17. Juli 2015

Zwielichtige Diabetes-Studien

Eine kleine Gruppe äußerst aktiver Forscher mit Verbindungen zur Industrie mischt kräftig in der wissenschaftlichen Literatur über Diabetesmedikamente mit. Wenige Autoren publizieren einer aktuellen Analyse zufolge verhältnismäßig viele randomisiert-kontrollierte Studien über blutzuckersenkende Medikamente und Angestellte aus der Pharmaindustrie sowie Schreibüros beherrschen die publizierten Studien.

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Eine Analyse sämtlicher Publikationen von randomisiert-kontrollierten Studien über blutzuckersenkende Medikamente von 1993 bis 2013 ergab, dass von den 110 „Top“-Autoren, die in den Publikationen von 991 RCTs aufschienen, pro Autor durchscnittlich 20 Arbeiten, von 11 unter ihnen sogar 42 Arbeiten publiziert wurden. 48 der 110 Top-Autoren waren Angestellte pharmazeutischer Unternehmen, von den 991 RCT´s waren 906 kommerziell gesponsert. Bei 704 Artikeln konnte ein Interessenskonflikt untersucht werden: Nur 6 % waren völlig unabhängig. Schreibagenturen wurde in den Publikationen über die 991 RCTs in 439 Fällen (44% ) gedankt.

 

Der Bochumer Endokrinologe Helmut Schatz nahm am 13. Juli in einem Blogeintrag der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) auf einen Beitrag aus dem British Medical Journal vom 1. Juli 2015 Bezug, dem zufolge eine kleine Gruppe äußerst aktiver Forscher mit Verbindungen zur Industrie die Diabetes-Forschung beherrscht.

Die Studie des niederländischen Academisch Medisch Centrum ging Interessenkonflikten im Bereich glukosesenkender Medikamente nach. Insgesamt identifizierte das Team um den Internisten Frits Holleman 3.782 Artikel von 13.592 Autoren.

  • Die 110 führendsten Autoren wurden in 1.227 (32,4 %) aller Artikel namentlich angeführt.
  • Die Namen der 11 führendsten Autoren wurden in 397 (10,5 %) aller Artikel erwähnt.
  • Die 110 führendsten Autoren veröffentlichten 991 RCTs, die 11 führendsten Autoren 354 RCTs.
  • Von den 110 führendsten Autoren waren 48 bei Pharmaunternehmen angestellt.
  • Von den 991 RCTs wurden 906 kommerziell gefördert.

Interessenskonflikte

Die Analyse hinsichtlich der Interessenkonflikte ergab, dass von 704 Artikeln nur 42 (6 %) als völlig unabhängig gewertet wurden. Bei 439 (44,3 %) der 991 RCTs wurde professionelle Unterstützung durch Medical Writers in Anspruch genommen.

Kriterien für Autorenschaft

Das International Committee of Medical Journal Editors (ICMJE) definierte vor zwei Jahren vier Kriterien für eine Autorenschaft:

  • Wesentlicher Beitrag zu Planung, Protokoll, Beschaffung, Analyse oder Interpretation der Daten.
  • Manuskriptentwurf oder Revision des Artikels.
  • Finale Approbation vor Veröffentlichung.
  • Verantwortlichkeit für die Richtigkeit und Vollständigkeit. Dies betrifft jeden einzelnen der Autoren.

Eine retrospektive Analyse ergab, dass diese Kriterien lediglich bei 21 % der Artikel erfüllt waren. Es wurden weiterhin oft Namen von „honorary authors“ ohne wesentlichen Beitrag genannt, umgekehrt wurden Namen von „ghost authors“ weggelassen.

Frits Holleman, Mick Uijldert, Lennart F Donswijk, Edwin A M Gale
Productivity of authors in the field of diabetes: bibliographic analysis of trial publications
British Medical Journal, 351:h2638, Published online 1 July 2015. doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.h2638

Elizabeth Wager
Are profilic authors too much of a good thing?
British Medical Journal, 351:h2782, Published online 1 July 2015. doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.h2782

Helmut Schatz
‘Super-Triaslisten’ beherrschen die Literatur über Diabetesmedikamente
Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, 13. Juli 2015