MS-Therapie bereits vor der klinischen Diagnose?
Immer mehr Evidenz weist auf die Bedeutung einer frühen Behandlung der multiplen Sklerose hin. Dies kann auch den Einsatz von DMTs beim radiologisch isolierten Syndrom bedeuten, wie die als Late Breaking Abstract im Rahmen des ECTRIMS 2022 vorgestellten Ergebnisse der ARISE-Studie zeigen.
Das radiologisch isolierte Syndrom (RIS) repräsentiert die früheste nachweisbare präklinische Phase der multiplen Sklerose (MS). „Die Betroffenen zeigen Anomalitäten, die die Diagnose einer multiplen Sklerose nahelegen, sind dabei jedoch völlig asymptomatisch“, sagt Prof. Dr. Darin Okuda vom University of Texas Southwestern Medical Center in Dallas und betont, dass die typische Präsentation eines RIS deutlich vom Bild nicht-spezifischer Veränderungen der Weißen Substanz unterschieden werden können. In Zeiten, in denen immer häufiger und aus unterschiedlichen Gründen MRT-Scans des Gehirns aufgenommen werden, steigt die Zahl der RIS-Diagnosen beständig an. Damit stellt sich auch immer häufiger die Frage, wie mit Personen umgegangen werden soll, die klinisch gesund sind, in der Bildgebung aber Auffälligkeiten zeigen, die klar einer chronischen und rezidivierenden, bzw. potenziell auch progredienten Erkrankung zugeordnet werden können. Bislang gab es keine Evidenz, die auf die Wirksamkeit krankheitsmodifizierender MS-Therapien (DMTs) in diesem Stadium der Erkrankung hätten schließen lassen, so Okuda.
Vor diesem Hintergrund wurde die ARISE-Studie ins Leben gerufen, die die Wirksamkeit einer therapeutischen Intervention hinsichtlich der Verzögerung einer ersten symptomatischen Manifestation der Erkrankung in einer Population von PatientInnen mit RIS untersuchen sollte. Okuda: „Unsere Hypothese war, dass eine frühe Behandlung die Zeit bis zu einer ersten akuten oder progredienten MS-Episode verlängern und auch die Entwicklung in der Bildgebung verändern würde.“
ARISE war eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie, die in zwölf MS-Zentren in den USA durchgeführt wurde. Die StudienpatientInnen erhielten entweder orales Dimethylfumarat (DMF) 240 mg zweimal täglich oder Placebo. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum Beginn klinischer Symptome, passend zu einem demyelinisierenden Ereignis im zentralen Nervensystem. Als sekundäre Endpunkt wurden unter anderem die Zahl neuer oder sich vergrößernder T2-Läsionen, Volumsveränderungen der T2-Läsionen sowie die Zahl der Gadolinium-aufnehmenden Läsionen innerhalb von 96 Wochen erhoben. In die Studie wurden nur PatientInnen eingeschlossen, bei denen der Index-MRT-Scan nicht wegen einer MS-verdächtigen Symptomatik durchgeführt worden war.