27. Jän. 2021Kinder und COVID-19

Bisher 350 Kinder hospitalisiert, 20 wegen MISC/PIMS auf der Intensiv

So viel ist fix – die zweite Welle erfasste auch die Kinder: Seit Beginn der Corona-Pandemie lagen bisher zirka 350 SARS-CoV-2-positive unter 15-jährige Kinder im Spital, davon 39 bis September. Zirka 25 Kinder waren auf der Intensiv, davon 5 mit akuter SARS-CoV-2-Infektion und 20 wegen überschießender Immunreaktion (MISC oder PIMS-TS). Das gab die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) auf Nachfrage bekannt. Die Daten seien wegen möglicher Mehrfachnennungen aber nur „Annäherungswerte“. Zudem fehlen noch Rückmeldungen aus zwei Abteilungen, eine davon aus Kärnten, das im Herbst bekanntlich besonders stark betroffen war. Zu Long Covid plant die ÖGKJ eine Studie, bisher wurde in der Steiermark ein Fall wahrgenommen.

Trauriges Kind welches an Long Covid erkrankt ist.
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Update: Die ÖGKJ veröffentlichte am 31.01.2021 die kompletten Zahlen (in Klammer die Veränderung der bisher gemeldeten Zahlen): Seit Beginn der Pandemie wurden 360 (+10) SARS-CoV-2 infizierte Kinder und Jugendliche (<14a) mit stationärer Behandlung an österreichischen Kinderabteilungen gemeldet, mehr als 30 davon waren Zufallsbefunde (nicht "mindestens 50"). Bei 51 Kindern (+6) wurde MISC/PIMS-TS diagnostiziert, zirka 21 (+1) davon wurden auf einer Intensivstation behandelt. Insgesamt (COVID-19 und MISC) wurden 26 (+1) Kinder auf Intensivstationen behandelt. Siehe Stellungnahme_OEGKJ_310121.pdf (ursprünglich auf https://www.paediatrie.at/covid).

Bis Mitte Mai1, alle Kindergärten und Schulen hatten seit Mitte März geschlossen, waren in Österreich 467 Kinder unter 15 Jahren „an SARS-CoV-2 erkrankt“. Das entsprach 2,9 Prozent der insgesamt 16.199 erkrankten Personen in Österreich. Von den erkrankten Kindern mussten 15 (3,2 Prozent) stationär behandelt werden, nur zwei waren wegen einer überschießenden Immunreaktion (MISC = Multisystem inflammatory syndrome in children, PIMS-TS = paediatric inflammatory multisystem syndrome temporally associated with COVID-19) intensivpflichtig. Beide seien mittlerweile wieder vollkommen genesen, vermeldete die Fachgesellschaft am 19. Mai 2020. Eine gute Nachricht.

Bis September sieben Kinder mit MISC

Ebenso nach dem Sommer. Bis Mitte September seien zirka 35.000 Personen „positiv auf SARS-CoV-2 getestet“ worden, davon 500 (1,4 Prozent) unter 5 Jahre alt und 1.600 (4,6 Prozent) zwischen 5 und 14 Jahre alt. 115 Kinder hatten „Kontakt“ mit Kinderabteilungen, davon 39 stationär und sechs in Behandlung auf Intensivstationen. Zum Zeitpunkt der Erhebung waren zwei Kinder stationär, eines davon, ein Neugeborenes, auf der Intensivstation. Seit Pandemiebeginn wurden der ÖGKJ insgesamt sieben pädiatrische Patienten mit einer überschießenden Immunreaktion gemeldet, bei vier davon konnte eine akute oder abgelaufene SARS-CoV-2-Infektion nachgewiesen werden. Bisher sei kein Kind an oder mit einer Coronavirus-Infektion gestorben.

Auch vier Monate später noch nicht: Seines Wissens sei bisher kein Kind und auch kein Jugendlicher „mittelbar oder unmittelbar“ an COVID-19 verstorben, informiert ÖGKJ-Generalsekretär Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl auf Anfrage im Rahmen einer Recherche-Kooperation mit dem Journalisten und Blogger Sebastian Reinfeldt (siehe https://www.semiosis.at/2021/01/27/das-verschwinden-von-kindern-und-jugendlichen-aus-dem-infektionsgeschehen-in-oesterreich/) zu den aktuellen Zahlen zu Kindern und Corona in Österreich. „In der ersten Welle weiß ich von einem Kind im Bundesland Salzburg, welches mit einer Gastroenteritis (Exsikkose) verstorben ist, weil die Eltern in Quarantäne waren und das Kind nicht ins Krankenhaus gebracht haben“, berichtet Kerbl.

Wegen Datenschutz nur „kumulierte Daten“

Was die Hospitalisierungs- und Intensivzahlen betrifft, verweist er auf Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Volker Strenger, Leiter AG Infektiologie in der ÖGKJ, da dieser einen regelmäßigen „Österreich-Survey“ mache. Jedoch würden nicht immer alle Kliniken mittun, was auch Strenger bestätigt. Zudem dürfen aus datenschutzrechtlichen Auflagen nur kumulierte Daten der Patienten abgefragt werden, wodurch in Einzelfällen Mehrfachnennungen nicht ausgeschlossen werden könnten, betont Strenger. Vor allem kleine, aber auch viele Wiener Abteilungen würden diese Patienten gelegentlich transferieren. Zum Zeitpunkt der Beantwortung (25.01.2021) waren noch zwei Rückmeldungen ausständig, die aber laut Strenger das „Gesamtbild“ nicht allzu sehr ändern würden:

  • Bisher in Österreich gemeldete Fälle <15a: zirka 25.000 (laut Dashboard der AGES).
  • Bisher in Österreich an Kinderabteilungen stationär behandelt: Zirka 350 (1,4 % der gemeldeten Fälle), mindestens 50 davon als Zufallsbefund bei Kindern, die wegen anderer Erkrankungen behandelt werden mussten. Auch bei jenen Patienten, die wegen SARS-CoV-2 aufgenommen wurden, erfolgte die Aufnahme meist nicht wegen des schlechten Zustandes, „sondern aufgrund der Unsicherheit, wie sich diese für uns alle neue Erkrankung im Einzelfall entwickelt, insbesondere bei Säuglingen ist man da sehr vorsichtig und beobachtet die Kinder lieber stationär“, erläutert Strenger.
  • Pädiatrische Patienten mit überschießender Immunreaktion: zirka 45 (0,18 % der gemeldeten Fälle).
  • Pädiatrische Patienten mit überschießender Immunreaktion, die auf einer Intensivstation behandelt wurden: zirka 20 (0,08 % der gemeldeten Fälle).
  • Pädiatrische Patienten mit „akuter“ SARS-CoV-2-Infektion („klassisches COVID-19“, nicht überschießende Immunreaktion), die auf einer Intensivstation behandelt wurden: zirka fünf (0,02 % der gemeldeten Fälle). Davon war bei zwei Patienten der Grund für die Aufnahme auf die Intensivstation eindeutig ein anderer als SARS-CoV-2, bei einem dritten wäre die Aufnahme wahrscheinlich ebenfalls ohne SARS-CoV-Co-Infektion notwendig gewesen. (Im September waren als Intensivpatienten vor allem jene mit überschießender Immunreaktion angeführt, welche jetzt getrennt analysiert wurden, Anm.).

Über- oder Untersterblichkeit?

Auf die Frage nach einer Über- oder Untersterblichkeit (derzeit weder das eine noch andere statistisch signifikant2, Anm.) könne sich Kerbl eher Letzteres vorstellen, „da durch die Maßnahmen andere Infektionen wie Influenza, aber auch RSV (Respiratory Syncytial Virus) nicht oder viel weniger auftreten“. Aber auch eine Untersterblichkeit heiße nicht, „dass die Kinder durch die Maßnahmen – mehr als durch die Infektion – in ihrer Gesundheit nicht bedroht sind“. Man würde ja nicht an jedem gesundheitlichen Problem sterben. Was eindeutig zu beobachten sei, ist z.B. die Zunahme an psychischen Erkrankungen wie etwa Essstörungen. „Außerdem wissen wir nicht, ob andere Erkrankungen, z.B. Leukämie, wegen der COVID-Maßnahmen später diagnostiziert und behandelt werden und dadurch eine schlechtere Prognose haben“, führt Kerbl ins Treffen, „auch wenn wir oft den Eindruck haben, dass es so ist, ist schwer zu sagen, ob die Kinder ohne Maßnahmen eine passende Behandlung bekommen hätten.“

Long Covid: Studie zusammen mit der AGES

Zu Long Covid (siehe auch https://medonline.at/10067040/2020/die-stille-gefahr-long-covid-moegliche-spaetfolgen-bei-kindern/) gebe es noch keine Daten in Österreich. „Es dürfte aber recht selten sein“, sagt Kerbl. An der Kinderklinik Graz, Einzugsgebiet für zirka 150.000 Kinder und Jugendliche, sei ihm bisher ein einziges Kind mit Long Covid bekannt: „Wir werden aber in den nächsten Wochen – zusammen mit der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) – eine groß angelegte, repräsentative Studie mit mehreren 1.000 ehemals infizierten Kindern durchführen und deren Symptome inklusive Langzeitsymptome evaluieren.“ Dann wisse man mehr.

Was die fehlenden beiden Abteilungen betrifft, war zu erfahren, dass es sich um eine Abteilung in Wien und eine Abteilung in Kärnten handelt. Jene aus Wien dürfte die Gesamtzahlen nicht verändern, da sie nicht als COVID-Abteilung zuständig ist und ihre Fälle an ein entsprechendes Spital überweist. Anders könnte das mit jener Kinderabteilung in Kärnten sein. Denn im Gegensatz zur ersten Welle, wo das Bundesland großteils verschont geblieben ist, weist es derzeit mit 112,8 Todesfällen pro 100.000 Einwohner die zweithöchste Mortalität auf – nach der Steiermark mit 125,7/100.000 (Österreich-Schnitt: 84,4, Stand 27.01.2021, AGES-Dashboard). Eine entsprechende Anfrage wurde bis Redaktionsschluss noch nicht beantwortet.

1 https://www.paediatrie.at/stellungnahmen (19.5.2020 und 15.09.2020)

2 https://www.euromomo.eu/graphs-and-maps#z-scores-by-country (age group 0-14)