Präventiv cremen bringt nicht viel
Durch regelmäßiges Eincremen die Hautbarriere stärken und somit einer atopischen Dermatitis vorbeugen – am besten von Geburt an. Das klingt nach einem guten Ansatz, hilft aber offenbar nicht einmal Hochrisikokindern. (Medical Tribune 17-18/20)
Dem atopischen Ekzem zugrunde liegt in der Regel eine genetisch bedingte gestörte Barrierefunktion der Haut. Oft gilt der Hautbefund als erste Manifestation einer allgemeinen Neigung zu Atopien wie Nahrungsmittelallergien, Rhinitis und Asthma, erklären Dr. Kirsten P. Perrett und Dr. Rachel L. Peters1 vom Murdoch Children’s Research Institute in Parkville in einem Kommentar.
2.400 Säuglinge untersucht, keinen Vorteil gefunden
Das Team um den Pädiater Dr. Håvard O. Skjerven2vom Uniklinikum Oslo führte eine Studie mit fast 2.400 Säuglingen aus der skandinavischen Allgemeinbevölkerung durch. Die Ärzte wollten wissen, ob zum einen regelmäßiges Eincremen mit Emollienzien und zum anderen das frühe Zufüttern bekannter Lebensmittelallergene die atopische Dermatitis verhindern kann. Dazu teilten sie die Kinder nach dem Zufallsprinzip in vier Gruppen auf:
- In Gruppe 1 (Kontrollgruppe) erhielten die Eltern nur allgemeine Tipps zur Säuglingsernährung.
- In Gruppe 2 pflegten die Eltern ihre Kinder ab der zweiten Woche bis zum achten Monat an mindestens vier Tagen pro Woche mit feuchtigkeitsspendenden Ölbädern und einer Gesichtscreme.
- In Gruppe 3 erhielten die Säuglinge bereits ab der 12. bis 16. Woche schrittweise zusätzlich Erdnüsse, Kuhmilch, Weizen und Eier (auch etwa viermal pro Woche).
- In Gruppe 4 erfolgten beide Interventionen (Hautpflege und Zufüttern).
Bei der Untersuchung der Einjährigen allerdings fanden die Wissenschaftler keine relevanten Gruppenunterschiede hinsichtlich der Inzidenz atopischer Ekzeme: Sie lag zwischen fünf und elf Prozent. Hautsymptome wurden in der Kontrollgruppe sogar am seltensten berichtet. Ähnliche Ergebnisse erhielt die Gruppe von Dr. Joanne R. Chalmers3 vom Centre for Evidence Based Dermatology der Universität Nottingham. Die Briten hatten nur Ekzem-Hochrisikokinder behandelt, d.h., mindestens ein Verwandter ersten Grades litt an einer Atopie.
Die Eltern von jeweils etwa 700 Neugeborenen erhielten entweder eine besondere Feuchtigkeitscreme, mit der sie ihr Kind bis zu seinem ersten Geburtstag täglich am ganzen Körper (außer der Kopfhaut) eincremen sollten, oder nur allgemeine Ratschläge zur Hautpflege der Säuglinge. Bis zum zweiten Lebensjahr fanden die Mediziner in der Interventionsgruppe bei 23 Prozent und in der Kontrollgruppe bei 25 Prozent der Kinder ein atopisches Ekzem. Dagegen kam es mit der Feuchtigkeitscreme zu mehr Hautinfektionen als mit der Standardpflege (15 vs. 11 %). Derzeit empfiehlt es sich also nicht, bei Säuglingen routinemäßig spezielle Emollienzien zu verwenden, um späteren atopischen Ekzemen vorzubeugen, sind sich Studienautoren und Kommentatorinnen einig.
Die Adhärenz lag nur bei rund 30 Prozent
Allerdings sind Ergebnisse solcher Studien auch stark abhängig von den verwendeten Emollienzien, geben Letztere zu bedenken. Außerdem zeigt die 30%ige Adhärenz in der skandinavischen Studie, dass sich die Umsetzung regelmäßiger Interventionen bei Neugeborenen als schwierig gestaltet und damit auch den Sinn einer solchen Prophylaxe infrage stellt. Inwieweit die Interventionen Lebensmittelallergien beeinflussen, wollen die Skandinavier in einer gesonderten Arbeit veröffentlichen, wenn die Kinder drei Jahre alt sind.
1. Perrett KP, Peters RL. Lancet 2020; doi: 10.1016/S0140-6736(19)33174-5
2. Skjerven HO et al. A.a.O.; doi: 10.1016/S0140-6736(19)32983-6
3. Chalmers JR et al. A.a.O.; doi: 10.1016/ S0140-673(19)32984-8