1. März 2021ERS International Congress virtual

Frailty ist bei COPD-Patienten fatal

Nichts gefährdet das Leben von Patienten mit COPD so sehr wie Gebrechlichkeit. Eine flexible und individualisierte Rehabilitation dürfte das beste Mittel sein, sie gesünder und fit für den Alltag zu machen.

Ein 92 Jahre alter Mann sitzt in seinem Rollstuhl und genießt die Abendsonne.
istock/sdominick

Ein Mensch gilt dann als gebrechlich, wenn bei ihm folgende Faktoren vorliegen, erläuterte Prof. Dr. Lies Lahousse, Universität Gent:

  • Verlust von Gewicht und Kraft (Griffstärke),
  • langsame Gehgeschwindigkeit und
  • reduzierte körperliche Aktivität bei schneller Erschöpfbarkeit.

COPD-Patienten sind durch die „Frailty“ in besonderem Maße bedroht, da ihre Resilienz z.B. infolge von jahrelanger Tabakexposition und Exazerbationen mit unvollständiger Erholung der Lungenfunktion herabgesetzt ist.

Gemeinsame Risikofaktoren

In einer Studie fand sich unter COPD-Kranken ein dreifach erhöhter Anteil gebrechlicher Patienten im Vergleich zu lungengesunden Altersgenossen. Die Rate steigt mit dem Schweregrad der COPD und erreicht im schweren Stadium 30 Prozent.

Das hat Konsequenzen für die pneumologische Betreuung: Die Betroffenen sind häufig nicht in der Lage, eine Spirometrie so zu absolvieren, dass auswertbare Ergebnisse resultieren.

Dass COPD und Frailty so häufig Hand in Hand gehen, hängt damit zusammen, dass sie viele Risikofaktoren und Pathomechanismen teilen – neben Alter und Rauchen auch verstärkte Inflammation und endokrine Fehlfunktionen, die Anorexie, Osteo- und Sarkopenie begünstigen. Sie ziehen zudem Störungen von Immunfunktion, Kognition, Gerinnung und Metabolismus nach sich, insbesondere solche des Glukosestoffwechsels.

Die belgische Kollegin konnte in einer über 2.100 Teilnehmer umfassenden Kohorte der Rotterdam Study zeigen, dass Frailty zu den wichtigsten Prädiktoren des vorzeitigen Todes bei COPD zählt, weit vor Begleiterkrankungen, Lungenfunktion und Packungsjahren. Wer gebrechlich war, hatte ein vierfach erhöhtes Sterberisiko.

Dass Rehabilitation einen zentralen Beitrag leisten kann, um Frailty nicht nur zu verhindern, sondern die Uhr zurückzudrehen, erläuterte Dr. Matthew Maddocks vom King’s College London.

In einer Studie absolvierten 816 ambulante Patienten mit stabiler COPD ein Rehaprogramm, 574 schlossen es vollständig ab. 115 Teilnehmer galten anfangs als gebrechlich, nach der Reha traf dies auf fast zwei Drittel von ihnen nicht mehr zu. Verbessert hatten sich insbesondere Erschöpfbarkeit, Gehgeschwindigkeit und Aktivitätslevel. Auch pulmologische Parameter wie CAT- und MRC-Score, Belastungstoleranz und Dyspnoe hatten sich eindeutig positiv entwickelt. Der Wermutstropfen: Patienten mit Frailty hatten ein höheres Risiko, das Programm nicht abzuschließen, sich während der Reha zu verschlechtern oder ins Krankenhaus zu müssen.

In einer aktuellen Umfrage unter 19 amerikanischen Rehateilnehmern mit COPD und Frailty, von denen nur jeder Zweite sein Programm wie vorgesehen absolviert hatte, schälten sich vier Punkte als besonders wichtig heraus:

  • Die Patienten fühlten sich damit konfrontiert, Einbußen auf vielen Ebenen kompensieren zu müssen (z.B. funktionelle Fähigkeiten, soziale Beziehungen, Selbstvertrauen).
  • Zugleich sahen sie sich im Spannungsfeld zwischen Unterstützung, die oft genug nicht zu ihren Bedürfnissen passte, und dem Wunsch nach Unabhängigkeit.
  • Insgesamt sahen die meisten die pneumologische Reha als Herausforderung an, die sich anzunehmen lohnt.
  • Sie erlebten aber auch immer wieder unvorsehbare Unterbrechungen des Programms, die bei einigen tatsächlich zum Abbruch führten.

Solche Widerstände und die individuellen Umstände jedes Einzelnen – nur ein Stichwort: Komorbiditäten – erfordern ein hohes Maß an Flexibilität sowohl aufseiten der Patienten als auch des Rehateams, betonte Maddocks.

Rehamaßnahmen müssen zum Patienten passen

Die Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen wie Geriatrie und Palliativmedizin sei essenziell, um dem Programm zum Erfolg zu verhelfen. „Rehabilitation ist eine leistungsstarke Intervention für Patienten mit respiratorischen Erkrankungen und Frailty“, so der Physiotherapiespezialist. „Aber wir müssen sie flexibel gestalten, um sicherzustellen, dass sie zum Patienten passt, ohne an Qualität einzubüßen.“

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum pneumo