7. Juni 2018

Endotheliale Dysfunktion als Schlüsselrolle identifiziert

In der Pathogenese kardiovaskulärer Ereignisse wurden die Interaktionen zwischen den einzelnen Risikofaktoren bis dato selten identifiziert. Jedoch können in der Entstehung einer kardiovaskulären Erkrankung einerseits eine endotheliale Dysfunktion, andererseits Diabetes mellitus Typ II, ein beeinträchtigter Glukosemetabolismus (IGM) und eine Insulinresistenz synergetisch wirken oder interagieren. Daher wurden im Rahmen der Studie von Van Sloten TT. et al. die Interaktionen zwischen der endothelialen Dysfunktion, Diabetes mellitus Typ II, IGM und Insulinresistenz im Hinblick auf kardiovaskuläre Ereignisse untersucht.1

Hintergrund

Hintergrund der Studie war die Hypothese, dass Personen mit Diabetes mellitus Typ II (DM2) besonders anfällig für die negativen Auswirkungen einer endothelialen Dysfunktion24 – ein Schlüsselmechanismus in der Pathogenese der Atherothrombose – sind, und dass dies das gesteigerte Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei DM2 erklären kann. Der zugrundliegende Mechanismus dieses Phänomens ist eine bidirektionale Assoziation zwischen der endothelialen Dysfunktion und DM2, bei welcher die endotheliale Dysfunktion sowohl als Ursache, als auch als Konsequenz fungiert.46

Bis dato konnten die Hoorn-Studie und die Framingham Offspring Studie2-3 die Auswirkungen einer endothelialen Dysfunktion, festgelegt durch Plasma-Biomarker, und DM2 in Zusammenhang mit auftretenden kardiovaskulären Ereignissen evaluieren. Diese beiden Studien konnten zeigen, dass die endotheliale Dysfunktion stark mit der Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse bei Personen mit DM2 im Vergleich zu Personen ohne DM2 assoziiert ist. Allerdings evaluierten diese Studien nicht die kausale Interaktion.

In der Studie von Van Sloten TT et al.¹ wurde der Zusammenhang zwischen der endothelialen Dysfunktion, festgelegt durch die flussvermittelte Vasodilatation (FMD), und die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse in einer älteren Population untersucht. Zusätzlich auch etwaige Zusammenhänge bei Personen mit DM2, IGM und Insulinresistenz im Vergleich zu Personen, die einen normalen Glukosemetabolismus (NGM) oder eine normale Insulinsensitivität aufweisen.

Ergebnisse

Von den 648 Teilnehmern waren 445 Personen für die gegenwärtige Analyse geeignet. Die mediane Dauer des Follow-Up betrug 7.6 Jahre (Schwankungsbreite 0.2-8.9). 106 Personen (42 NGM, 33 IGM und 31 DM2) erlitten in diesem Zeitraum ein kardiovaskuläres Ereignis, 48 Personen eine koronare Herzerkrankung (16 NGM, 19 IGM und 13 DM2), 35 ein zerebrovaskuläres Ereignis (16 NGM, 10 IGM und 9 DM2) und 23 ein kardiovaskuläres Ereignis.¹

Die Inzidenzrate kardiovaskulärer Ereignisse betrug 3.1 % pro Jahr. Personen mit einem kardiovaskulären Ereignis waren tendenziell älter und oftmals männlichen Geschlechts. Zusätzlich litten diese Personen tendenziell häufiger an DM2, hatten eine höhere Insulinresistenz als durch HOMA2-IR festgelegt und ein weniger vorteilhaftes kardiovaskuläres Risikoprofil.¹

Multivariable Cox-Regressionsanalysen zeigten, dass die FMD nicht signifikant mit einem kardiovaskulären Ereignis in der Gesamtbevölkerung assoziiert war. Wurden die Analysen jedoch unter Berücksichtigung des Glukosemetabolismus oder des Insulinresistenzstatus wiederholt, zeigten die Ergebnisse, dass eine geringere FMD-Rate mit kardiovaskulären Ereignissen bei Personen mit DM2 und IGM, jedoch nicht bei Personen mit NGM, assoziiert war.¹

Interaktionen spielen eine wesentliche Rolle

Diese bevölkerungsbezogene Studie testete erstmals den Einfluss kardiovaskulärer Ereignisse in Zusammenhang mit der FMD auf der einen Seite, und DM2, IGM und Insulinresistenz auf der anderen Seite. Die FMD war stark mit kardiovaskulären Ereignissen bei Personen mit DM2 oder Insulinresistenz assoziiert, weniger assoziiert bei Personen mit IGM und nicht assoziiert mit kardiovaskulären Vorfällen bei Personen mit NGM oder normaler Insulinsensitivität.¹

Der zugrundliegende Mechanismus dieser Interaktion ist das Vorliegen eines Circulus vitiosus zwischen der endothelialen Dysfunktion und DM2, IGM und Insulinresistenz.⁴ Auf der einen Seite verursachen DM2, IGM und Insulinresistenz eine endotheliale Dysfunktion, auf der anderen Seite verursacht eine endotheliale Dysfunktion Insulinresistenz, IGM und DM2.5-6 Der Glukosemetabolismus und die Insulinresistenz interagieren mit der endothelialen Dysfunktion, jedoch unabhängig voneinander. Dies deutet darauf hin, dass Mechanismen, die mit DM2 und IGM assoziiert sind, eine Rolle in der Interaktion mit der endothelialen Dysfunktion spielen können.7

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die endotheliale Dysfunktion ein therapeutisches Schüsselziel in der Senkung des CVD-Risikos bei DM2 ist. Zusätzlich zeigen die Ergebnisse auf, dass die Interaktion bei Personen mit IGM und Insulinresistenz bereits vor Entstehung eines DM2 vorliegend war. Dies stimmt mit der sogenannten „ticking clock hypthesis“8-9überein, dass die Insulinresistenz, IGM und DM2 Hinweise auf einen fortschreitenden Krankheitsprozess sind, die das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse erhöhen.

Referenzen:
1) Van Sloten TT. et al.: Hypertension. 2014 Dec;64(6): 1299-305
2) De Jager J. et al.: Arterioscler Thromb Vasc Biol. 2996;26:1086-1093
3) Frankel DS et al.: Circulation. 2008;118:2533-2539
4) Kim JA et al.: Circulation. 2006;113:1888-1904
5) Muris DM et al.: Arterioscler Thromb Vasc Biol. 2012;32:3082-3094
6) Xu J. et al.: Circulation. 2009;120:1266-1286
7) Paneni F. et al.: Eur Heart J. 2013;34:2436-2443
8) Ford ES et al.: J Am Coll Cardiol. 2010;55:1310-1317
9) Sarwar N. et al.: Eur Heart J. 2007;28:2491-2497