Erste Ergebnisse nach Human-Challenge-Studie; vier Risikofaktoren für Long Covid
+++ Gezielt infiziert: Erste Ergebnisse nach umstrittener Studie präsentiert – Signatur für lang anhaltenden Immunschutz entdeckt – Vier Faktoren führen zu Long Covid – Experte: Omikron-Subtyp BA.2 könnte Omikron-Welle verlängern – Omikron-Subtyp BA.2 bereits in 57 Ländern nachgewiesen – US-Zulassungsprozess von Biontech für Kleinkinder gestartet – Pandemie führt zu riesigem Berg an Medizin-Müll +++
Gezielt infiziert: Erste Ergebnisse nach umstrittener Studie präsentiert
Ein Jahr nach Beginn einer Studie, bei der Freiwillige mit dem Coronavirus infiziert worden sind, hat das Imperial College in London erste Ergebnisse vorgestellt. "Aus wissenschaftlicher Sicht bieten diese Studien einen Vorteil, da der Zeitpunkt der Ansteckung genau bekannt ist und daher Dinge wie das Intervall zwischen dem Kontakt und der Art der Viruslast genau beschrieben werden können", sagte Jonathan Van-Tam, medizinischer Berater der britischen Regierung, am Mittwoch, 2.2.
Die Regierung in London hatte die Forschung unterstützt. Unter Medizinethikern sind die sogenannten Human-Challenge-Studien jedoch extrem umstritten. Die britische Studie gilt als weltweit erste, die im Zusammenhang mit Covid-19 auf diese Weise geforscht hat.
Human Challenge Trials, bei denen gesunde Menschen einem Erreger ausgesetzt werden, kamen in der Vergangenheit zum Beispiel bei der Entwicklung von Grippe- und Malaria-Impfstoffen zum Einsatz. Allerdings wurde den Probanden dabei, anders als bei der britischen Studie, zunächst ein potenzieller Wirkstoff verabreicht.
Den ersten Ergebnissen des Imperial College London zufolge, die in dieser Woche als noch nicht von Experten begutachtete Preprint-Studie veröffentlicht wurden (https://www.researchsquare.com/article/rs-1121993/v1), soll die Inkubationsphase des Coronavirus kürzer sein als zuvor angenommen – im Schnitt traten schon zwei Tage nach der Ansteckung bei Probanden Symptome auf. Allerdings beziehen sich die Ergebnisse weder auf Omikron noch auf Delta, sondern auf früher verbreitete Varianten des Virus. Die Autoren sehen jedoch Potenzial für schnelle Erkenntnisse über weitere Varianten, den Ablauf der Ansteckung und Erkrankung sowie die Anpassung von Impfstoffen. (APA/dpa)
Signatur für lang anhaltenden Immunschutz entdeckt
Zürcher Forscher berichten von einer molekularen Signatur, mit der sich der langfristige Immunschutz gegen das Coronavirus bereits während der akuten Infektionsphase abschätzen lässt. Dabei stehen sogenannte Gedächtnis-T-Zellen im Fokus.
Antikörper machen nur einen Teil des Waffenarsenals des Immunsystems aus. Ebenso wichtig sind die T-Zellen: Sie bekämpfen nicht direkt das Virus, sondern erkennen infizierte Zellen und zerstören diese. Ist das Virus besiegt, sterben die allermeisten dieser sogenannten Killerzellen wieder ab. Nur die wenigsten überleben und reifen zu langlebigen Gedächtnis-T-Zellen heran. Bei einer erneuten Infektion können sie das Virus schnell und wirksam bekämpfen.
Forschenden um den Immunologen Onur Boyman, Direktor der Klinik für Immunologie am Universitätsspital Zürich, ist es nun gelungen, SARS-CoV-2-spezifische T-Zellen des Typs "CD8+" von der akuten Covid-19-Infektion bis zu einem Jahr nach Genesung in Blutproben von 175 Personen zu untersuchen. Von den Ergebnissen berichten sie im Fachmagazin "Nature" (https://www.nature.com/articles/s41586-021-04280-x).
Demnach konnten sie eine eindeutige molekulare Signatur identifizieren, die es den T-Zellen erlauben, langlebige Gedächtniszellen zu werden und nicht nach Abklingen der akuten Infektion abzusterben. Die Signatur sei bereits während der akuten Infektion nachweisbar gewesen, teilte die Universität Zürich am Mittwoch mit.
Die Erkenntnisse der Studie könnten möglicherweise dazu dienen, gezielt einen lang anhaltenden Schutz nach Impfung oder Infektion vorauszusagen: "Falls sich die nun identifizierte molekulare Signatur während einer Infektion nicht feststellen lässt, könnte man nach Abklingen der Krankheit impfen", erklärte Boyman gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Und falls die Signatur nach einer Impfung nicht auftrete, könnten etwa mehr Impfdosen verabreicht oder die Inhaltsstoffe der Vakzine angepasst werden, "bis wir die molekulare Signatur sehen".
Anzunehmen sei auch, dass die Bildung dieser Gedächtnis-T-Zellen dafür verantwortlich sei, dass die derzeit verfügbaren Impfstoffe auch gegen Omikron einen hohen Schutz vor Hospitalisierung und Tod bieten. "Denn für CD8+-T-Zellen spielen einzelne Mutationen auf dem Spikeprotein des Coronavirus eine geringere Rolle als für Antikörper", so der Immunologe. (APA/sda)
Vier Faktoren führen zu Long Covid
Long Covid – langwierige Krankheitssymptome nach Genesung von einer Infektion mit Covid-19 – stellt eine eigenständige medizinische Krise dar. US-Forscher haben nun vier Risikofaktoren ermittelt, die Long Covid begünstigen. Autoantikörper spielen dabei die Hauptrolle.
Es handelt sich dabei um Antikörper, die ein körpereigenes Antigen binden. Sie sind charakteristisch für Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, treten aber beispielsweise auch bei Krebs auf. In der Studie an 309 Patienten waren spezifische Autoantikörper in zwei von drei Fällen beteiligt.
Die weiteren Faktoren waren eine hohe Coronavirus-Last, Typ-2-Diabetes und eine Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus (EPV), ein Herpesvirus. 98 Prozent der Menschen werden vor dem 40. Lebensjahr damit infiziert, meist in jungen Jahren. Während die Ansteckung im Kindesalter symptomlos verläuft, ruft sie bei Jugendlichen Pfeiffer-Drüsenfieber hervor. Wie alle Herpesviren schlummert das EPV lebenslang im Körper und kann reaktiviert werden.
Ist das der Fall, kann es unter anderem zu Erschöpfung führen, wie sie laut Studie auch bei über der Hälfte der an Long Covid Leidenden beobachtet wird. Weitere häufige Symptome von Long Covid sind Husten bei einem Viertel der Genesenen und Geruchsverlust oder -veränderung bei knapp einem Fünftel.
Gemäß der in der Fachzeitschrift "Cell" publizierten Studie (https://doi.org/10.1016/j.cell.2022.01.014) kann eine frühe Diagnose der vier ermittelten Risikofaktoren gleich nach der Ansteckung dabei helfen, durch geeignete Therapiemaßnahmen Long Covid zu verhindern oder abzumildern. (APA/sda)
Experte: Omikron-Subtyp BA.2 könnte Omikron-Welle verlängern
Eine wohl noch leichter übertragbare Untervariante von Omikron könnte aus Expertensicht zu einer Verlängerung der derzeitigen Infektionswelle führen. "BA.2 wird sich auch bei uns durchsetzen", schrieb der deutsche Immunologe Carsten Watzl am Montag, 31.1., auf Twitter. Dies könnte die Omikron-Welle verlängern. Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie bezog sich auf eine noch nicht von externen Fachleuten begutachtete Studie aus Dänemark zu dem Omikron-Subtyp.
Das eigene Infektionsrisiko bei BA.2 ist der Studie zufolge mehr als doppelt so hoch wie bei Subtyp BA.1. Das gilt sowohl innerhalb der Gruppe der Ungeimpften als auch bei Menschen mit Grundschutz und bei Geboosterten. Das Risiko der Weitergabe des Virus ist bei infizierten Ungeimpften ebenfalls stark erhöht, nicht jedoch bei Geimpften und Geboosterten, heißt es in der Studie.
Impfungen hätten auch mit dem Aufkommen von BA.2 einen Effekt gegen Infektion, Weitergabe und schwere Erkrankung, wenn auch verringert im Vergleich zu früheren Varianten, schreiben die Forscher. Die höhere BA.2-Anfälligkeit und -Übertragbarkeit bei Ungeimpften werde wahrscheinlich zu einer noch weiteren Steigerung von Übertragungen bei ungeimpften Kindern etwa in Schulen und Kindergärten führen, halten sie fest.
Für das Preprint blickten Forschende in Dänemark auf Ansteckungen mit BA.1 und BA.2 in Haushalten. Betrachtet wurde das Geschehen ausgehend von rund 8.500 sogenannten Primärfällen Ende Dezember, Anfang Jänner. "Wir schließen daraus, dass Omikron BA.2 von Natur aus wesentlich besser übertragbar ist als BA.1", heißt es im Fazit. BA.2 besitze auch Immunflucht-Eigenschaften, die die Schutzwirkung der Impfung gegen Infektionen weiter verringerten. Die Weitergabe durch Geimpfte mit Durchbruchinfektion werde aber nicht erhöht. (APA/dpa)
Omikron-Subtyp BA.2 bereits in 57 Ländern nachgewiesen
Ein Subtyp der Omikron-Variante des Coronavirus breitet sich weltweit rasch aus. Mittlerweile wurde die Untervariante BA.2 nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom Dienstag, 1.2., in 57 Ländern nachgewiesen. In einigen Ländern mache die Untervariante inzwischen mehr als die Hälfte aller gesammelten Virus-Gensequenzen aus. Die WHO betonte, dass es bisher nur wenige Erkenntnisse gebe, wie genau sich BA.2 von den bisher dominanten Subtypen BA.1 und BA.1.1 unterscheidet.
Maria Van Kerkhove, eine der führenden Covid-Expertinnen der WHO, sagte, dass einige anfängliche Daten darauf hindeuteten, dass BA.2 "eine leicht erhöhte Wachstumsrate gegenüber BA.1" habe. Allerdings gebe es bisher "keine Anzeichen für eine Veränderung des Schweregrads" bei BA.2. Sie betonte jedoch, dass Covid unabhängig vom Stamm weiterhin eine gefährliche Krankheit sei und die Menschen eine Ansteckung vermeiden sollten. In Österreich wurde BA.2 bisher in mehreren Kläranlagen nachgewiesen.
Die hochansteckende Omikronvariante macht mittlerweile 93 Prozent aller gesammelten Coronavirus-Proben aus. Dies umfasst die Untervarianten BA.1, BA.1.1, BA.2 und BA.3. BA.1 und BA.1.1 - die ersten identifizierten Versionen - machen laut WHO immer noch mehr als 96 Prozent der Omikron-Befunde aus, die in die Datenbank der globalen Wissenschaftsinitiative GISAID hochgeladen wurden. (APA/AFP)
US-Zulassungsprozess von Biontech für Kleinkinder gestartet
In den USA hat die Arzneimittelbehörde FDA das Zulassungsverfahren für den Covid-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer zum Einsatz bei Babys und Kleinkindern eingeläutet. Die beiden Pharmaunternehmen teilten am späten Dienstagabend (1.2.) mit, den rollierenden Einreichungsprozess von Daten zur Anwendung des Vakzins bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fünf Jahren auf Anfrage der Behörde gestartet zu haben. Er dürfte bereits in den kommenden Tagen abgeschlossen werden.
Bei einer Zulassung wäre es der erste verfügbare Covid-Impfstoff für Kinder unter fünf Jahren. Das rollierende Zulassungsverfahren ist ein beschleunigter Prozess, bei dem während eines Gesundheitsnotstands die notwendigen Daten bei Verfügbarkeit sukzessive eingereicht und geprüft werden können.
Der Antrag von Biontech/Pfizer umfasst zunächst die Zulassung der ersten beiden Impfdosen, deren Dosierung bei einem Zehntel der Erwachsenendosis liegt. Daten zu einer dritten Impfdosis, die frühestens acht Wochen nach der zweiten Dosis verabreicht werden soll, werden in den kommenden Monaten erwartet. Diese sollen im Anschluss bei der FDA eingereicht werden.
Die Impfserie bei Babys und Kleinkindern soll insgesamt drei Dosen umfassen, da nach ersten Studiendaten zwei Dosen zwar bei sechs bis 24 Monate alten Kindern ausreichten, bei Zwei- bis Vierjährigen aber keine ausreichende Wirksamkeit erreichten. Die FDA drückte angesichts hoher Infektionszahlen bei Kindern in den USA aufs Tempo. So könnte man mit der Impfung schon früher starten, als wenn auf die Daten zur dritten Dosis gewartet werde. "Letztendlich gehen wir davon aus, dass drei Dosen des Impfstoffs notwendig sein werden, um bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis vier Jahren einen hohen Schutz gegen aktuelle und mögliche zukünftige Varianten zu erreichen", sagte Pfizer-Chef Albert Bourla. (APA/Reuters)
Pandemie führt zu riesigem Berg an Medizin-Müll
Infolge der Corona-Pandemie haben sich nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) inzwischen weltweit mehr als 200.000 Tonnen medizinischen Abfalls angehäuft – vieles davon Plastikmüll. Die UN-Organisation mit Sitz in Genf forderte am Dienstag Strategien, um Mensch und Umwelt vor schlecht entsorgten Schutzanzügen, Test-Kits und Impf-Utensilien zu schützen.
Nach Angaben der WHO fielen durch die Milliarden Impfungen seit Beginn der Pandemie mindestens 144.000 Tonnen an gebrauchten Nadeln, Spritzen und Sammelbehältern an. Hinzu kommen 87.000 Tonnen Schutzbekleidung, die allein von den Vereinten Nationen zwischen März 2020 und November 2021 ausgeliefert wurden. In Coronatests stecken bis zu 2.600 weitere Tonnen an Müll und 731.000 Liter an chemischen Abfällen. Schutzmasken für den Privatgebrauch sind in den Schätzungen nicht eingerechnet.
Schon vor der Pandemie waren nach Angaben der WHO ein Drittel aller Gesundheitseinrichtungen nicht in der Lage, ihren Müll fachgerecht zu entsorgen. Die zusätzlichen Covid-Abfälle seien ein Gesundheits- und Umweltrisiko für medizinisches Personal sowie für Menschen, die in der Nähe von Deponien leben, hieß es.
Die WHO drängt nun auf umweltfreundlichere Verpackungen, wiederverwendbare Schutzbekleidung und Investitionen in Recyclingsysteme. "Covid-19 hat der Welt die Lücken und Versäumnisse bei der Produktion, Verwendung und Entsorgung von Gesundheitsprodukten aufgezeigt", sagte Maria Neira, die bei der WHO für Umweltfragen zuständig ist. (APA/dpa)