Medizinrecht: Haftung bei Hygienemängeln
Für die Problematik der Haftung bei nosokomialen Infektionen besteht in vielen Krankenhäusern noch nicht ausreichend Bewusstsein. Ein Expertenpapier schafft Klarheit und gibt Tipps. (CliniCum 01-02/18)
Nosokomiale Infektionen sind nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein rechtliches Problem. „In dem Ausmaß, in dem Patienten Krankenhausinfektionen nicht mehr als eine schicksalshafte Begleiterscheinung eines Spitalsaufenthalts akzeptieren, sondern Sicherheit einfordern, wird es künftig wohl verstärkt zu Klagen und Schadenersatzbegehren kommen“, ist Dr. Maria Kletecka-Pulker, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Recht und Ethik in der Medizin der MedUni Wien sowie Geschäftsführerin der Plattform Patientensicherheit, überzeugt. „Ich habe aber den Eindruck, dass das Haftungsrisiko vielen Krankenhäusern nicht so bewusst ist.“
Das Spektrum der potenziell von Haftungsproblemen Betroffenen ist breit: einzelne Ärzte, Pflegepersonen und andere Mitarbeiter, die Abteilungsleitung, der Rechtsträger sowie Mitglieder der kollegialen Führung. Aus diesem Grund hat die Juristin gemeinsam mit der Rechtsanwältin und Medizinrechtsexpertin Dr. Monika Ploier ein Expertenpapier mit dem Titel „Haftung bei nosokomialen Infektionen“ verfasst. Darin geben die Autorinnen Ratschläge, wie Krankenanstalten ihre Patienten vor nosokomialen Infektionen und damit ihre Mitarbeiter und sich selbst vor rechtlichen Konsequenzen schützen können.
Achtung: Beweislastumkehr
Die wohl wichtigste Regel: „Sämtliche gesetzliche Vorgaben müssen eingehalten werden und es muss eine ,State of the Art‘-Behandlung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft, Technik und Erfahrung durchgeführt werden“, wie es in dem Papier der Plattform Patientensicherheit und der Initiative Sicherheit im OP heißt. Dies gilt insbesondere für die Hygiene. Bei Verstößen gegen Hygienevorschriften nämlich kommt es zu einer Beweislastumkehr: Nicht der erkrankte Patient muss nachweisen, dass das Krankenhaus die Schuld an seiner Infektion trägt, sondern der Träger oder die verantwortlichen Mitarbeiter müssen nachweisen, dass ihr Verhalten weder rechtswidrig noch schuldhaft war.
Ein wichtiger Punkt in dem Expertenpapier betrifft den Umgang mit problematischen Weisungen. „Ärzte oder Angehörige der gehobenen Krankenpflege werden von der Einhaltung ihrer berufsrechtlichen Pflichten nicht durch eine möglicherweise gesetzwidrige Weisung des Krankenanstalten-Trägers befreit“, betonen Kletecka-Pulker und Ploier. Bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Weisung – etwa weil diese das Infektionsrisiko erhöht –, müssen diese Zweifel dem Vorgesetzten oder der kollegialen Führung mitgeteilt werden. In bestimmten Fällen sogar darf der Weisung nicht Folge geleistet werden. Die Autorinnen des Expertenpapiers zählen eine Reihe von praktischen Tipps auf, um nosokomiale Infektionen und deren rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
Den Krankenanstalten raten sie:
- Regelmäßige Fort- und Weiterbildungen bezüglich hygienerechtlicher Vorgaben;
- Einführung eines internen und externen Kontrollsystems/einer Qualitätssicherung durch Zertifizierung;
- Verfassen von standardisierten Ablaufbeschreibungen (standard operation procedure, SOP) und Richtlinien für die Mitarbeiter.
Den Angehörigen der verschiedenen Gesundheitsberufe legen sie folgende Vorsichtsmaßnahmen ans Herz:
- Kenntnis und Einhaltung der relevanten Hygienevorschriften,
- aufmerksam machen auf mögliche Mängel und „lästig sein“, inklusive Meldung an die zuständige Stelle,
- Einhaltung und Einforderung von SOPs und Richtlinien.
„Das Thema Haftung im Zusammenhang mit nosokomialen Infektionen wird zukünftig jedenfalls an Relevanz gewinnen“, warnt Kletecka-Pulker.