Krebsrahmenprogramm: „Mut zur Tat“
Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des nationalen Krebsrahmenprogramms in Österreich diskutierten Expertinnen und Experten, was sich seither getan hat und wohin die Reise gehen muss.
Eine „Sicht von außen“ gewährte dabei der Research Director am Swedish Institute for Health Economics (IHE) Dr. Thomas Hofmacher. Er zeigte, dass Österreich im EU-Vergleich in den Bereichen 5-Jahres-Überlebensrate, Früherkennung, Diagnose und Behandlung nicht schlecht aufgestellt ist. Bei der Palliativen Versorgung und der Anwendung neuer Krebsmedikamente belegen wir sogar Platz 1. „Wir sind zwar nicht innovativ, aber immerhin haben wir einen guten Zugang zu Innovationen“, brachte Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe, Past-President der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie, Abteilungsvorstand Zentrum für Onkologie und Hämatologie, Klinik Ottakring, es auf den Punkt. Und so sei der Behandlungserfolg in Österreich auch ohne eigene Innovationstätigkeiten gut, zeigte er sich erfreut. „Möglich gemacht wird dieser gute Zugang dadurch, dass die Krebsmedizin in Österreich auch in der Bevölkerung einen hohen Stellenwert hat und man sich hier solidarisch zeigt“, erläuterte der Onkologe.
Große Baustelle: Prävention
„Doch trotz dieser Möglichkeiten und obwohl die Gesundheitskompetenz im Vergleich auch nicht schlecht ist, hapert es bei der Umsetzung dieses Wissens. Denn im Bereich Prävention – also bei der Raucherquote, der Fettleibigkeitsrate, dem Alkoholkonsum und auch der HPV-Impfquote bei Mädchen – liegt Österreich unter dem Durchschnitt“, machte Hofmacher deutlich, wo Österreich Aufholbedarf hat. Auch Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe, kritisierte die nach wie vor zu hohe Raucherrate: „Wir müssen endlich die Kinder und Jugendlichen schützen“, forderte er. Auch die HPV-Impfung spricht er an und verdeutlicht, dass mit nur einer Impfung 6 Krebsarten in den kommenden 15 Jahren „ausgelöscht“ werden könnten. „Man muss den Österreichern klarmachen, dass die Impfung in Österreich genauso gut wirken würde, wie sie es in anderen Ländern bereits tut“, führte er humorvoll vor Augen.
Nicht zuletzt für die Prävention würde es auch durchaus Sinn machen, die Pflegekapazitäten auszubauen, wie DGKP Danijela Dohnal-Suvajac, MSc, Leiterin der Arbeitsgruppe Breast Care Nurses, Arbeitsgemeinschaft hämatologischer und onkologischer Pflegepersonen in Österreich, klarmachte. „Wir müssen die Pflegeberatung für mehr Prävention dringend ausbauen! Das können Cancer Nurses übernehmen, die Vorteile für das gesamte Behandlungsteam sowie die Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen bringen, weil sie die Schnittstelle sind. Durch ihren Einsatz steigt die Betreuungsqualität“, so Dohnal-Suvajac.
Screening, wo es Sinn macht
Verbesserungsbedarf gibt es auch hinsichtlich der Früherkennung von Krebserkrankungen. Beispielsweise sei man vonseiten des Ministeriums bemüht, die nächsten Schritte in Richtung eines Screenings des Kolonkarzinoms zu setzen, hielt Mag. Dr. Christine Dietscher, Leiterin Abteilung Nicht übertragbare Erkrankungen, psychische Gesundheit & Altersmedizin, Sektion VI, Gesundheitsministerium, fest. Aber einmal mehr wird hier das föderale System Österreichs als Hemmschuh erkennbar.
Für Anita Kienesberger, Obfrau der Allianz onkologischer PatientInnenorganisationen, wäre es schon ein Schritt in die richtige Richtung, wenn deutlicher an die Bevölkerung kommuniziert werde, wie wichtig Vorsorge und die Teilnahme an Screenings ist.
Man müsse natürlich auch immer im Hinterkopf behalten, dass es durch Screenings zu Überdiagnosen und damit massiver Verunsicherung bei den Betroffenen kommen kann. „Die Effekte des Mammakarzinom-Screenings sind natürlich toll, aber in anderen Bereichen ist das oft schwierig. Man muss immer abwägen, was man empfehlen soll, ohne die Menschen narrisch zu machen“, machte Hilbe deutlich. Auch Sevelda betonte, dass die Früherkennung nicht als Allheilmittel dargestellt werden dürfe.
„Weg von Überschriften, Mut zur Tat“
In den Abschlussworten herrschte einhelliger Tenor darüber, dass man sich nicht nur Ziele stecken solle, sondern diese auch tatsächlich umsetzen müsse. „Ich würde mir für das kommende Krebsrahmenprogramm Österreichs wünschen, dass klar definierte Zielwerte festgehalten werden. Der Weg, um diese zu erreichen, muss dabei auch regelmäßig evaluiert werden, um gegebenenfalls gleich nachbessern zu können. Dabei kann Österreich sich durchaus auch vom Europäischen Krebsplan inspirieren lassen“, sagte Hofmacher. „So schaffen wir es, dass wir nicht an den 2014 festgelegten Überschriften picken bleiben“, erhoffte sich Hilbe.
Zu wenig beachtet wurden bisher arbeitsrechtliche Aspekte – etwa der Kündigungsschutz während der Erkrankung – und die Zeit nach Beendigung der Erkrankung. In diesem Zusammenhang wird das „Right to be Forgotten“ immer wieder genannt. Dies würde ermöglichen, dass ehemalige Krebspatientinnen und Krebspatienten finanziell nicht schlechter gestellt werden, und gibt diesen gleichzeitig eine Perspektive für die Zukunft, betonte Kienesberger.
Auch die Optimierung der Qualität der Betreuung ist den Anwesenden ein großes gemeinsames Anliegen – sei es durch verstärkte Einbeziehung der Patientenperspektive, eine zentralere Rolle der Pflege oder auch einen Fokus auf Forschung und Prävention. „Wir brauchen auch einen politischen Schulterschluss in Richtung Prävention, Jugend und Kinder. Allen Akteurinnen und Akteuren muss klar werden, dass Gesundheit kein politisches Kampfthema ist“, urgierte der Krebshilfe-Präsident Sevelda.
Quelle: Podiumsdiskussion „Zukunft Gesundheit – 10 Jahre Nationales Krebsrahmenprogramm in Österreich“, Wien, 28.2.2024