21. Okt. 2015

PVA: „Kur neu“ wird gut angenommen

Die Pilotphase des reformierten Kurheilverfahrens „Gesundheitsvorsorge aktiv“ der PVA soll bis Ende 2016 verlängert werden. MT sprach mit Dr. Gudrun Seiwald, seit März 2015 Chefärztin der PVA, über Kuren, Reha und Invaliditätspension.

Seit 1. Jänner 2014 läuft ein Pilotprojekt der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) unter dem Titel „Gesundheitsvorsorge aktiv“ in acht Gesundheitsbetrieben österreichweit. Es handelt sich dabei um ein neues Kurheilverfahrensmodell, dessen Schwerpunkte auf Maßnahmen liegen, die Versicherte bei einer notwendigen Lebensstilmodifikation unterstützen. Welche Erfahrungen konnten Sie bisher damit sammeln?

Seiwald: Die Ergebnisse einer ersten Zwischenevaluierung liegen zwar erst Ende Oktober vor, doch es wurden natürlich immer wieder Befragungen der Patienten innerhalb der Einrichtungen durchgeführt. Der erste Eindruck ist positiv: Das Angebot wird großteils sehr gut angenommen. Es gibt natürlich schon auch immer wieder Patienten, die sich etwas anderes von ihrem Aufenthalt erwartet hätten. Aber das ist ja bei der herkömmlichen Kur nicht anders. Besonders positiv wird der modulare Aufbau der Gesundheitsvorsorge aktiv gesehen, weil speziell auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten eingegangen werden kann.

Können Sie uns diesen modularen Aufbau kurz erklären?

Seiwald: Es gibt ein Basismodul für alle Patienten. Daran schließt eine weitere schwerpunktmäßige Behandlung in Form eines individuellen Moduls an. Der zuständige Kurarzt entscheidet gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten, ob der Fokus stärker auf Ernährung, auf Bewegung oder auf mentaler Gesundheit liegt. Die Schulungen werden dementsprechend angepasst. Ganz wesentlich ist, dass statt vieler passiver Therapien die aktiven Therapien vermehrt gefördert werden.

Hat sich für die antragstellenden Ärzte etwas verändert?

Seiwald: Nein. Sie suchen weiterhin um Kur für ihre Patienten an. Die einzelnen Landesstellen entscheiden dann, ob ein Patient für die Gesundheitsvorsorge aktiv infrage kommt. Es nehmen am Pilotprojekt ja nur ASVG-versicherte Patienten der Altersstufe zwischen 30 und 55 teil, die gesundheitliche Schwierigkeiten mit dem Bewegungs- und Stützapparat haben und die noch nie vorher auf Kur waren.

Wie viele Versicherte nahmen bislang an der Gesundheitsvorsorge aktiv teil? Werden sie vorab darüber informiert?

Seiwald: Bis dato nahmen zirka 9550 Personen teil. Die Patienten werden prinzipiell darauf hingewiesen, dass sie an einem neuen Programm teilnehmen. Es zeigt sich aber, dass die meisten sich nicht wirklich viel darunter vorstellen können. Was sie am ehesten bemerken, ist: Da wir bisher nur acht Einrichtungen haben, wo wir die Gesundheitsvorsorge aktiv anbieten, können Patientenwünsche hinsichtlich des Standorts der Einrichtung nicht immer berücksichtigt werden.

Würden bereits mehr Einrichtungen das neue Programm anbieten wollen?

Seiwald: Ja. Von den involvierten Betrieben wird die Gesundheitsvorsorge aktiv sehr positiv aufgenommen. Das spricht sich herum und ist der Grund dafür, warum andere Einrichtungen das Programm auch gerne anbieten würden. Solange wir jedoch keine endgültigen Evaluierungsergebnisse haben und damit noch von einem Pilotprojekt sprechen, können wir nicht einfach weitere Anbieter hinzunehmen. Das Projekt war eigentlich bis Ende dieses Jahres befristet. Da eine endgültige Evaluierung aber erst Mitte 2016 vorliegen wird und im Anschluss noch Nachbesserungen notwendig sein werden, verlängern wir den Probebetrieb bis Ende 2016 in den acht Betrieben.

Welche Nachbesserungen könnten notwendig sein?

Seiwald: Wir müssen die Ergebnisse abwarten, um dazu mehr sagen zu können. Schon jetzt gehört haben wir aber z.B.: Wenn Patienten mit chronischen Schmerzen in die Bewegungsschiene einsteigen, tut ihnen zu viel Bewegung oft nicht gut bzw. sie hatten andere Vorstellungen. Denkbar wäre, dass wir auf ein viertes Modul setzen, das mehr auf chronische Schmerzen eingeht.

Allerdings bin ich eher der Meinung, dass betroffene Patienten oft besser auf Reha geschickt werden sollten: Es müsste im Vorfeld noch differenzierter entschieden werden, in welches Angebot die Patienten hineingeschleust werden. Wobei die Gesundheitsvorsorge aktiv – was die Therapieminuten im dreiwöchigen Aufenthalt betrifft – mit mindestens 1400 Therapieminuten ja zwischen der üblichen Kur mit 950 und 1200 Therapieminuten und der Rehabilitation liegt.

Glauben Sie, summa summarum, mit der „Kur neu“ am richtigen Weg zu sein?

Seiwald: Ja. Wir müssen den Menschen in den drei Wochen ihres Aufenthalts vermitteln, dass sie selbst für ihre Gesundheit verantwortlich sind. Wir wollen ihnen einen Anstoß geben, aktiv ihren Lebensstil zu ändern bzw. ändern zu wollen. Wann wird man schon drei Wochen aus dem Alltag herausgenommen, um sich wirklich mit sich selbst, mit seiner Gesundheit auseinandersetzen zu können?

Spannend ist zu beobachten, dass sich immer wieder kleine Gruppen von Personen bilden, die gemeinsam aktiv sind. Und die sich sogar nach den drei Wochen weiterhin treffen, um z.B. in der Freizeit miteinander walken oder laufen zu gehen. In der Gruppe motiviert man sich leichter! Die PVA unterstützt auch Bewegungsangebote danach. Ganz klar ist, dass das Nachsorgesystem noch sehr stark ausgebaut werden muss.

Gibt es auch bei der Medizinischen Rehabilitation Neuerungen?

Seiwald: Wir sind aktuell dabei, auch die medizinische Rehabilitation neu zu überdenken. Es wird in Zukunft nicht genügen, die Patienten körperlich wieder fit zu bekommen. Sondern es wird verstärkt auch darum gehen müssen, sie wieder fit für ihren Beruf zu machen. Deshalb werden wir über kombinierte Möglichkeiten – also beruflich und medizinisch integrierte Rehabilitation – nachdenken müssen. Auch in der Reha muss mehr auf die speziellen Bedürfnisse der Patienten eingegangen werden.

Gibt es dazu bereits Projekte?

Seiwald: Im Kopf schon, aber noch nicht in Umsetzung. Innerhalb meiner Abteilung der PVA sind wir immer bemüht, neue Gedanken zuzulassen. Dadurch, dass wir selbst 15 stationäre und zwei ambulante Reha-Einrichtungen haben, können wir neue Ideen in unseren eigenen Häusern relativ unkompliziert ausprobieren. Das ist spannend! Im kommenden Jahr werden wir uns z.B. die Leistungsprofile der Einrichtungen und die Ergebnisqualität noch genauer anschauen müssen.

Welche Erwartungen haben Sie an die Ärzte als Unterstützer bei der Antragstellung für Kur bzw. Reha?

Seiwald: Unser Ziel wird sein müssen, die Kollegen im niedergelassenen Bereich noch deutlich besser über den Unterschied zwischen Kur und Reha aufzuklären. Im Krankenhaus, nach einem akuten Geschehen, ist für die Ärzte klar, dass Patienten ein sogenanntes Anschlussheilverfahren brauchen und man sie auf Reha schickt. Im niedergelassenen Bereich wird jedoch meist prinzipiell ein Kurantrag gestellt. Es wird gar nicht dran gedacht, dass ein Reha-Antrag vernünftiger sein könnte, wenn der Patient deutliche gesundheitliche Probleme hat.

Die Kollegen müssten auch dazu animiert werden, die Anträge genauer auszufüllen. Denn bei unzureichend ausgefüllten Anträgen tun sich die Verantwortlichen in den Landesstellen schwer zu entscheiden, was für den Patienten gut ist. Die Landesstellen bestellen zwar auch ungefähr ein Fünftel der Patienten ein für eine Begutachtung nach Antrag auf eine Kur oder Reha. Aber in Wahrheit wäre natürlich wichtig, dass wir von vornherein bessere Anträge bekommen.

Für die Änderungen bei Kur und Reha sind auch Neuerungen bei der Invaliditätspension seit Anfang 2014 die Auslöser gewesen. Es gibt jetzt für unter 50 Jährige statt einer Invaliditätspension ein sogenanntes Reha-Geld, um krankheitsbedingte Frühpensionierungen zu vermeiden. Wie hat sich das bisher bewährt?

Seiwald: Das Reha-Geld soll und muss ja für die medizinische und berufliche Rehabilitation verwendet werden. Es ist noch zu früh, um Genaueres dazu zu sagen. Aber ich denke, mit der medizinisch, beruflich kombinierten Reha sollte es schon gelingen, viele Patienten wieder in den Beruf zu integrieren und damit vorzeitige Pensionierungen zu reduzieren.

Eine Zusammenarbeit mit Ärzten gibt es auch bei der Erhebung des Pflegebedarfs. Sehen Sie in diesem Kontext Verbesserungsbedarf?

Seiwald: Die Zusammenarbeit funktioniert gut, Verbesserungsmöglichkeiten gibt es trotzdem immer. Für alle, die Pflegegutachten erstellen, egal ob Ärzte oder Pflegepersonen, sind Schulungen vorgesehen. Die Gesellschaft der Gutachterärzte Österreichs ist sehr um Qualitätsverbesserungen und Vereinheitlichungen bemüht. Wenn man sich als Arzt an die Vorgaben und Richtlinien hält und die notwendigen Schulungen absolviert, wird man auch gute Gutachten erstellen.

Zur Person:
Dr. Gudrun Seiwald ist seit 16. März 2015 Chefärztin der Pensionsversicherungsanstalt. Nach ihrer Ausbildung zur Ärztin für Allgemeinmedizin absolvierte sie die Ausbildung zur FÄ für Neurochi­rurgie an der Universitätsklinik Innsbruck und war dann viele Jahre für die AUVA im Reha-Zentrum Bad Häring und als stv. ärztliche Direktorin tätig.

www.pensionsversicherung.at

Folgende acht Einrichtungen bieten die Gesundheitsvorsorge aktiv an:

Alpenmoorbad Strobl (Sbg.)
GesZ Bad Sauerbrunn (Bgld.)
HUMZ Althofen (Ktn.)
KRZ Moorbad Harbach (NÖ)
KB Tatzmannsdorf (Bgld.)
KH Bad Gleichenberg (Stmk.)
Kurzentrum Umhausen (T)
Thermalhotel Fontana (Stmk.)

 

 

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune