8. Jän. 2024„Abwassersystem des Gehirns“

EHC 2023: Glymphatisches System und Migräne

Rund um die Pathophysiologie der Migräne sind nach wie vor viele Fragen offen. Aktuelle Forschung liefert Hinweise, dass speziell bei der Entstehung der Migräne-Aura, aber auch bei chronischen Veränderungen des Gehirns infolge von Migräne, das glymphatische System, ein erst vor wenigen Jahren beschriebenes „Abwassersystem“ des Gehirns, eine wichtige Rolle spielen könnte.

Dmitry Kovalchuk/AdobeStock

Die Entdeckung des glymphatischen Systems zeigte, dass auch die Anatomie als Forschungsgebiet noch Überraschungen zu bieten hat. Während in der Peripherie lösliche Substanzen, Proteine und Flüssigkeit aus dem Gewebe durch das Lymphsystem zurück in die Zirkulation befördert werden, war bis vor kurzem unklar, wie diese Vorgänge im Gehirn ablaufen, zumal es im zentralen Nervensystem keine Lymphgefäße gibt. Dies sei umso erstaunlicher, als Gehirn und Rückenmark metabolisch hochaktiv sind, erläutert Prof. Dr. Rami Burstein von der Harvard Medical School. Burstein: „Das glymphatische System ist ein erst kürzlich entdecktes, makroskopisches System der Abfallbeseitigung, das auf einem Netzwerk perivaskulärer Tunnel basiert, die von Astrogliazellen gebildet werden. Dieses System sorgt für die effiziente Elimination löslicher Proteine und Metaboliten aus dem zentralen Nervensystem.“

Entsorgung von Schadstoffen während des Schlafes

Der perivaskuläre Raum (Virchow-Robin-Raum) auf dem das glymphatische System beruht, wird von den Außenwänden der zerebralen Blutgefäße sowie von den Fortsätzen der Astrozyten (Membrana limitans gliae perivascularis) gebildet. Über dieses System fließt Liquor aus dem Subarachnoidalraum entlang der Arterien in das Interstitium des Hirnparenchyms und Rückenmarks. Über Aquaporin-4, ein integrales Transmembranprotein, das die Diffusion von Wasser ermöglicht, wird der Liquor in den Zellzwischenraum weitergeleitet, verteilt sich im gesamten Hirnparenchym und spült dabei zelluläre Abfallstoffe aus dem Interzellularraum. AQP4-Wasser-Kanäle werden in den Fortsätzen der Astrozyten, die die Hirngefäße umgeben, in großer Zahl exprimiert. Der Abfluss erfolgt schließlich über den perivaskulären Raum entlang der Hirnvenen und mündet außerhalb des Gehirns in das Lymphsystem. Das glymphatische System arbeitet vorwiegend während des Schlafes, da dieser ein temporäres Schrumpfen der Hirnzellen und damit eine Vergrößerung des Interzellularraums bedingt. Die allen Wirbeltieren gemeinsame Notwendigkeit zu schlafen könnte sich aus der Notwendigkeit der Entgiftung des Gehirns erklären, wie Burstein ausführt.1  

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