31. März 2016

Rettung für Hausapotheken naht

Die Übernahme von Landarztpraxen mit Hausapotheke soll erleichtert werden. Auch in großen Gemeinden mit öffentlicher Apotheke bekommen Ärzte unter bestimmten Voraussetzungen die Konzession.

Der Mindestabstand von Hausapotheken zu Apotheken soll wieder auf vier Kilometer verkürzt werden.
Der Mindestabstand von Hausapotheken zu Apotheken soll wieder auf vier Kilometer verkürzt werden.

Im Vorjahr machte die St. Martin-­Apotheke in Mistelbach in den Lokalmedien Schlagzeilen, weil sie ihren Standort an den Stadtrand verlegen wollte. Dr. Wolfgang Geppert, Sprecher des Österreichischen Haus­ärzteverbands, schlug Alarm, da er hinter dem harmlos erscheinenden Standortwechsel eine akute Bedrohung der landärztlichen Versorgung von Asparn an der Zaya witterte. Wäre der in der Gemeinde niedergelassene Kollege, Dr. Mahmoud Khaliel, in Pension gegangen, hätte sein Nachfolger die Hausapothekenkonzession nur noch dann erhalten, wenn er einen Abstand von sechs Kilometern zur öffentlichen Apotheke eingehalten hätte. Der aktuelle Praxisstandort fällt knapp ins Sperrgebiet, im Ort hätten sich nur wenige Möglichkeiten für eine Praxiseröffnung mit Hausapotheke ergeben. Österreichweit waren ähnliche Berichte von bedrohten Landarztstellen mit Hausapotheken zu lesen.

Asparn an der Zaya kann nun aufatmen. Ein von den Regierungsparteien Mitte März eingebrachter Initiativantrag soll das „Hausapotheken-Sterben“ bremsen. Künftig muss der Abstand der Nachfolge-Praxis zur nächsten öffentlichen Apotheke nicht mehr sechs, sondern nur mehr vier Kilometer Abstand betragen, um auch die Hausapotheke übernehmen zu können. Damit kehrt die Regierung zu der vor 2006 geltenden Regelung zurück. „Für Asparn an der Zaya geht sich das aus, und die Attraktivität der Kassenstelle sollte erhalten bleiben“, erklärt Geppert. Wermutstropfen: Für Landärzte, die bereits einen Bescheid zur Schließung ihrer ärztlichen Apotheken in Händen halten, hingegen komme die Initiative leider zu spät.

Hausapotheke weg, Arzt weg …

Auch ÖVP-Gesundheitssprecher Dr. Erwin Rasinger ist erleichtert über die Einigung, „die ein schwieriger Kompromiss war und um die lange gerungen wurde“. In den letzten zehn Jahren hätten mehr als 150 Hausapotheken geschlossen werden müssen, was zu den sich ständig verschlechternden Einkommensbedingungen der Ärzte mit beigetragen habe, 130 weitere Hausapotheken seien aktuell gefährdet. Der aktuelle Initiativantrag sichert nun nicht nur bestehende ärztliche Hausapotheken, sondern ermöglicht darüber hinaus die Bewilligung zusätzlicher: Denn die Regierungsparteien haben sich auf eine zweite Neuregelung geeinigt: In flächenmäßig großen Gemeinden mit Apotheke sollen Landärzte auch dann eine Haus­apotheke betreiben dürfen, wenn der Abstand zu dieser mehr als sechs Kilometer beträgt.

„Von dieser Neuregelung sollte z.B. Wildschönau in Tirol profitieren“, nennt Geppert ein weiteres Beispiel. Die Gemeinde hatte früher zwei Kassen-Allgemeinmediziner. Nachdem eine öffentliche Apotheke im Ort eröffnet hatte, fiel die Haus­apotheke weg. Für die beiden ausgeschriebenen Landarztstellen ging bislang keine einzige Bewerbung ein. „Da Wildschönau eine große, langgezogene Gemeinde ist, wird sich in Zukunft ein Standort finden, wo ein Kollege eine Ordination mit Hausapotheke eröffnen kann. Die Kassenstelle wird so wieder an Attraktivität gewinnen“, glaubt der Hausärztevertreter. Von der Neuregelung profitieren sollen österreichweit etwa zehn bis 15 Gemeinden.

Ärzte erfreut, Apotheker enttäuscht

Die Österreichische Ärztekammer gibt sich ebenfalls vorsichtig-optimistisch. „Wir sehen die Regelung der Hausapotheken-Frage als ersten wichtigen Schritt zur Verbesserung der Medikamenten-Versorgung der Landbevölkerung sowie der Arbeitsbedingungen von Landärzten“, erklärte ÖÄK-Präsident Dr. Artur Wechselberger. Es gelte nun abzuwarten, in welchem Ausmaß sich die eingebrachten Korrekturen tatsächlich positiv auf den akuten Landärzte-Mangel auswirkten.

Die Österreichische Apothekerkammer verärgert hingegen besonders, dass die neue Hausapotheken-Reglung die Bewilligung zusätzlicher ärztlicher Hausapotheken ermöglicht. „Damit gefährdet die aktuelle Initiative bestehende Apotheken auf dem Land, die einen wertvollen Bestandteil der Nahversorgung darstellen“, gibt ÖAK-Präsident Mag. Max Wellan zu bedenken. „Sie verhindert in größeren und wachsenden Gemeinden die Neueröffnung von öffentlichen Apotheken und Filialapotheken, sodass die Bevölkerung in diesen Orten auf das umfangreiche Angebot und die vielfältigen Serviceleistungen einer Apotheke verzichten muss.“

Gesundheitsministerin Dr. Sabine Oberhauser (SPÖ) bezeichnet die Novelle als Teil einer großen Lösung zur Primärversorgung, die derzeit verhandelt werde. „Dabei sollen alle Interessensgruppen – etwa auch die Apotheken – eingebunden sein“, ist ihr wichtig hervorzuheben. „Es nützt auch den öffentlichen Apotheken nichts, wenn der Hausarzt, der die Medikamente verschreibt, abwandert, weil er keine Hausapotheke führen darf.“

Rasche Umsetzung gefordert

Ärztevertreter wie auch Landes- und Gemeindepolitiker fordern nun eine rasche Umsetzung der neuen Haus­apotheken-Regelung. „Nach der Einigung ist jetzt entscheidend, dass noch vor dem Sommer ein entsprechender Gesetzesbeschluss im Parlament gefasst wird“, erklärt Geppert. Denn in einigen betroffenen Gemeinden stehe noch in diesem Jahr die Übergabe der Hausarztpraxis an. Profitieren könnte davon schon Lasberg im oberösterreichischen Mühlviertel. Dr. Helmut Cekal geht Ende Juni in Pension. „Der Sohn will die Ordination nur mit Haus­apotheke übernehmen – sonst wandert er nach Schweden aus“, berichtet Geppert. Cekals Hausapotheke liegt nur um 36 Meter innerhalb der sechs Kilometer-Grenze. Und das auch erst, seit die Apotheke in der Nachbarstadt einen neuen Standort aufmachte, der näher an Lasberg liegt …

Landmedizin & Hausapotheken
Gemäß Definition der Österreichischen Ärztekammer gilt als Landarzt, wer als Allgemeinmediziner mit Gebietskrankenkassenvertrag in einer Gemeinde mit bis zu 3000 Einwohnern tätig ist oder wer als einer von maximal zwei Kassen-Allgemeinmedizinern in einer Gemeinde eine Ordination betreibt.
Rund 40 Prozent aller Hausärzte, das sind etwas mehr als 1500 niedergelassene Kollegen, fallen in diese Gruppe. Sie sind für die hausärztliche Versorgung von mehr als 40 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher verantwortlich.
Um die 1000 Hausbesuche macht jeder Landarzt jährlich, auch in abgelegenen Gegenden. Noch knapp 840 Landärzte führen eine ärztliche Hausapotheke.
Quelle: Österreichische Ärztekammer

Von Mag. Karin Martin

 

 

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune