Leitlinien und ihre Bedeutung für die Praxis

In einem geburtshilflichen Fall musste sich der deutsche Bundesgerichtshof mit der haftungsrechtlichen Bedeutung von Leitlinien ärztlicher Fachgremien auseinandersetzen. Konkret ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Risikopatientin in ein Perinatalzentrum zu überweisen ist. Der BGH hielt in seiner Entscheidung zunächst fest, dass die Übernahme einer Risikopatientin nur dann als Behandlungsfehler qualifiziert werden kann, wenn sie dem im Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard zuwiderlief. Der Standard gebe Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann.

Er repräsentiere den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat. Die Ermittlung des Standards sei grundsätzlich Sache des Tatrichters, der sich auf die medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens durch einen Sachverständigen aus dem betroffenen medizinischen Fachgebiet stützen muss. Das Ergebnis dieser Würdigung könne nur auf Rechts- und Verfahrensfehler überprüft werden, insbesondere darauf, ob ein Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze vorliegt, das Gericht den Begriff des medizinischen Standards verkannt oder den ihm unterbreiteten Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt hat.

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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune