14. Okt. 2019Onkologie

Zeigt her eure Daten! – Millionenprojekt für Marker-Forschung

Katharina Schiffl

Die computergestützte Analyse von Patientendaten und das Zusammenführen mehrerer Marker versprechen eine bessere Therapie und Früherkennung von Krebs. – Roche Österreich und CBmed wollen das nun in zwei Projekten mit einem Gesamtvolumen von 3,55 Millionen Euro prüfen.

CBmed, ein Kompetenzzentrum für patientenorientierte Biomarkerforschung in der Medizin, und Roche Österreich starten eine Forschungskooperation mit dem Ziel, Ärzte Software-gestützt in Therapieentscheidungen bei Krebs zu unterstützen. Wissenschaftliche Kooperationspartner sind die Medizinischen Universitäten Wien und Graz.

Konkret geht es um „Digital Biomarkers“ und „FUSION Technology“ – zwei geförderte Projekte des COMET-Programms. Ziel ist eine maßgeschneiderte Krebsbehandlung und größere Prognosesicherheit durch die Zusammenführung von Biomarkern. Das Gesamtvolumen für beide Projekte beträgt 3,55 Millionen Euro.

Biomarker gegen Blindflug

Für Samonigg liegt die Zukunft in einer individualisierten Krebstherapie, die bei geringstmöglichen Nebenwirkungen den größten Behandlungserfolg bietet.

Univ.-Prof. Dr. Hellmut Samonigg, Rektor der Med Uni Graz, spricht bei einer Pressekonferenz am Forschungszentrum für Molekulare Medizin, CeMM, in Wien, von einer nie dagewesenen Fülle an Möglichkeiten in der Krebsbehandlung. „In der Frage, wer am besten von welcher Therapie profitiere, befinden wir uns aber immer noch in einem Blindflug“, so der Onkologie-Experte. Die nun anvisierten Projekte sollen genau das ändern und verfolgen das Ziel einer „individualisierten Krebstherapie, die bei geringstmöglichen Nebenwirkungen den größten Behandlungserfolg bieten.“

Das größte Potenzial für Fortschritt sieht Müller in der Prävention von verschiedenen Krankheiten, darunter Alzheimer und Diabetes.

Univ.-Prof. Dr. Markus Müller, Rektor der Med Uni Wien, sieht das größte Potenzial in der Prävention von verschiedenen Krankheiten, darunter Alzheimer und Diabetes. Ein Teil der Forschungsbemühungen im Rahmen der vorgestellten Projekte zielt demnach auf ein Biomarker-gestütztes Screening von gesunden Personen ab. Ziel sei eine möglichst frühe Erkennung von krankhaften Prozessen, noch bevor diese manifest würden, so Müller.

Pieber (links) gibt zu bedenken, dass Maschinen zwar schnell arbeiten, das Erkennen von relevanten Informationen müsse ihnen aber erst beigebracht werden.

Die Forschungsteams greifen dabei auf alle Daten zu, die im Krankenhausinformationssystem von den Med Unis Wien und Graz zur Verfügung stehen. Daraus werden relevante Information in eine Datenbank extrahiert und damit auslesbar gemacht. Voraussetzung ist die Einverständniserklärung der jeweiligen Patienten. Im Erfolgsfall sei das Ziel aus dieser Vorgehensweise einen Standard zu etablieren, so Univ.-Prof. Dr. Thomas Pieber, wissenschaftlicher Geschäftsführer von CBmed.

Maschinelles Kodieren von Krankengeschichten

Das Projekt „Digital Biomarkers“ nimmt die Krankengeschichten von Patienten ins Visier. Dabei werden semantische Modelle zur Dokumentanalyse weiterentwickelt. Tools wie z.B. natural language processing sollen aus der unübersehbaren Vielfalt der in Krankengeschichten erfassten Daten relevante Biomarker destillieren. Die semantischen Tools lesen die Daten aus, kodieren, strukturieren und speichern sie. Das betrifft nicht nur klassische Biomarker wie Blutwerte, sondern auch alle anderen Informationen über den Patienten wie Lebensgewohnheiten, Ernährung und dergleichen.

Derzeit laufe ein Validierungsprozess, um zu prüfen, wie verlässlich das automatisierte Auslesen von Informationen aus Stammdaten, klinischen Texten, Arztbriefen und Befunden funktioniere, sagt  Pieber. Der Vorteil von Machine-Learning-Algorithmen sei, dass sie wesentlich schneller arbeiten als Menschen. Das Erkennen von relevanten Informationen müsse Maschinen allerdings erst beigebracht werden.

Mehrwert durch mehrere Marker

Das Forschungsprojekt „FUSION Technology“ widmet sich der Zusammenführung von Daten aus Genom- und Metabolomanalysen sowie immunologischen Tests und anderen Laboranalysen. Untersucht werden Proben aus Gewebe, Blut oder anderen Körperflüssigkeiten. Einzelne Biomarker sind dabei oft nicht besonders aussagekräftig. Die Zusammenführung und gemeinsame Auswertung von Markern ergibt hingegen eine viel höhere Prognosesicherheit und erhöht damit die Treffergenauigkeit für die richtige Therapie. Roche liefert für dieses Projekt essenzielle, qualitativ hochwertige Analysedaten, etwa über Mutationen in Tumorzellen.

Die Software für alles

Die Erkenntnisse aus beiden Projekten sollen in die eine Software namens Navify integriert werden. Navify führt alle relevanten Daten der unterschiedlichen medizinischen Fachrichtungen zusammen, um Ärzte in Therapieentscheidungen zu unterschützen. Außerdem wird die Software in Zukunft Vergleichsdaten früherer Behandlungen sowie Studien aus der ganzen Welt verfügbar machen und für Ärzte aufbereiten. Behandlungen können dann mit ähnlichen Fällen auf der ganzen Welt verglichen werden.

Ausblick

Die Förderperiode für beide Projekte endet am 31.12.2022. Bis dahin soll sich zeigen, wie erfolgreich die Forschungsansätze sind. Neben Krebserkrankungen wird das Projekt voraussichtlich auch in anderen Bereichen, wie Herzkreislauf- und Stoffwechselerkrankungen Anwendung finden.

„In weiterer Folge wollen wir natürlich in einer klassischen klinischen Studie testen, ob das System tragfähig ist und funktioniert“, kündigt Priv.-Doz. Dr. Johannes Pleiner-Duxneuner, Personalized Healthcare Director Roche Austria, an.

Fotos: Katharina Schiffl