6. März 2023Gutes Klima für Vektoren

Der Einfluss der Erderwärmung auf Malaria, Dengue & Zika

Durch den Klimawandel verändern sich die bisherigen Verbreitungsgebiete vieler vektorvermittelter Erkrankungen. Und das zum Teil so stark, dass einige in Gebieten heimisch werden, in denen sie vorher nur als Reisekrankheit galten. Welche Konsequenzen hat das für Europa und für andere Regionen der Welt?

Ein Anstieg der Durchschnittstemperatur, kaum Frost im Winter und eine verlängerte Übertragungssaison sind nur einige der Veränderungen, die in den kommenden Jahrzehnten zu einer deutlichen Ausbreitung von vektorgebundenen Infektionskrankheiten führen werden. Prof. Dr. Madeleine Thomson vom Wellcome Trust in London und Prof. Dr. Lawrence Stanberry von der Columbia-Universität in New York erwarten u.a. die Zunahme von Malaria, Borreliose, Dengue- und West-Nil-Fieber, sodass entsprechende Kontrollstrategien angepasst und intensiviert werden müssen.

Malaria

Ausgelöst durch Plasmodium-Spezies und übertragen durch infizierte weibliche Anopheles-Mücken, fordert Malaria jährlich hunderttausende Tote vor allem in Afrika – viele davon Schwangere und Kinder. In Kolumbien und Äthiopien trug der Temperaturanstieg um 0,2 ° C binnen zehn Jahren die Malaria in höhere Regionen und erweiterte damit ihr Verbreitungsgebiet. Allerdings kann der Klimawandel je nach Region zu gegenläufigen Ergebnissen führen: Häufigere Dürren schienen andernorts die Prävalenz der Erkrankung auf lange Sicht sogar eher zu reduzieren.

Dengue-Fieber und Zika

Das Dengue-Fieber ist eine Viruserkrankung, die vor allem durch die Mückenarten Aedes aegypti und Aedes albopictus übertragen wird. In den letzten Jahrzehnten haben u.a. globaler Handel und Reisetätigkeit die Expansion der Erkrankung befeuert. Brutstätten sind z.B. mit Regenwasser gefüllte Astlöcher, Töpfe oder herumliegende Autoreifen. Flutkatastrophen begünstigen großflächig die Ausbreitung von Dengue.

Geschätzt kommt es jedes Jahr zu 390 Millionen Dengue-Fällen in über 100 Ländern. Dabei wird die Arbovirose nicht mehr zwangsläufig aus fernen Regionen importiert: 2010 gab es Übertragungen innerhalb Frankreichs und Kroatiens. Schuld an der Ausbreitung ist nicht zuletzt der Umstand, dass das Virus vom infizierten Muttertier auf die Eier übergeht. Und diese können auch sehr trockene Perioden unbeschadet überstehen.

Auch das Zika-Virus wird primär über Aedes-Mücken übertragen. Zuletzt machte es durch den Ausbruch 2015 in Brasilien von sich reden. Die ungewöhnlich hohen Temperaturen und die Dürre während des damaligen El Niño begünstigten den Ausbruch. Das erscheint paradox, jedoch lagern bzw. sammeln viele Menschen während einer Dürre Wasser in Behältern – ideale Brutstätten für die Mücken. Zudem kommt es durch die Trockenresistenz der Eier bei Regenfällen nach einer Dürreperiode zu einer massiven Vermehrung der Moskitos.

Borreliose

Für die Borreliose sind verschiedene Bakterien der Gruppe Borrelia burgdorferi verantwortlich. Die von Zecken der Gattung Ixodes übertragene Erkrankung hat eine geschätzte weltweite Seroprävalenz von 14,5 % und ist hierzulande besonders häufig. Durch wärmere Temperaturen dringen die Vektoren in nördlichere Länder wie Norwegen oder Kanada vor. In einigen Regionen, in denen die Erkrankung bereits bekannt war, verzeichnete sie in den letzten Jahren eine kräftige Zunahme. Dies liegt nicht zuletzt an einer Verlängerung der warmen Jahreszeit, in der Menschen üblicherweise mit Zecken in Kontakt kommen.

Vektorerkrankungen, die künftig in Europa Fuß fassen könnten
Erkrankung
Erreger
Vektor
Malaria
verschiedene Spezies der Gattung Plasmodium (einzellige Parasiten)
diverse Mückenarten der Gattung Anopheles
Dengue-Fieber
Dengue-Virus (Arbovirus)
Mücken, v.a. Aedes aegypti und A. albopictus
Zika-Fieber
Zika-Virus (Arbovirus)
Mücken, v.a. Aedes aegypti und A. albopictus
West-Nil-Fieber
West-Nil-Virus (Arbovirus)
diverse Mückenarten v.a. der Gattung Culex

West-Nil-Fieber

Wie vereinzelte Fälle gezeigt haben, kann eine Infektion mit dem West-Nil-Virus tödlich enden. Der Erreger wird durch mehr als 65 Stechmückenarten übertragen, darunter die bei uns heimische Gattung Culex. Bereits 2010 kam es im Rahmen von Hitzewellen in Europa zum gehäuften Auftreten der Erkrankung. Zudem berichteten Forscher, dass das Virus hierzulande in Mücken überwintern kann. Hitzewellen und mildere Winter könnten zu einer Zunahme der Erkrankung in Europa führen.

Gesundheitswesen und Politik sind weltweit gefordert, Programme zur Überwachung von Infektionskrankheiten zu etablieren, langfristig zu finanzieren und das öffentliche Bewusstsein zu stärken. Malaria ist ein gutes Beispiel dafür, wie gefährlich Nachlässigkeit sein kann, betonen die Autoren. Denn nachdem die Finanzierung von Programmen zur Infektionsbekämpfung nachgelassen habe, sei Malaria nun wieder auf dem Vormarsch. Ein zusätzliches Problem stellt die erhöhte Resistenz gegen Malaria-Medikamente dar. Ein Impfstoff zeigte in der Vergangenheit nur begrenzt Wirkung. Doch in einer aktuellen Phase-II-Studie konnte die Infusion von monoklonalen Antikörpern die Infektion sechs Monate lang verhindern. Impfungen gegen Borreliose und Dengue werden aktuell in Phase-III-Studien getestet.

Den Autoren zufolge spielt das Gesundheitswesen eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen. Dabei geht es nicht nur darum, den Anteil von etwa 5 % an den weltweiten CO2-Emissionen zu senken und klimafreundlicher zu werden. Aufgrund des hohen Ansehens der Ärzteschaft habe ihr Engagement besonderes Gewicht.

Im Praxisalltag kommen auf Mediziner nun einige Herausforderungen zu. So ist die Diagnose von Vektorerkrankungen aufgrund der meist unspezifischen Symptome schwierig. Bei Patienten mit akuten febrilen Beschwerden sollte die Option aber künftig in Betracht gezogen werden. Elementar wird zudem die Prävention sein. Dazu gehört beispielsweise, Patienten über die Aktivitätszeiten von Zecken und die Gefahren eines Stichs aufzuklären sowie sie hinsichtlich einer FSME-Impfung zu beraten.

Thomson MC, Stanberry LR. N Engl J Med 2022; 387: 1969–1978

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune