12. Juni 2017

Ein Psychiater für die Uni Innsbruck

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Fleischhacker ist der neu gewählte Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck (MUI). Im MT-Gespräch schildert er die Motive seiner Kandidatur und seine Ziele als Rektor. (Medical Tribune 23/2017)

Wolfgang Fleischhacker möchte Grabenkämpfe in der MUI beenden.
Wolfgang Fleischhacker möchte Grabenkämpfe in der MUI beenden.

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Fleischhacker wird der fünfte Rektor der MUI. Seit ihrer Gründung ist die öffentliche Wahrnehmung der MUI vielfach durch Negativschlagzeilen geprägt. Die Bewerbung der amtierenden Rektorin, Univ.-Prof. Dr. Helga Fritsch, um eine zweite Amtszeit hat keine erforderlichen Mehrheiten gefunden. Fleischhacker ist gebürtiger Niederösterreicher, hat in Innsbruck studiert und ist seit 1978 an der Innsbrucker Uniklinik für Psychiatrie tätig. 1994 wurde er dort stellvertretender Klinikvorstand und ist seit 2008 Geschäftsführender Direktor des Departments für Psychiatrie und Psychotherapie. Im Oktober 2017 tritt er sein neues Amt an – mit viel Optimismus, wie sich im Gespräch mit der MT zeigt.

Keiner Ihrer Vorgänger hat den Rektorenstuhl freiwillig verlassen. Warum soll es Ihnen anders ergehen?

Fleischhacker: Das kann ich natürlich nicht vorhersagen, habe aber den Eindruck, dass manche Dissonanzen auf Kommunikationsproblemen beruhten. Das war einer der Gründe, die für mich den Ausschlag gaben, mich zu bewerben. Als Psychiater lernt man zuzuhören, mit Kompromissen zu leben und Konflikte zu managen. Zudem habe ich den Vorteil, auf Vorarbeiten aufbauen zu können, wozu v.a. das noch amtierende Rektorat viel beigetragen hat.

Polemisch formuliert: Braucht die MUI einen Psychiater?

Fleischhacker: Natürlich nicht. Das ist wohl nicht nur eine polemische, sondern auch eine ironisierende Formulierung. Allerdings zielte meine Aus- und Fortbildung zu einem Gutteil auf zwischenmenschliche Kommunikation ab. Derlei Kompetenzen sind hilfreich in einer Führungsposition und lassen mich mit viel Optimismus an diese Aufgabe herangehen. Wäre ich pessimistisch, hätte ich mich nicht beworben.

2014 verkündeten die MUI und die Tilak (heute Tirol Kliniken), der Zusammenarbeitsvertag werde die permanenten Streitereien beenden. Sie haben die Kommunikations­probleme zwischen den beiden Institutionen bereits zu ihrem ersten Arbeitsschwerpunkt erklärt …

Fleischhacker: Die Kommunikations- und Zusammenarbeitsstruktur zwischen MUI und Tirol Kliniken bedarf einer Optimierung – vorsichtig ausgedrückt. Der Zusammenarbeitsvertrag war ein wichtiger erster Schritt, der, soweit ich das beurteilen kann, nicht ausreichend weiterentwickelt wurde. Beide Einrichtungen wurden in den letzten Jahren zunehmend von Tagesproblemen eingeholt, weshalb gemeinsame strategische Überlegungen nicht ausreichend Raum gefunden haben.

Wieso funktioniert das an den Medizinischen Universitäten in Wien und Graz besser?

Fleischhacker: Die Grazer haben so einen Vertrag schon seit Jahrzehnten und Wien hat ein anderes System. Die Mischsituation mit Landes- und Bundesbediensteten, wie in Graz und Innsbruck, gibt es dort nicht. Ich sehe es als ein zentrales Element meiner Tätigkeit als Rektor, hier ein strategisches Konzept mit zu entwickeln, das auf Jahre hinaus hält. Das ist einer meiner Ansprüche an dieses Amt. Viele Sorgen haben die Tirol Kliniken und die MUI gemeinsam, wobei die Lösung nicht allein die Aufgabe von Führungspersonen sein kann. Dazu braucht es Teamarbeit und die Einbeziehung von externen Experten. Ich bin in diesem Zusammenhang bereits in Kontakt mit dem Institut für Hochschulmanagement an der WU Wien.

Einige Konflikte fußen in unterschiedlichen Interessen. Etwa, wenn es um den Anteil der Forschung an der Arbeitszeit der Bundesärzte geht. Die MUI will, dass ihre Ärzte forschen, die Kliniken möglichst viele Zeitressourcen in der Krankenversorgung – wie löst man das Dilemma?

Fleischhacker: Ich bestreite, dass es hier einen Interessensgegensatz gibt. Forschung, Lehre und Krankenversorgung ergänzen einander. Die Medizin-Universitäten sind von Gesetzes wegen verpflichtet, an der Krankenversorgung teilzunehmen, auch vor dem Hintergrund der Ausbildung. Junge Ärztinnen und Ärzte können nichts lernen, wenn sie nicht an der Versorgung teilnehmen. Zugleich profitieren die Tirol Kliniken davon, dass hier Forschung und Lehre betrieben werden. Modernste Therapien werden erforscht und finden direkt in die Patientenversorgung Eingang. In Wirklichkeit sollten beide Partner von diesen sogenannten Widersprüchen profitieren, die ich als essenzielle Ergänzung sehe. Das Arbeitszeitruhegesetz hat uns allerdings personalmäßig in eine große Bredouille gebracht. Ich orte seitens des Landes Tirol jedoch Verständnis dafür, dass es einen zusätzlichen Personalbedarf gibt.

Die Arbeitszeitbegrenzung auf 48 Stunden war zehn Jahre bekannt und man wusste, das wird verpflichtend. War das nicht grob fahrlässig, sich kaum darauf vorzubereiten?

Fleischhacker: Ich versuche, mich weniger nach hinten zu orientieren und Schuldige zu suchen. Wir müssen dieses Problem gemeinsam lösen. Es ist insgesamt ein Desiderat meiner Amtsperiode als Rektor, nicht alte Konflikte aufzuarbeiten, sondern lösungsorientiert nach vorn zu schauen.

Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg will eine „Medical School“ zur Sicherung der medizinischen Versorgung Tirols einrichten. Manche warnen vor einer „Mediziner-Light-Ausbildung“ .

Fleischhacker: Diese Idee geistert seit etwa zwei Jahren herum, ich möchte erst dann dazu Stellung beziehen, wenn ich entsprechende Konzepte kenne.

Konfliktlinien verlaufen auch innerhalb der MUI und Konkurrenzkämpfe unter Ärzten haben in den letzten Jahren wiederholt das Image der MUI und ihrer Rektoren beschädigt.

Fleischhacker: Ich will es positiv umformulieren: Mir ist es ein großes Anliegen, wieder mehr Wertschätzung zu vermitteln. Im Laufe der letzten Jahre wurde mir klar, wie viel gute Arbeit in unterschiedlichen Bereichen an dieser Medizin-Universität geleistet wird, von der niemand weiß. Wir waren in Negativschlagzeilen verhaftet und haben das viele Gute nicht mehr wahrgenommen. Es wäre ein wichtiger Schritt, innerhalb der MUI wieder eine Corporate Identity herzustellen. In meiner Assistentenzeit waren wir stolz, der Medizinischen Fakultät der Leopold-Franzens-Universität anzugehören. In den ersten Autonomiewirren, seit wir von der Stammuniversität ausgeschieden wurden, ist das verloren gegangen. Es gibt Statistiken, wonach die MUI, wenn man es aufs Personal hochrechnet, bei Publikationen und Drittmitteleinwerbung erfolgreicher ist, als die anderen Medizinunis in Österreich. Es gibt in dem Campus, in dem wir arbeiten, Ärztinnen und Ärzte, die Weltruf haben, international wertgeschätzt sind.

Wenn die Trennung ein Fehler war, könnte man sie doch rückgängig ­machen.

Fleischhacker: Es wäre besser nicht passiert und ich habe mich damals massiv gegen die Trennung eingesetzt. Aber wir können es jetzt nicht rückgängig machen. Das würde die Pflanze gefährden, die wir jetzt hochbringen und die da und dort schon wunderbar sprießt. Uns als 17. Fakultät der LFU zu finden, hielte ich für einen dramatischen Rückschritt. Das sage ich, obwohl ich ein vielleicht antiquierter Vertreter der universitas litterarum bin. Ob es einem recht ist oder nicht, es geht auch im universitären Bereich in Richtung Spezialisierung. Das leibnizsche Gesamtbildungskonzept ist leider kein viables mehr.

Wo sehen Sie die MUI zwischen den Zuschreibungen Weltklasse und Regionaluniversität?

Fleischhacker: Ich warne vor unseligen Vergleichen mit amerikanischen oder europäischen Spitzenuniversitäten, die über zehn- bis hundertfach größere Budgets verfügen. Es ist unrealistisch, in allen Bereichen mitspielen zu können. Aber die eine oder andere Nische, in der wir wirklich gut sind, muss man natürlich weiter pflegen. In solchen Bereichen ist der angesprochene Anspruch auf Weltruf sicher nicht zu hoch gegriffen.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune