Handwerker mit Hirn und Liebe zum Detail
Für OA Dr. Florian Primavesi, Universitätsklinik für Chirurgie Innsbruck, ist strategisches Vorgehen genauso wichtig wie handwerkliches Geschick. Mit der krebs:hilfe! sprach er auch über heikle Themen wie die Gefahr der Selbstüberschätzung und den Umgang mit Dingen, die schiefgehen. (krebs:hilfe! 8-9/17)
„Er ist extrem engagiert und als erster Österreicher im Vorstand des Young Surgeons and Alumni Clubs der europäischen Gesellschaft für chirurgische Onkologie, kurz EYSAC-ESSO“, schrieb OA PD Dr. Stefan Stättner, Universitätsklinik für Chirurgie, Innsbruck, an die krebs:hilfe! Der 32-jährige Chirurg Florian Primavesi, mit besonderer Expertise bei Leber- und Pankreastumoren, ist seit Kurzem Oberarzt und absolvierte zahlreiche (inter-)nationale Operations-Workshops.
Ein zunehmend intellektuelles Fach
Warum er Chirurg geworden ist? „Weil das eigene Handeln unmittelbar Ergebnisse zeigt. Je mehr ich mich persönlich engagiere, desto besser ist es für den Patienten. Das gibt einem sehr viel zurück.“ Außerdem habe sich die onkologische Chirurgie von einem eher handwerklichen zu einem zunehmend intellektuellen Fach enorm gewandelt, was es noch interessanter mache. „Davon, zu sagen, man operiert sofort nach Diagnosestellung, weil man der Chirurg ist, und dann gibt man den Patienten an den Onkologen weiter, sind wir komplett weg. Die Einbettung der Operation in ein therapeutisches Gesamtkonzept, z.B. mit individuell anhand von Mutationsmarkern abgestimmter Chemotherapie, macht die onkologische Chirurgie zu einem der spannendsten Fächer. Wir Chirurgen sind gefragt, weit über unseren Tellerrand hinauszusehen.“ Stättner, selbst renommierter Leber- und Pankreaschirurg, hat seinen jüngeren Kollegen schon während der Ausbildung dazu angehalten, alle Dinge zu hinterfragen. „Man braucht eine gewisse Begeisterungsfähigkeit dafür, penibel zu sein“, sagt Primavesi. „Ich kann mich wirklich in Details vergraben.“ – So auch im Rahmen seines PhD-Studiums, in dem er herausfinden will, wie sich Komplikationen nach einer Leberresektion verringern lassen. Dazu untersucht er Ischämie(dauer) und Reperfusionsschäden bzw. den Einfluss von oxidativem Stress auf die Leberzellen.
Wissen weitergeben
Ein weiteres Projekt ist die Aufarbeitung eines österreichweiten Registers zu gegenüber dem klassischen Pankreaskarzinom selteneren neuroendokrinen Pankreastumoren: „Auf Basis dieser Daten möchten wir die Therapie standardisieren.“ Denn die Fallzahlen pro Klinik sind hierzulande sehr niedrig. „Jeder Patient sollte in einem Zentrum vorgestellt werden.“ Ergebnisse zum chirurgischen Management dieser seltenen Tumore aus der ACO-ASSO-PNET-Studie präsentierte Primavesi am Österreichischen Chirurgenkongress 2017. Neben der Zentralisierung habe Österreich auch in Sachen Ausbildung Aufholbedarf. „Das Wissen muss besser geteilt werden, was mittels Rotationssystem durch mehrere Zentren gelingen könnte.“ Zudem organisiert und leitet der Nachwuchschirurg Operations-Workshops, z.B. den Handson- Leber-OP-Kurs von 12.–13. Dezember, als Vorprogramm zum Kongress „Management primärer Lebertumore“ in Innsbruck (14.–15.12.17: www.hpb-innsbruck.at). Im EYSAC-Komitee ist Primavesi für Social Media zuständig und vernetzt europaweit junge onkologische Chirurgen über Facebook, Twitter und LinkedIn.
Nicht wegschauen
Eine Herausforderung für den Chirurgen ist die Gratwanderung zwischen gesundem Selbstvertrauen und einer gewissen Zurückhaltung. „Einerseits muss man an den eigenen Fähigkeiten arbeiten, daran glauben und sie auch einsetzen. Wenn man nicht entscheidungsfreudig ist oder zu lange braucht, bekommt man im OP Probleme. Andererseits gibt’s die klassischen Berichte über Chirurgen, die teilweise unter einer manischen Selbstüberschätzung leiden.“ – Irgendwo in der Mitte versucht Primavesi sich selbst anzusiedeln. „Natürlich interessieren uns als Chirurgen die herausfordernden OPs, weil wir gut sein wollen und auch das Schwierigste noch machen können wollen. Man muss aber einsehen, dass das nicht immer funktioniert. Und es ist nicht einfach, mit den Dingen umzugehen die schiefgehen.“ Wichtig ist Primavesi, im Moment einer Komplikation nicht wegzusehen und die Dinge zu negieren, sondern zum Patienten hinzugehen und so lange mit ihm zusammen das Problem zu lösen, bis das Ergebnis für alle zufriedenstellend ist, der Patient eine gute Lebensqualität hat und im besten Fall von seinem Tumor befreit ist. Das kann schon mal schlaflose Nächte verursachen. „Viele Ärzte machen sich tagelang Sorgen, bis der Patient wirklich gesund nach Hause geht. Die Patienten-Arzt-Beziehung hat sich komplett geändert in den letzten Jahren.“ Primavesi sieht sich als Partner oder Anwalt des Patienten, mit der großen Aufgabe, diesen vor Schaden zu bewahren, sei es durch die Krankheit oder durch medizinische Entscheidungen.
Weitere Vorschläge für Kandidaten dieser Serie richten Sie bitte an krebshilfe@medizin-medien.at