23. März 2018

Weniger Entzündung, weniger Herzinfarkte

Das hochsensitive CRP setzt sich zunehmend als Marker für hohes kardiovaskuläres Risiko durch. Und es mehren sich die Hinweise, dass Patienten mit erhöhtem CRP von einer antiinflammatorischen Therapie profitieren. (Medical Tribune 12/18)

Die Atherosklerose beginnt früh mit ersten Veränderungen des Endothels. Intima-Media-Verdickungen können bereits bei Jugendlichen nachgewiesen werden. Spätestens seit der 2004 publizierten INTERHEART-Studie weiß man, dass modifizierbare Faktoren für einen Großteil des Risikos – rund 90 Prozent – verantwortlich sind.1 Prim. Doz. Dr. Matthias Frick vom Landeskrankenhaus Feldkirch verweist jedoch auf das erhebliche Restrisiko, das nach einem kardiovaskulären Ereignis auch bei optimalem Management der bekannten Risikofaktoren bestehen bleibt. Folglich gelte es nun, Strategien zu finden, um dieses Risiko zu minimieren. Pathophysiologische Untersuchungen weisen in Richtung inflammatorischer Prozesse in der Plaque. Dies könne man, so Frick, auch auf der systemischen Ebene nachweisen. Hochsensitives CRP (hsCRP) gilt mittlerweile als gut etablierter Marker für hohes kardiovaskuläres Risiko.2 Frick: „Die Eventrate steigt mit dem hsCRP.“ In weiterer Folge wurde hsCRP auch in Statinstudien bestimmt. Dabei zeigte sich, dass Patienten mit einem perfekt auf unter 70 mg/dl eingestellten LDL-Cholesterin und einem CRP über 2 mg/l das gleiche kardiovaskuläre Risiko aufweisen wie Patienten mit höherem LDL, dafür aber niedrigem CRP. Personen mit erhöhtem CRP und hohem LDL sind als Hochrisikogruppe einzustufen.3

Statine senken das CRP

Die Studien zeigen auch, dass potente Statine nicht nur das LDL, sondern auch das CRP senken können. Wer niedriges LDL und niedriges CRP erreicht, kann mit optimalem Outcome rechnen. In der JUPITER-Studie konnte eine signifikante CRP-Senkung durch Rosuvastatin demonstriert werden, die ebenfalls signifikant mit dem Outcome korrelierte.4 Frick: „Das hat dazu geführt, dass man auf die Suche nach Zielen für antiinflammatorische Therapien gegangen ist.“ Als eines dieser Ziele bietet sich das Inflammasom an, ein zytosolischer Proteinkomplex in Makrophagen und neutrophilen Granulozyten, der durch eine Vielzahl von Faktoren aktiviert werden kann. Das Inflammasom aktiviert weiter Interleukin 1-beta, das seinerseits eine Interleukin-Kaskade in Gang setzt, an deren Ende die Produktion von CRP steht. Ein gezielter Eingriff in die Entzündungskaskade ist mit dem gegen Interleukin 1-beta gerichteten monoklonalen Antikörper Canakinumab möglich.

Ob eine Blockade dieses Zytokins das kardiovaskuläre Risiko beeinflusst, wurde in der Studie CANTOS untersucht, deren erste Ergebnisse im Rahmen des ESC 2017 von Erstautor Dr. Paul M. Ridker, Direktor des Center for Cardiovascular Disease Prevention am Brigham and Women’s Hospital in Boston, vorgestellt wurden. In CANTOS wurde erstmals die Wirksamkeit einer gezielt in die Pathophysiologie der Inflammation eingreifenden Therapie auf das kardiovaskuläre Risiko getestet. Damit stand auch die Inflammations-Hypothese der Atherosklerose zum ersten Mal auf dem Prüfstand einer großen klinischen Studie. Frick: „Man erhofft sich eine Verlangsamung der Plaque-Bildung, Verbesserung der Plaque-Stabilität und letztlich Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse.

Die Inflammation stoppen

CANTOS ist eine große Studie mit mehr als 10.000 Hochrisiko-Patienten, die bereits einen Herzinfarkt hinter sich hatten und ein erhöhtes hsCRP aufwiesen. Sie wurden mit Canakinumab in den Dosierungen 50, 150 oder 300 mg oder Placebo als subkutane Injektion alle drei Monate behandelt. Ursprünglich geplant waren 150 oder 300 mg, auf Wunsch der Behörden wurde die 50-mg-Dosierung hinzugenommen. Die Beobachtungszeit betrug vier Jahre, primärer Endpunkt war das Auftreten von nicht tödlichem Myokardinfarkt, nicht tödlichem Schlaganfall oder kardiovaskulärem Tod. Der sekundäre Endpunkt schloss zusätzlich die Hospitalisierung wegen instabiler Angina mit Bedarf nach sofortiger Revaskularisierung ein. Die Patienten standen unter sehr guter Hintergrundtherapie. Dennoch lag das hsCRP im Median bei 4,1 mg/l. Das Ausgangs-LDL war mit 82 mg/dl nicht ideal. Unter der Behandlung mit Canakinumab fiel das CRP rasch ab – und zwar um mehr als 50 Prozent unter den beiden höheren Dosierungen. In der Dosierung von 150 mg reduzierte Canakinumab auch signifikant das Risiko eines kardiovaskulären Ereignisses (den primären Endpunkt) um 15 Prozent. In den Dosierungen 50 mg und 300 mg war die Risikoreduktion nicht signifikant.

Frick: „Bei 300 mg hat man allerdings schon den Eindruck, dass es in Richtung Signifikanz ging.“ Treiber für das Erreichen des primären Endpunkts war die Reduktion von Myokardinfarkten. Diverse sekundäre Endpunkte wurden ebenfalls reduziert. „Patienten, die nach drei Monaten den CRP-Median unterschritten, hatte eine bessere Prognose“, sagt Frick. Insgesamt wurde Canakinumab als sicher eingestuft, obwohl bei einem von 1.000 Patienten eine potenziell lebensbedrohliche Infektion auftrat. Sehr zum Erstaunen der Autoren war die Inzidenz von Malignomen nicht nur nicht erhöht, sondern sogar reduziert, was vor allem auf ein selteneres Auftreten von Lungenkarzinomen zurückzuführen war. Auch die Inzidenz von Arthritis und Gicht ging (erwartungsgemäß, da Canakinumab in der Therapie der Gicht bereits zugelassen ist) zurück.5

Proof-of-Concept-Studie

Nun stellt sich die Frage, was man im klinischen Alltag mit diesen Ergebnissen anfangen soll. Canakinumab ist ein therapeutischer Antikörper mit nicht zu unterschätzenden Risiken und einem exorbitanten Preis. Beides steht einer routinemäßigen Verwendung in kardiovaskulären Risikopopulationen im Weg. Frick: „CANTOS ist letztlich eine Proof-of-Concept-Studie, die zeigt, dass das antiinflammatorische Konzept funktioniert. Damit weist die Studie den Weg zu einer personalisierten Therapie, die auch die systemische Inflammation in Betracht zieht. Womit man die Inflammation dann in der Praxis behandeln wird, bleibt abzuwarten.“

Referenzen:
1 Yusuf S et al., Lancet. 2004 Sep 11–17; 364(9438): 937–52
2 Ridker PM et al., N Engl J Med. 2000 Mar 23; 342(12): 836–43
3 Ridker PM et al., N Engl J Med. 2005 Jan 6; 352(1): 20–8
4 Ridker PM et al., N Engl J Med. 2008 Nov 20; 359(21): 2195–207
5 Ridker PM et al., N Engl J Med. 2017 Sep 21; 377(12): 1119–1131

20 . Kardiologie-Kongress Innsbruck, März 2018

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune