Biontech will Vakzin an Omikron anpassen; Grazer Genesenen-Studie zeigt 8-monatigen Schutz
+++ WHO nimmt neue Corona-Variante "extrem ernst" – Israelischer Experte: Einschätzungen zu neuer Variante verfrüht – Biontech arbeitet an Impfstoff-Anpassung – UNO-Generalsekretär fordert "globalen Impfplan" gegen Covid – Genesenen-Studie konnte rund achtmonatigen Schutz nachweisen – Armutsbetroffene kämpften im Lockdown mit psychischen Problemen – Von der Leyen für Prüfung von allgemeiner Impfplicht in EU +++
WHO nimmt neue Corona-Variante "extrem ernst"
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nimmt die neue Omikron-Variante des Coronavirus "extrem ernst". Das betonte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Dienstag, 30.11., in Genf. Er wandte sich an Minister und Diplomaten der 194 Mitgliedsländer, die an einer WHO-Sondersitzung über einen möglichen weltweiten Pandemievertrag teilnahmen. Die WHO teilte ihre bisherigen Erkenntnisse über Omikron anschließend unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Solange die Welt es zulasse, dass die Pandemie sich hinziehe, seien Entwicklungen wie die Herausbildung einer neuen Virusvariante nicht überraschend, sagte Tedros. Dass die Pandemie bisher nicht beendet worden sei, liege unter anderem daran, dass die Impfstoffe unfair verteilt seien und dass Schutzmaßnahmen nicht überall konsequent umgesetzt würden. Der Großteil der Impfstoffe wurde bisher in reichen Ländern verabreicht, während mehrere Dutzend ärmere Länder mangels Impfstoff nach wie vor erst einen Bruchteil ihrer Bevölkerungen impfen konnten.
Tedros lobte Südafrika und Botswana, die die neue Variante entdeckt und sequenziert und die Informationen darüber schnell geteilt hatten. Er kritisierte Reisebeschränkungen gegen die Länder im südlichen Afrika. "Ich finde es sehr bedenklich, dass diese Länder jetzt von anderen dafür bestraft werden, dass sie das Richtige getan haben", sagte er. Für solche flächendeckenden Maßnahmen gebe es keine Grundlage. "Die globale Reaktion muss ruhig, koordiniert und kohärent sein", sagte Tedros. (APA/dpa)
Israelischer Experte: Einschätzungen zu neuer Variante verfrüht
Der israelische Corona-Experte Ran Balicer hält Einschätzungen zur Gefährlichkeit der neuen Omikron-Variante des Coronavirus für verfrüht. Er habe bereits vor einigen Tagen geschrieben, "dass die kommenden zwei Wochen voll mit Meinungen, persönlichen Eindrücken, unvollständigen und zweideutigen Daten" sein werden, sagte Balicer, Vorsitzender des Expertenbeirats der israelischen Regierung, am Dienstag, 30.11., in einem Gespräch mit Journalisten.
"Einige werden sagen, dass es ein ernstes Problem ist, schlimmer als erwartet, andere werden uns genau in die andere Richtung führen", sagte Balicer. In der Zwischenzeit sei es wichtig, "Kurs zu halten", bis wirklich wissenschaftlich verlässliche Daten vorliegen.
"Wir haben unterschiedliche Einschätzungen gehört von den Chefs von Moderna und Pfizer", sagte der israelische Experte. Moderna-Chef Stephane Bancel hatte sich skeptisch zur Wirksamkeit der bisherigen Impfstoffe gegen Omikron geäußert, Pfizer-Chef Albert Bourla sprach von einer möglicherweise verringerten Wirksamkeit. "Es ist in den ersten Wochen nach Auftauchen einer neuen Variante normal, dass alles noch nebulös ist, dass man noch keine sicheren Aussagen treffen kann", sagte Balicer. "Wir müssen wirklich geduldig sein."
Die Omikron-Variante (B.1.1.529) war zuerst im südlichen Afrika nachgewiesen worden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft sie vorsorglich als "besorgniserregend" ein. Die vierte Corona-Welle gilt in Israel zwar als überwunden. Zuletzt gab es jedoch einen Neuanstieg der Infektionsfälle, Experten sehen den möglichen Beginn einer fünften Welle. (APA/dpa)
Biontech arbeitet an Impfstoff-Anpassung
Der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech arbeitet neben laufenden Labortests zur Untersuchung der neuen Corona-Variante Omikron auch an der Entwicklung eines angepassten Impfstoffs – vorbeugend für den Fall, dass dieser notwendig werden könnte. "Um keine Zeit zu verlieren, gehen wir diese beiden Aufgaben parallel an, bis die Daten vorliegen und wir mehr Informationen darüber haben, ob der Impfstoff angepasst werden sollte oder nicht", teilte eine Biontech-Sprecherin mit.
Die beiden Arbeitsgänge überschneiden sich den Aufgaben zufolge teilweise. Als Beispiel wurde der Bauplan des Spike-Proteins für die Labortests mit dem Pseudovirus genannt, mit dem die Experimente durchgeführt werden. In den Labortests werden dabei Sera von Geimpften mit dem Spike-Protein der Variante konfrontiert. "Die Sera enthalten die Antikörper, die wir nach der Impfung haben", erklärte die Biontech-Sprecherin. Es werde dann darauf geschaut, wie gut sie das neue Spike-Protein neutralisieren, also unschädlich machen.
Biontech hatte am Freitag, 26.11., erklärt, dass sich die neue Variante deutlich von bisher beobachteten Varianten unterscheide, da sie zusätzliche Mutationen am Spike-Protein habe. Die Daten aus nun laufenden Labortests gäben demnächst Aufschluss, ob eine Anpassung des Impfstoffs erforderlich werde, wenn sich diese Variante international verbreite. Das Unternehmen rechnete spätestens bis Ende nächster Woche mit Erkenntnissen.
Gemeinsam mit dem US-Partner Pfizer habe man schon vor Monaten Vorbereitungen getroffen, um im Fall einer sogenannten Escape-Variante des Virus den Impfstoff innerhalb von sechs Wochen anzupassen und erste Chargen innerhalb von 100 Tagen auszuliefern, erklärte Biontech. Dafür seien klinische Studien mit variantenspezifischen Impfstoffen gestartet worden, um Daten zur Sicherheit und Verträglichkeit zu erheben. Diese könnten im Fall einer Anpassung bei den Behörden als Musterdaten vorgelegt werden.
Als Escape-Variante wird eine Virusvariante bezeichnet, die sich der Wirkung der derzeit verfügbaren Impfstoffe zumindest in Teilen entzieht. Ein Impfstoff auf Basis des Botenmoleküls mRNA wie der von Biontech oder Moderna ist schneller herzustellen als herkömmliche Impfstoffe, da nur der Bauplan produziert werden muss, nicht das Antigen selbst. (APA/dpa)
UNO-Generalsekretär fordert "globalen Impfplan" gegen Covid
Nach dem Auftreten der neuen Omikron-Variante des Corona-Virus hat UNO-Generalsekretär António Guterres zu einem "globaler Impfplan" aufgerufen. Nur ein solcher Impfplan könne die Pandemie beenden, sagte Guterres am Dienstag zum Auftakt eines virtuellen Außenministertreffens der Gruppe der 77 Entwicklungsstaaten und Chinas. Dass bei der Impfstoffversorgung immer noch eine breite Lücke zwischen armen und reichen Ländern klafft, nannte er "ungerecht und unmoralisch".
Obwohl in Rekordzeit Vakzine gegen das Coronavirus entwickelt worden seien, seien dieses Jahr mehr Menschen an Covid-19 gestorben als 2020, sagte Guterres weiter. Nach wie vor habe Covid-19 "verheerende Auswirkungen" in allen Staaten. Deshalb müsse "jeder überall auf der Welt Zugang zu Impfstoffen, Tests und Therapien" bekommen.
Guterres erinnerte an das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), "bis Ende des Jahres 40 Prozent der Weltbevölkerung und 70 Prozent bis Mitte des kommenden Jahres zu impfen".
Nach UNO-Angaben haben bisher zwölf Länder mit mittlerem Einkommen, 27 Länder mit höherem Einkommen und 71 Länder mit sehr hohem Einkommen die 40-Prozent-Marke bei ihrer Bevölkerung überschritten, aber keines der einkommensschwachen Länder. Bis zum 25. November hatten demnach weltweit 4,15 Milliarden Menschen mindestens eine Dosis erhalten, 3,2 Milliarden waren doppelt geimpft. (APA/AFP)
Genesenen-Studie konnte rund achtmonatigen Schutz nachweisen
Starke Bildung von Antikörpern gegen das SARS-CoV-2-Virus und einen stabilen Antikörperspiegel bis zu acht Monate zeigte eine Genesenen-Studie an der Medizinischen Universität und Biobank Graz. Ausgewertet wurden die Antikörperwerte von 326 Studienteilnehmern, die zwischen Februar 2020 und Jänner 2021 eine Erkrankung mit "mildem Verlauf" durchlebt haben, machte die Med-Uni am Mittwoch, 1.12., auf eine Publikation im "Journal of Infection" (http://go.apa.at/4DGy7yeb) aufmerksam.
Die Studie hat die Veränderung des Antikörperstatus im Zeitraum von bis zu einem Jahr im Blick. Bisher konnten die Forschenden beobachten, dass die Höhe der Antikörper zumindest rund acht Monate lang relativ stabil bleibt. Eine interessante Beobachtung wurde im Zusammenhang mit zusätzlich weiteren Erkrankungen (Komorbiditäten) gemacht: Menschen mit Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Magen-Darm-Traktes, der Schilddrüse, des Nervensystems oder mit Bluthochdruck haben einen höheren Wert an Antikörpern als Studienteilnehmer ohne Vorerkrankung", hob Chiara Banfi vom Institut für medizinische Informatik, Statistik und Dokumentation hervor.
Ein weiterer Aspekt, der die Höhe der Antikörper beeinflusst, ist der Verlauf der Krankheit. Personen, die mindestens ein Hauptsymptom von Covid-19 zeigten, hatten einen höheren Antikörperwert als Genesene, die keine Symptome hatten. Die tatsächliche Bedeutung des Antikörperwertes ist noch Gegenstand aktueller Forschung. Die Daten- und Probensammlung für späte Zeitpunkte ist noch im Gange.
Auffällig war auch der hohe Anteil an Personen mit lang anhaltenden Symptomen: 66,9 Prozent hatten im Median von 38 Tagen nach der Infektion noch immer Symptome. Am häufigsten waren Müdigkeit (41,1 Prozent), Veränderung des Geschmackssinns (23,6), Kopfschmerzen (23,6) und Veränderungen des Geruchssinns mit rund 20 Prozent.
Die Ergebnisse würden gut mit einer Studie von Genfer Forschern vom Jahresbeginn 2021 übereinstimmen, die denselben quantitativen Anti-RBD-Antikörpertest wie das Grazer Team verwendet haben. Dort wurden sechs Monate nach der Infektion eine robuste und anhaltende Antikörperantwort vermeldet, hielten die Grazer Autoren zudem fest.
Den Probanden, die mittels Echtzeit-PCR positiv auf das SARS-CoV-2 getestet waren, wurden im Zeitraum von fünf Monaten fünf Blutproben entnommen. Das durchschnittliche Alter der Freiwilligen betrug 42 Jahre. 300 von ihnen erlebten Covid-19-Kernsymptome wie etwa Fieber, Husten, Atembeschwerden, Geschmacks- oder Geruchsverlust. 88 waren komorbid, das heißt, sie hatten zusätzlich weitere Krankheiten. Bei der ersten Probenabnahme mussten die Studienteilnehmer einen Fragebogen zum Verlauf der Krankheit, Vorerkrankungen/Vorgeschichte und Lebensstil ausfüllen.
Alle Proben der "COVID-19-Rekonvaleszenten-/-Genesenekohorte" sowie weiterer Kohorten sind für weitere Forschungsvorhaben in der Biobank Graz eingelagert. Oberstes Ziel der Biobank Graz (http://go.apa.at/cQWFNCeD) ist es, Proben für die biomedizinische Forschung bereitzustellen, um Erkrankungen im Detail besser zu verstehen und somit zu einer Verbesserung der Gesundheitsversorgung für uns alle beizutragen. (APA)
Armutsbetroffene kämpften im Lockdown mit psychischen Problemen
Armutsbetroffene haben bei dem zweiten und dritten Lockdown in Österreich vermehrt mit psychischen Problem zu kämpfen gehabt. Depression, Gleichgültigkeit, Einsamkeit, Existenzangst bestimmten das Stimmungsbild bei einer neuerlichen Befragung der Armutskonferenz. "Es zeigt sich, wie wichtig ein existenzsicherndes und gutes Arbeitslosengeld ist, wie massiv sich beengtes Wohnen auf Bildung und Gesundheit der Kinder auswirkt", so Sozialexperte Martin Schenk.
Die Befragten setzten dieses Mal ihre Prioritäten deutlich anders als in der ersten Erhebung im Sommer 2020. "Die körperliche Gesundheit, die sozialen Kontakte und vor allem das psychische Wohlbefinden haben an Bedeutung gewonnen. Und auch das Wohnen in zu großer Enge ist nun Thema", erläuterte Studienautorin Evelyn Dawid.
Dominantes Thema waren diesmal die psychischen Beeinträchtigungen, die sich aus einer Vielzahl von Gründen eingestellt hatten: etwa weil den Menschen die Arbeit und die Kollegen abgingen, weil man Freunde, Familie und Bekannte nicht treffen konnte oder weil sich die ökonomische Existenzgrundlage in Luft aufzulösen schien. Da die Öffnungen der Lockdowns mehrmals – sehr kurzfristig – verschoben wurden, folgten auch Enttäuschungen, weil Pläne zusammenbrachen und die Zukunft immer unsicherer wurde.
Zur Einsamkeit, die bereits in der ersten Erhebung des Vorjahres 2020 ein wichtiges Thema gewesen war, gesellte sich eine Art Gleichgültigkeit: Viele verloren die Tagesstruktur, schlitterten in eine Depression, machten den Tag zur Nacht und umgekehrt. Vor allem die Jugendlichen verschliefen den Tag – auch während am Bildschirm das Homeschooling lief – oder waren ständig, auch spät abends, im Freien unterwegs.
Arbeitslose waren stark betroffen von psychischem Druck und Existenzangst. Dabei fand die Armutskonferenz zwei Gruppen. "Eine hat vor der Krise in schlecht bezahlten Jobs gearbeitet, hat keine Ersparnisse und bezieht sehr niedriges Arbeitslosengeld. Diese Menschen sind tatsächlich durch die Corona-Krise und ihren Jobverlust in Armut geraten. Die zweite Gruppe hatte einen gut bezahlten Job, im Idealfall finanzielle Rücklagen und einen ausreichend hohen AMS-Bezug. Ein existenzsicherndes und höheres Arbeitslosengeld ist wichtig", so Schenk.
Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) betonte in einer Reaktion, dass weiter am Ausbau der psychosozialen Versorgung aller Menschen in Österreich gearbeitet wird. Die aktuelle Situation und die Studienergebnisse unterstreichen demnach die Wichtigkeit dieses Vorhabens. (APA)
Von der Leyen für Prüfung von allgemeiner Impfpflicht in EU
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich dafür ausgesprochen, eine allgemeine Corona-Impfpflicht in der Europäischen Union zu prüfen. "Wir sollten möglicherweise über eine verpflichtende Impfung in der EU nachdenken", sagte von der Leyen am Mittwoch, 1.12., in Brüssel. Sie begründete dies mit der Ausbreitung der neuen Omikron-Variante und der Tatsache, dass ein Drittel der EU-Bürger bisher nicht gegen das Coronavirus geimpft ist.
Die Impfpflicht sei "eine Diskussion, die geführt werden muss", sagte von der Leyen weiter. Es brauche dazu einen gemeinsamen Ansatz in den Mitgliedstaaten. Österreich hat sich als erstes EU-Land auf eine allgemeine Impfpflicht ab Februar geeinigt. Für Deutschland hatte der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag, 30.11., ein Gesetzgebungsverfahren für eine allgemeine Impfpflicht angekündigt. Es könnte nach seinen Worten noch in diesem Jahr eingeleitet werden.
Die Pandemie wird am 16. und 17. Dezember auch Thema auf dem EU-Gipfel sein. (APA/AFP)