Tag der Freude

Der 8. Mai 1945 ist in seiner Bedeutung für Millionen Menschen und für die Menschheit unvergleichlich. Das Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Ende des Nationalsozialismus, Tag der Befreiung, Tag der Freude. In seiner Erzählung „Abschied ohne Ende“ schreibt der österreichische Schriftsteller Wolfgang Hermann auf einzigartige Weise über den Tod eines jugendlichen Sohnes und den damit zusammenhängenden Schmerz, die unendliche Trauer. Im Rahmen meiner geriatrischen Tätigkeit kenne ich mittlerweile zahlreiche hochbetagte Frauen, welchen unter anderem gemeinsam ist, dass ein „Kind“ von ihnen bereits verstorben ist – oft in jungen Jahren, oft aber auch in späteren Jahren. Mit einem sehr engagierten und liebevoll bemühten Sohn einer Pflegeheimbewohnerin führte ich im Lauf der letzten Jahre immer wieder Gespräche bezüglich seiner Mutter. Nun ist er ganz plötzlich „in seinen besten Jahren“ verstorben. Und ich habe es auf die Bitte der Familie hin übernommen, der alten Dame diese zutiefst traurige Nachricht zu überbringen.

Unbeschreibliche Trauer

Mehr will ich über dieses Gespräch hier nicht schreiben. Es ist vieles vorstellbar – und vieles ist unvorstellbar. Wolfgang Hermann schreibt: „Ich versuchte an etwas zu denken, was nicht Dunkelheit war. Die Freuden des Lebens. Welches waren die Freuden des Lebens? Welchen Lebens?“ Unbeschreibliche Trauer. Die unbeantwortbaren Fragen nach Sinn. Leid und Schmerz. Und doch ist der Mensch in all dem immer wieder fähig weiter zu leben. Der das KZ überlebende Begründer der Logotherapie Viktor Frankl erzählte einmal, dass sie das „Guten Morgen“ am Leben erhalten hatte – das sich die Gefangenen im Vernichtungslager gegenseitig „trotz allem“ immer wieder wünschten.

Ende des Krieges. Bedingungslose Kapitulation. Es ist Unvorstellbares geschehen und zu Ende gegangen. In allem Leid – ein Fest der Freude, der Freude Raum geben! Vor vielen Jahrhunderten wurde der Gedanke erstmals niedergeschrieben: „Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen.“ Was gibt es also Wichtigeres, als gemeinsam an einer Gesellschaft der Menschlichkeit zu arbeiten? Und immer wieder das Fest der Freude zu feiern.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune