für das Hilfsgeschäft besteht daher keine Steuerbefreiung, wenn steuerfreie mit steuerpflichtigen Umsätzen (z.B. Hausapotheke, Kontaktlinsenverkauf) zusammentreffen.

Kassenpraxis mit Hausapotheke

In Kaufverträgen, die über den Verkauf einer Arztpraxis errichtet werden, kann daher lt. BMF (Ausnahmen siehe oben) der Kaufpreis ohne Umsatzsteuer angeführt werden. Die USt-Befreiung gilt für den gesamten Kaufpreis, unabhängig, ob er auf körperliche oder unkörperliche Wirtschaftsgüter bzw. den Firmenwert entfällt.

Aktuelles Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts

Das Bundesfinanzgericht (2. Instanz im Abgabenverfahren) hat allerdings in einem aktuellsten Erkenntnis (BFG vom 28.02.2014, RV/2100756/2012) der Rechtsmeinung des BMF eine Absage erteilt. Konkret ging es um die Veräußerung der Daten der Patientenkartei durch einen (Kassen-)Arzt für Allgemeinmedizin, welcher auch eine Hausapotheke führte. Das Finanzamt vertrat den Standpunkt, dass infolge der Tätigung der Hausapotheken-Umsätze neben den eigentlichen Arzt-Umsätzen keine ausschließliche Verwendung des Kundenstockes für die steuerfreien Umsätze gegeben sei und daher die Umsatzsteuer-Befreiung gem. § 6 (1) 19 UStG für die Lieferung der Patientenkartei nicht zustehe.

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Das Bundesfinanzgericht entschied, dass die entgeltliche Übertragung der Patientenkartei eine sonstige Leistung darstellt, weil die Weitergabe der darin aufgezeichneten Informationen über die behandelten Patienten an den Ordinationsnachfolger nach dem objektiven wirtschaftlichen Gehalt des Vorganges und nach den Intentionen der Vertragspartner im Vordergrund steht. Denn die Kenntnis der Krankengeschichten der Patienten ist gerade für einen neu beginnenden Arzt von großer Wichtigkeit. Dafür sei er bereit gewesen, den in Rede stehenden Betrag zu bezahlen.

In diesem Zusammenhang ist das dem wirtschaftlichen Vorgang der Informationsweitergabe immanente Element der Lieferung eines Gegenstandes, die Übergabe des diesbezüglichen Datenträgers (elektronisch oder in Papierform), als unselbstständige Nebenleistung der sonstigen Leistung zu qualifizieren. Da demnach das strittige Hilfsgeschäft keine Lieferung eines Gegenstandes darstellt, ist auch der eingangs zitierte Befreiungstatbestand des § 6 (1) 26 UStG , der die Lieferung von Gegenständen zur Voraussetzung hat, bereits aus diesem Grund nicht erfüllt und die Umsatzsteuerbefreiung nicht gegeben.

Gegensatz zu EU-Richtlinie

Anmerkung des Verfassers: Die Anwendung dieser Judikatur würde bedeuten, dass die Veräußerung eines Patientenstockes (welche immer mit der Weitergabe der Patientendaten verbunden ist) als sonstige Leistung in keinem Fall einer Umsatzsteuerbefreiung zugänglich ist. Beim Verkäufer führt dies zu einer Umsatzsteuerpflicht, beim Käufer steht dann im Regelfall kein Vorsteuerabzug zu. Ein solches Ergebnis steht jedenfalls im völligen Gegensatz zur EU-Mehrwertsteuerrichtlinie. Es ist derzeit nicht bekannt, wie das Finanzministerium auf dieses Judikat reagieren wird. Bei allen Ordinationsverkäufen sollte bis zu einer Regelung dieser Frage besondere Beachtung geschenkt werden.

Foto: Archiv

Steuerberater Mag. Wolfgang Leonhart

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