31. Mai 2023Wege zur Raucherentwöhnung

Weltnichtrauchertag: Rauchstopp ist oberstes Ziel

Anlässlich des Weltnichtrauchertages melden sich verschiedene Gesellschaften und Interessensvertretungen zu Wort. Besonders die Themen E-Zigarette und Harm Reduction finden besondere Beachtung und spalten die Geister.

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Österreich gilt immer noch als ein Land der Raucherinnen und Raucher. Rund 20 Prozent der Bevölkerung rauchen hierzulande regelmäßig Zigaretten. Die Anzahl täglich oder fast täglich konsumierender Menschen zwischen 15 und 34 Jahren ist nach einem kontinuierlichen Rückgang in den vergangenen Jahrzehnten während der Pandemie angestiegen, wie eine Befragung der Suchthilfe Wien zeigte. Damit schaden sie nicht nur sich selbst, wie die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) in einer Aussendung anlässlich des Welt Nichtrauchertages betont. Auch die Auswirkungen auf die Umwelt seien beachtlich und würden in vielen Ländern die ohnehin schon kritische Ernährungssituation der Bevölkerung noch verschärfen. „Tabakanbau ist ressourcenintensiv, hat zerstörerische Auswirkungen auf Ökosysteme und tritt in den Anbaugebieten oft in Konkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln – Kinderarbeit, prekäre Arbeitsbedingungen und Nahrungsmittelknappheit inklusive“, führt Lungenexperte Prim. Priv.-Doz. Dr. Christopher Lambers, Leiter der Expert*innengruppe COPD – Nikotin/Tabak – Arbeit/Umwelt der ÖGP vor Augen.

Doch trotz aller Argumente, die gegen das Rauchen sprechen (s. dazu auch Kasten), falle es vielen Menschen immer noch schwer, darauf zu verzichten. „Das liegt daran, dass die suchtmachende Wirkung des Nervengifts Nikotins, das bei dem für die Gesundheit so schädlichen Verbrennungsprozess freigesetzt wird, darin besteht, dass es an Rezeptoren im Gehirn andockt, dadurch das Belohnungssystem stimuliert und es zur Ausschüttung von Glückshormonen kommt. Und das Gehirn will mehr von diesen Glücksgefühlen und fordert Nikotinnachschub", so Lambers. Diesen Wirkzusammenhang müssen Methoden der Rauchentwöhnung berücksichtigen, sonst sind die Versuche, mit dem Rauchen aufzuhören, zumeist von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Die Menge der Zigaretten zu verringern sei dabei – entgegen weit verbreiteter Meinung – nicht zielführend. „Schon eine einzige Zigarette pro Tag erhöht das Risiko für koronare Herzkrankheiten um 48 Prozent bei Männern bzw. 57 Prozent bei Frauen und das Schlaganfallrisiko bei Männern um 25 Prozent bzw. 31 Prozent bei Frauen. Das ist etwa die Hälfte der Werte, wie wenn man 20 Zigaretten täglich raucht. Das Ziel muss daher die vollkommene Entwöhnung, ein endgültiger Rauchstopp sein“, betont der Experte.

Nein zu Raucherersatzprodukten vonseiten der Fachgesellschaft

In dem Punkt, dass die Zahl der Rauchenden gesenkt werden muss, herrscht breite Einigkeit. Divergenzen gibt es allerdings in der Herangehensweise. So empfehlen Lungengesellschaften, den Weg zum Rauchstopp mit professioneller Begleitung zu gehen. Nikotinpflaster, -kaugummis, -sprays und Inhaler können als „Überbrückungshilfe“ dienen, ebenso wie eine medikamentöse Unterstützung unter ärztlicher Aufsicht indiziert sein könne. E-Zigaretten und andere Raucherersatzprodukte werden auch vonseiten der ÖGP nicht empfohlen. „Eine Vielzahl neuer Produkte drängt auf den Markt und diese werden von den Erzeugern teils aggressiv als Rauchersatzprodukte beworben. Allerdings gibt es keine Langzeitdaten dazu, die einen Umstieg von der Zigarette auf andere Produkte rechtfertigen. Bei E-Zigaretten sollte auch auf das höhere Rückfallrisiko zum Tabakrauchen und die höheren Belastungen dualer Raucherinnen und Raucher erwähnt werden“, gibt Lambers zu bedenken.

Die Sucht- und Drogenkoordination Wien weist in einer Aussendung darauf hin, dass vor allem junge Menschen Konsumentinnen und Konsumenten elektronischer Inhalationsprodukte seien. So habe eine Studie, die zwischen Mai und Oktober 2022 mit 1.019 Personen in Wien durchgeführt wurde, gezeigt, dass neun Prozent der 15- bis 34-Jährigen täglich elektronische Inhalationsprodukte verwenden. Rauchfreie Produkte wie Nikotinbeutel werden von zwei Prozent täglich und sieben Prozent gelegentlich benutzt. „Nikotinbeutel können viel mehr Nikotin als Zigaretten enthalten. Das kann zu Überdosierung bis hin zur Nikotinvergiftung führen. Der Konsum kann auch das Zahnfleisch schädigen und zu Folgeerkrankungen führen. Außerdem kann, wie bei jedem Nikotinprodukt, rasch eine Abhängigkeit entstehen", warnt Mag. Lisa Brunner, Leiterin des Instituts für Suchtprävention der Sucht- und Drogenkoordination Wien. Nikotinbeutel würden irreführend als gesunde Alternative zu Zigaretten beworben und die Werbung ziele bewusst auf junge Menschen ab. „Nachdem diese Produkte immer noch nicht unter das Tabak- und Nichtraucher:innenschutzgesetz (TNRSG) fallen, ist ein Werbeverbot weiterhin nicht möglich. Aus Sicht der Suchtprävention sollten Nikotinbeutel aus diesem Grund, aber auch zur Qualitätssicherung rasch in das Gesetz aufgenommen werden", fordert Ewald Lochner, MA, Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien.

„Harm Reduction“ in Schweden und Großbritannien

Während in Österreich und auch in vielen anderen EU-Staaten die Quote der rauchenden Bevölkerung nur langsam sinkt, ist Schweden kurz davor, die Quote auf fünf Prozent zu senken und damit als rauchfrei zu gelten. Für Univ.-Doz. Dr. med. Ernest Groman, wissenschaftlicher Leiter des Nikotin Instituts Wien, liegt der Schlüssel für den Erfolg Schwedens bei der Eindämmung des Rauchens in den Strategien zur Risikoreduzierung (engl.: harm reduction). Diese zielen darauf ab, die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern, indem deren Konsum von Tabakwaren und ihre Exposition gegenüber Tabakrauch beendet oder reduziert werden: „Harm Reduction ist ein Konzept der modernen Medizin, welches die Abnahme der mit einem Suchtverhalten verbundenen Risiken und Gesundheitsgefährdungen zum Ziel hat. Aus eigener Erfahrung als wissenschaftlicher Leiter des Nikotin Instituts weiß ich, dass man bei rauchenden Patientinnen und Patienten mit Verboten allein nicht weit kommt, sondern auch konkrete Lösungsvorschläge erwartet werden“, so Groman.

Auch Fachleute von der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) sprechen sich für E-Zigaretten zur Raucherentwöhnung aus. Aktuell verschenkt die britische Regierung kostenlose E-Zigaretten an eine Million Raucher, um sie zum Verzicht auf Tabakrauch zu ermutigen. „Diese Maßnahme ist weltweit einmalig, zeigt aber die positive Bewertung der E-Zigarette in anderen Ländern. Nicht das Nikotin in den Zigaretten ist todbringend, giftig ist der Rauch“, so DGG-Experte Prof. Dr. Martin Storck, Direktor der Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie am Städtischen Klinikum Karlsruhe. Doch auch vonseiten dieser Gesellschaft betont man, dass ein kompletter Rauchstopp immer das Ziel sein müsse – nur eben mit allen Hilfsmitteln.

Hilfsmittel oder gesundheitsschädliches Lifestyle-Produkt?

Im Rahmen einer Diskussion bei den Praevenire Gesundheitstage Seitenstetten Mitte Mai 2023 kam Unterstützung für den Einsatz von E-Zigaretten vom oberösterreichischen Hausarzt Dr. Erwin Rebhandl. „Es gibt gute Programme zur Raucherentwöhnung. Wir bieten sie an. Die Erfolge sind aber noch bescheiden. Wir sehen aber auch Leute, die nicht imstande sind, völlig mit dem Rauchen aufzuhören“, so Rebhandl, Präsident der Oberösterreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin. Aus seiner Sicht können E-Zigaretten zur Überbrückung eine sinnvolle Alternative sein, um schlussendlich ganz mit dem Rauchen aufzuhören.

Dem widersprach allerdings der Obmann-Stellvertreter der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Andreas Huss, MBA: „Ich habe zu dieser ,Harm Reduction‘ ein gespaltenes Verhältnis.“ Die Tabakindustrie wolle offenbar via E-Zigaretten und Co. einfach die herkömmlichen Zigaretten durch andere Produkte ersetzen. „Leider werden diese Produkte breit beworben und als Lifestyle-Produkte angesehen. Da habe ich ein Problem damit.“ Auch diese Produkte könnten süchtig machen. Das oberste Ziel müsse es sein, dass die Politik gesundheitsschädliches Verhalten anspreche und den Zugang zu schädlichen Produkten erschwere.

Ärztekammer Wien fordert bessere Honorierung der Raucherentwöhnung

Dr. Erik Randall Huber, Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident in der Ärztekammer für Wien, sieht ein Problem in der Raucherentwöhnung darin, dass die Honorierung nicht der erbrachten Leistung entspreche. Bei den Lungenfachärztinnen und -ärzten gibt es zwar die Position „Raucherberatung mit Ziel der Entwöhnung“ – allerdings ist sie gedeckelt. Pro Quartal können maximal 20% der Fälle verrechnet werden. „Das ist eine abstruse und völlig weltfremde Regulierung, wenn man weiß, dass Patientinnen und Patienten oft über mehrere Monate begleitet werden müssen, damit der Ausstieg klappt“, weiß Huber. Er verlangt eine zeitgemäße Honorierung der Raucherentwöhnung ohne Einschränkungen. „Das würde dem System definitiv günstiger kommen als die Kosten für Folgekrankheiten, die Raucherinnen und Raucher entwickeln können.“

ÖGP-Experte Lambers weiß aus seinen Erfahrungen, dass es eben diese Begleitung für einen gelungenen Rauchstopp braucht. Er verweist auch auf das Rauchfrei-Telefon, das gute Unterstützung für Menschen, die mit dem Rauchen aufhören wollen, leiste.

Benefits des Rauchstopps

Gesundheitlicher Vorteil: Ein Rauchstopp senkt das Risiko für eine Vielzahl lebensbedrohlicher und lebensverkürzender Erkrankungen: an erster Stelle COPD und Lungenkrebs, aber auch andere Krebserkrankungen wie Blasenkrebs und das weite Feld der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Ein Rauchstopp senkt das Risiko selbst dann noch, wenn man davor viele Jahre geraucht hat“, betont ÖGP-Experte Lambers.

Finanzieller Vorteil: Die komplette Abstinenz führt zu erheblichen Kostenersparnissen. Rund 2.000 Euro pro Jahr geben Raucherinnen und Raucher jährlich für Zigaretten aus.*

Vorteil für die Umwelt: Durch Rauchen entstehen Schadstoff-Emissionen, die in die Luft abgegeben werden. Außerdem sind die Filter von Zigaretten nicht biologisch abbaubar.