9. Nov. 2015

Obduktion und Religionsfreiheit

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Nach § 25 Abs 1 KAKuG sind Leichen der in öffentlichen Krankenanstalten verstorbenen Pfleglinge zu obduzieren, wenn die Obduktion sanitätspolizeilich oder strafprozessual angeordnet worden oder zur Wahrung anderer öffentlicher oder wissenschaftlicher Interessen, insbesondere wegen diagnostischer Unklarheit des Falls oder wegen eines vorgenommenen operativen Eingriffs erforderlich ist. Liegt keiner dieser Gründe vor, so darf eine Obduktion nur dann vorgenommen werden, wenn der Verstorbene schon zu Lebzeiten oder der nächste Angehörige nach dem Tod zugestimmt hat. Im Falle einer diagnostischen Unklarheit liegt der praktische Wert der Obduktion darin, dass für den behandelnden Arzt die Möglichkeit zur Überprüfung der von ihm gestellten Diagnose und der von ihm angewandten Therapie gegeben ist.

Gesetzgeberisches Ziel ist also die Ermöglichung eines Erkenntnisgewinns. In einem aktuellen Fall war bei einem Kind ein Prune-Belly-Syndrom diagnostiziert worden. Eine („finale absolut sichere“) Bestätigung dieser Diagnose, insbesondere zur Abgrenzung von anderen Symptomen, konnte aber nur durch eine Obduktion erfolgen. Die Symptome dieser Erkrankung seien nämlich verwechselbar mit einer anderen Erkrankung, der posterioren Urethralklappensequenz. Die Mutter des verstobenen Kindes machte geltend, dass § 25 Abs 1 KAKuG einen unzulässigen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Religionsfreiheit nach Art 9 EMRK darstellt. Sie sei praktizierende Muslimin und der Körper ihres verstorbenen Kindes habe für die rituelle Waschung unversehrt zu sein. Der Oberste Gerichtshof verneinte einen Verfassungsverstoß. § 25 Abs 1 KAKuG verfolge ein allfällige Beschränkungen der Religionsausübung rechtfertigendes Ziel im Sinne des Art 9 Abs 2 EMRK.

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