11. Sep. 2023Evidenz für die Allgemeinmedizin

Cannabis zur Schmerztherapie bei Krebs

Cannabis-basierte Medikamente sind laut aktuellem Wissensstand keine wirksame Alternative oder Ergänzung zu Opioiden bei schwer behandelbaren Schmerzen von Krebspatient:innen.

Grüne Cannabisblätter im medizinischen Pluszeichen-Emblemrahmen auf weißem Hintergrund.
Amax Photo/GettyImages

Schmerzen sind eine häufige Begleiterscheinung von Krebserkrankungen. Rund 30 bis 50 Prozent der Krebspatient:innen leiden unter mittelschweren bis schweren Schmerzen. In der Regel bekommen diese Patient:innen Opioide. Bei 10 bis 15 Prozent der Krebspatient:innen lassen sich die Schmerzen aber auch durch diese morphinartigen Substanzen nicht ausreichend lindern. Es braucht daher neue Analgetika, die Opioide wirksam und sicher ergänzen oder ersetzen können.

In diesem Zusammenhang wird der Einsatz von medizinischem Cannabis bzw. Cannabis-basierten Medikamenten diskutiert.

Die Zielsetzung

Ein Cochrane-Team untersuchte Nutzen und Risiken von Cannabis-basierten Medikamenten. Die Autor:innen wollten wissen, wie wirksam diese zur Behandlung von Schmerzen und anderen Symptomen bei Erwachsenen mit einer Krebserkrankung sind – und zwar im Vergleich zu einem anderen etablierten Analgetikum oder zu einem Placebomittel.

Die Evidenz

Das Cochrane-Team identifizierte 14 randomisierte kontrollierte Studien (RCT) mit insgesamt 1.823 Teilnehmer:innen. Die Studien wurden weltweit durchgeführt; die meisten (6) in Nordamerika. Fünf Studien dauerten weniger als einen Tag, die anderen zwischen zwei und acht Wochen.

In sechs Studien wurde ein Mundspray auf Cannabisbasis (Nabiximols) getestet. Enthalten ist eine pflanzliche Extraktkombination aus Tetrahydrocannabinol (THC), dem wichtigsten psychoaktiven Bestandteil von Cannabis, und Cannabidiol (CBD), einem entzündungshemmenden Inhaltsstoff von Cannabis.

  • Nabiximols wirkt wahrscheinlich nicht besser als ein Placebo, wenn es darum geht, mittelschwere bis schwere Krebsschmerzen zu lindern, die trotz Opioiden anhalten. Mit Cannabis-Mundspray berichteten 32 von 100 Personen, dass sich ihre Schmerzen durch den Mundspray auf Cannabisbasis stark oder sehr stark verbessert hatten; mit Placebo-Mundspray waren es 23 von 100 Personen.
  • Aufgrund von Nebenwirkungen brachen in der Mundspraygruppe 19 von 100 Personen die Behandlung vorzeitig ab, in der Placebogruppe waren es 16 von 100 Personen. Es gab keinen Unterschied bei den schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen zwischen den Gruppen.

Sieben Studien untersuchten die schmerzlindernde Wirkung von synthetischem THC (Nabilon). Wie schnitt das künstliche Cannabinoid im Vergleich zu Placebomitteln oder dem morphinartigen Medikament Codein ab?

  • Synthetisches THC dürfte mittelschwere bis schwere Krebsschmerzen zwar besser reduzieren als ein Placebomittel. Die Wirkung ist jedoch nicht besser als jene von niedrig dosiertem Codein drei bis viereinhalb Stunden nach Beendigung der vorherigen analgetischen Behandlung. Dies ergaben Studien mit Patient:innen, die Kopf-Hals-Karzinome oder nicht-kleinzelligen Lungenkrebs hatten und eine Chemo- oder Radiochemotherapie erhielten.
  • Analysen zur Verträglichkeit und Sicherheit waren bei diesen Studien nicht möglich.

Es gibt eine Studie zu CBD-Öl.

  • CBD dürfte zusätzlich zur spezialisierten Palliativpflege bei einer fortgeschrittenen Krebserkrankung eher keine bessere Schmerzlinderung erzielen, also wohl keinen weiteren Nutzen gegenüber einer alleinigen spezialisierten Palliativbehandlung haben.
  • In dieser Studie gab es in der CBD-Gruppe nicht häufiger Studienabbrüche aufgrund unerwünschter oder schwerwiegender unerwünschter Ereignissen als in der Vergleichsgruppe.

Schlussfolgerungen

Cannabis-basierte Medikamente sind gemäß aktuellem Wissensstand eher keine wirksame Alternative oder Ergänzung zu Opioiden für jene Krebspatient:innen, bei denen bereits Opioide nicht den erhofften Erfolg bezüglich Schmerzlinderung brachten. Das Vertrauen in die Evidenz ist für die einzelnen Fragestellungen jedoch eingeschränkt, da die Studien teilweise methodische Mängel aufweisen, mit nur wenigen Personen durchgeführt wurden und nicht alle relevanten Informationen berichtet sind.

Weiterführende Ergebnisse finden Sie im zugehörigen Cochrane Review: Häuser W, Welsch P, Radbruch L, Fisher E, Bell RF, Moore RA. Cannabis-based medicines and medical cannabis for adults with cancer pain. Cochrane Database of Systematic Reviews 2023, Issue 6. Art. No.: CD014915. DOI: 10.1002/14651858.CD014915.pub2. Accessed 29 August 2023.

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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune