17. Apr. 2024Gelungene Vernetzung

Pro Rare Austria: Neue Anforderungen an die Selbsthilfe

Beim Vernetzungstreffen 2024 von Pro Rare Austria zeigten Patientenvertreterinnen und -vertreter mit Best-Practice-Beispielen, was sie gemeinsam mit engagierten Medizinerinnen und Medizinern bewirken können. Ein Beispiel dafür ist der neue Vorsorgebogen für Kinder und Jugendliche mit Neurofibromatose Typ 1.

seltene Krankheit isoliert auf weißem Hintergrund. Von KI generiert.
Fotograf/AdobeStock

„Patientenorganisationen können etwa Leitlinien initiieren, diese mitentwickeln und dazu beitragen, die Versorgungsangebote für Menschen mit seltenen Erkrankungen zu verbessern“, betonte Claas Röhl vom Verein NF-Kinder (s.a. Serie Die Gesichter Seltener Erkrankungen, Teil 12). So wurde dieser Tage ein Vorsorgebogen für Kinder und Jugendliche mit Neurofibromatose Typ 1 (NF1) veröffentlicht.1 Da in Österreich bisher klare Leitlinien für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit NF1 fehlten, soll dieser Vorsorgebogen soll ein einheitliches Vorgehen ermöglichen. Neben medizinischen Expertinnen und Experten hat auch Röhl als Patientenvertreter daran mitgearbeitet.

Übersichtlich ist in dem Vorsorgebogen dargestellt, wann welche Untersuchungen empfohlen werden. „Berücksichtigt wird darin etwa auch, dass Frauen mit NF1 ein um 18% erhöhtes Risiko für Brustkrebs haben und bereits ab dem 30. Lebensjahr regelmäßig zur Vorsorge gehen sollten“, erklärte Röhl. Ein Ziel des Vorsorgebogens ist es auch, die Betreuung von Menschen mit NF1 wohnortnah von Fachkräften mit Expertise für diese Erkrankung – meist in entsprechenden Spezialambulanzen – zu erleichtern. Das überregionale NF Kinder Expertise Zentrum in Wien führt regelmäßig überregionale NF-Boards durch, die für Ärztinnen und Ärzte aus ganz Österreich zugänglich sind, wie Röhl weiter ausführt.

Neue Anforderungen an die Selbsthilfe

Margit Aschenbrenner von der Marfan-Initiative Österreich betonte beim Vernetzungstreffen im Gespräch mit Moderatorin Pamela Grün, dass sich die Selbsthilfe verjüngen müsse: „Jugendliche und junge Erwachsene mit seltenen Erkrankungen verwenden eine andere Sprache; sie bereiten Websites peppiger auf und gestalten eigene Podcasts. Vor allem wollen sie in ihrer Freizeit nicht nur über die Erkrankung reden, sondern ganz einfach gemeinsam etwas unternehmen.“

Wie sehr es mit der steigenden Lebenserwartung bei vielen seltenen Erkrankungen notwendig ist, entsprechende Angebote im Sinne der Transition zu schaffen, zeigten Elisabeth Jodlbauer-Riegler und Anna Jodlbauer von der Cystischen Fibrose Hilfe OÖ: 1991, als Anna geboren wurde, wurde die mittlere Lebenserwartung für Patientinnen und Patienten mit zystischer Fibrose (CF) auf etwa 18 Jahre geschätzt, heute liegt sie bereits über 70 Jahre! 

Um junge Eltern und Betreuungspersonen mit Kindern bis zum 6. Lebensjahr bei allen Fragen rund um das Krankheitsmanagement zu unterstützen, organisiert die CF Hilfe OÖ dreiteilige Schulungen. Dort werden neben medizinischen Grundlagen oder Tipps zum Inhalieren oder etwa die psychischen und sozialen Auswirkungen auf das Familienleben besprochen.2

Pro Rare Austria Botschafter Cornelius Obonya

Mit einem besonderen „Auftritt“ bereicherte der neue Botschafter von Pro Rare Austria, Schauspieler und Regisseur Cornelius Obonya, das Vernetzungstreffen. „Du kennst keinen Patienten oder keine Patientin und auch keinen Arzt und keine Ärztin, der oder die diese Erkrankungen behandelt – doch dann merkst du plötzlich, es kann jeden treffen: entweder gleich von Geburt an oder irgendwann im Leben, und dann du weißt nicht, wohin du dich wenden sollst.“ Obonya schilderte damit seinen persönlichen Erkenntnisgewinn zu seltenen Erkrankungen, für die er nun gerne in den „Diplomatischen Dienst“ als Boschafter von Pro Rare Austria eingetreten ist.

„Einzelne seltene Erkrankungen sind so komplex, dass sich noch niemand wirklich damit auskennt und es bis zu 7 Jahre bis zur Diagnose dauern kann. Es gibt oft keine Therapien und für die Erforschung wären gefühlte Fantastilliarden an Geldern nötig“, sagt Obonya. Seltene Erkrankungen müssten daher sichtbar gemacht werden: Wir alle sollten aufmerksam machen auf die Dinge, die da sind, die man aber nicht so genau sehen kann. Ärzte und Ärztinnen müssten eher früher als später „die eine Möglichkeit“ in Betracht ziehen und Betroffene an Spezialistinnen und Spezialisten weiterleiten, so es welche gibt. Die Patientinnen und Patienten selbst, so Obonya, beeindruckten ihn jedenfalls durch ihr Lächeln und ihre Zuversicht: „Wäre ich nicht prominent, dann hätte ich das alles nie erfahren!“, so das Resümee von Obonya.

Pro Rare Austria – Allianz für Seltene Erkrankungen ist der Dachverband für Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen im Bereich seltener Erkrankungen. www.prorare-austria.org

Folgen Sie unserer Serie Die Gesichter Seltener Erkrankungen und lesen Sie dort demnächst Portraits von Betroffenen u.a. mit Angelman-Syndrom, zystischer Fibrose oder Marfan-Syndrom.

Quelle: Vernetzungstreffen von Pro Rare Austria, Wien, 13.4.2024