9. Jän. 2015

Rave-Droge Ketamin beweist sich bei Depressionen

Das klinisch als Anästhetikum eingesetzte Ketamin eignet sich hervorragend als Therapeutikum bei Depressionen, bipolaren Störungen und suizidalem Verhalten.

Foto: iStockphoto, GlobalStock
Mit der psychoaktiven “Partydroge” Ketamin, die in der Jugendszene unter dem Namen “Special K” bekannt ist, lässt sich eine sehr effektive Behandlung von Depressionen, bipolaren Störungen und suizidalem Verhalten erzielen.

Wirkung von Ketamin tritt extrem rasch ein

Im Gegensatz zu konventionellen Antidepressiva, die in der Regel erst einige Wochen nach der ersten Einnahme ihre Wirkung zeigen, “behebt” Ketamin die Anzeichen einer Depression in weniger als zwei Stunden. Aus diesem Grund verschreiben Ärzte zunehmend Ketamin off-label, auch wenn noch nicht genügend Informationen über die langfristige Wirkung der Einnahme bekannt sind. Nun versuchen Forscher dahinterzukommen, wie sich die Einnahme von Ketamin auf das Gehirn auswirkt. Seit der rasche Wirkungseintritt bekannt ist, streben etliche Pharmaunternehmen danach, patentierbare Formen des Medikaments zu entwickeln, da sie ein großes Geschäft wittern.

Wirkungsweise von Ketamin

Ketamin blockiert das an Gedächtnis und Wahrnehmung involvierte Signalmolekül NMDA. Im Jahr 2013 veröffentlichte eine Forschergruppe um James Murrough vom Mount Sinai Hospital in New York City die bislang größte of off-label-Studie mit 73 Probanden. Die Untersuchung ergab, dass Ketamin die Anzeichen einer Depression bei 64 Prozent der Testpersonen, die zuvor erfolglos drei oder mehr Medikamente eingenommen hatten, innerhalb von 24 Stunden aufhob. Bei der mit dem Sedidativum Midazolam behandelten Kontrollgruppe betrug die Reduktion nur 28 Prozent. (J. W. Murroughet al. Am. J. Psychiatry 170, 1134–1142; 2013). Nun arbeitet die Gruppe daran, mittels Neuroimaging die Gehirne von Patienten, die Ketamin einnehmen, abzubilden, um zu verstehen, auf welche Weise die Substanz wirkt.

Vor einer weiteren Verbreitung von Ketamin müssen noch die Langzeitwirkungen studiert werden, denn es wurden auch schon Nebenwirkungen bekannt. So führte das Medikament, wenn es in therapeutischen Dosen verabreicht wird, bei einigen Personen zu dissoziativen Gefühlen. Die Testpersonen berichteten, sich für weniger als eine Stunde “außerhalb des Körpers” zu fühlen. Bei der Verabreichung höherer Dosen kam es bei “Freizeit-Anwendern” zu einem “K-Hole“, einem zutiefst desorientierten Zustand, der von lebhaften Halluzinationen begleitet wird.

Hoffnung für Pharmabranche

Durch die Entwicklung patentfähiger Varianten von Ketamin zur Behandlung von Depressionen erwarten sich viele Pharmafirmen große Gewinne. So versucht etwa Johnson & Johnson in New Jersey einen als “Esketamine” bezeichneten Nasenspray auf den Markt zu bringen. Das Unternehmen plant, noch zu Beginn dieses jahres eine an 200 Probanden durchgeführte Studie mit vielversprechenden Ergebnissen zu veröffentlichen.
Das Unternehmen Naurex aus Illinois veröffentlichte im letzten Monat die Ergebnisse aus einer Studie an 386 Personen, der zufolge das Ketamin-ähnliche Medikament GLYX-13 ohne halluzinatorischen Nebenwirkungen bei der Hälfte der Probanden erfolgreich gegen Depression eingesetzt wurde.
Das Schweizer Unternehmen Roche erwartet aktuell die Ergebnisse aus einer 357-Personen-Studie mit dem Medikament “Decoglurant”.

Quelle: Nature 517, 130–131, 08 January 2015, doi:10.1038/517130a