24. Nov. 2021Covid-19 Update 24.11.2021

Hinweise auf Kreuzimmunität; sehr hohe Infektionsrate bei Sechs- bis 14-Jährigen

+++ Kreuzimmunität zwischen SARS-CoV-2 und anderen Coronaviren – Coronavirus grassiert vor allem unter Sechs- bis 14-Jährigen – ECDC empfiehlt allen Erwachsenen Drittimpfung – 70 Prozent zumindest einmal geimpft, Erstimpfungen sinken – Biontech-Gründer glaubt an jährliche Auffrischungsimpfungen +++

Coronavirus Warnung
GettyImages-1201383916

Kreuzimmunität zwischen SARS-CoV-2 und anderen Coronaviren

Zwischen in der Menschheit seit Langem als Erreger von Husten, Schnupfen, Heiserkeit vorkommenden Coronaviren und SARS-CoV-2 besteht eine offenbar enge Verbindung. Eine Infektion mit den bekannten harmlosen saisonalen Coronaviren dürfte zumindest vorübergehend vor Covid-19 schützen. Neue Hinweise für kreuzreaktive Antikörper hat jetzt ein Schweizer Wissenschafterteam gefunden.

SARS-CoV-2 ist nicht das einzige Coronavirus, das beim Menschen vorkommt. Vier ähnliche Viren – OC43, HKU1, NL63 und 229E – sind klassische Erreger von saisonal auftretenden Erkältungen. "Betroffen sind vor allem Kinder in den ersten Lebensjahren. Später stellt sich eine Immunität ein, die Erwachsene vor den für sie möglicherweise schwereren Erkrankungen schützt", schrieb das deutsche Ärzteblatt zu den wissenschaftlichen Ergebnissen.

Die entsprechende Studie der Züricher Wissenschafterin Alexandra Trkola ist vor wenigen Tagen in "Nature Communications" erschienen (https://www.nature.com/articles/s41467-021-27040-x). In dieser Studie wurde der Einfluss einer Immunität gegen die "alten" Coronaviren auf das Infektionsrisiko durch SARS-CoV-2 und das Erkrankungsrisiko an Covid-19 untersucht. Das Autorenteam von der Universität Zürich untersuchte mit einem speziell entwickelten Test die Menge an unterschiedlichen Antikörpern gegen die seit Langem bekannten, beim Menschen vorkommenden saisonalen Coronaviren im Serum von 825 Blutspendern aus der Zeit vor dem Auftreten von SARS-CoV-2. Verglichen wurden sie mit 389 Proben von Spendern, die an Covid-19 erkrankt waren.

"Die Forscher konnten zeigen, dass Personen, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert hatten, geringere Mengen an Antikörpern gegen die Erkältungs-Coronaviren hatten. Zudem mussten SARS-CoV-2-Infizierte mit hohen Antikörperwerten gegen die harmlosen Coronaviren weniger häufig hospitalisiert werden", hieß es in einer Aussendung der Schweizer Universität.

Studienautorin Trkola kommentierte die Resultate so: "Laut unseren Ergebnissen führt eine stärkere Antikörperreaktion gegen humane Coronaviren auch zu höheren Antikörpermengen gegen SARS-CoV-2. Eine Person, die gegen harmlose Coronaviren eine Immunität hat, ist somit auch besser vor schweren Verläufen bei einer SARS-CoV-2-Infektion geschützt." Nicht nur bei Antikörpern als einem Teil der Immunreaktion tritt diese Kreuzreaktivität auf. Das Gleiche trifft offenbar auch auf die Immunreaktion von T-Zellen zu, dem zweiten Pfeiler des menschlichen Immunsystems. Spezifisch gegen Coronavirus-infizierte Zellen agierende Immunzellen bekämpfen auch SARS-CoV-2.

Auf eine solche Immunreaktion verlassen sollte man sich aber keinesfalls. Die Covid-19-Impfung wirkt da viel besser. Die Antikörper gegen die harmlosen Coronaviren verschwinden nämlich wieder. "Aber obwohl der Schutz nicht komplett ist, verkürzen Kreuzreaktionen den Krankheitsverlauf und mildern dessen Schwere. Und genau das erreichen wir ja auch mit den Impfungen, nur viel, viel effizienter", betonte die Wissenschafterin.

Offen ist, ob diese Kreuzreaktivität auch umgekehrt funktioniert. Ob also eine Immunität gegen SARS-CoV-2, bspw. durch eine Impfung, vor anderen menschlichen Coronaviren schützt. "Sollte eine SARS-CoV-2-Immunität auch einen gewissen Infektionsschutz vor anderen Coronaviren bieten, würden wir einem umfassenden Schutz gegen Coronaviren, also auch neu auftretenden Varianten, einen großen Schritt näherkommen", wurde die Züricher Virologin von ihrer Universität zitiert. Für diese Annahme spricht jedenfalls, dass eine kreuzreaktive Schutzwirkung eben nicht nur auf Antikörpern basiert, sondern sehr wahrscheinlich auch auf T-Zellen. (APA)

Coronavirus grassiert vor allem unter Sechs- bis 14-Jährigen

Was die Verbreitung des Coronavirus in den einzelnen Altersgruppen betrifft, gehen in Österreich die Infektionszahlen bei den Sechs- bis 14-Jährigen durch die Decke. Das belegt das Datenmaterial der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Demzufolge ist die Sieben-Tage-Inzidenz in der vergangenen Woche (15. bis 21. November) auf 2.425,6 gesprungen.

Das entspricht einer Zunahme der Inzidenz bei den Sechs- bis 14-Jährigen um 59,75 Prozent innerhalb einer einzigen Woche und einem Plus von 99,74 Prozent innerhalb der letzten 14 Tage. Die Sechs- bis 14-Jährigen sind damit in dieser Hinsicht inzwischen mit deutlichem Abstand die am stärksten von Corona-Infektionen betroffene Altersgruppe. Das ist insofern von Bedeutung, als sich der mit Montag (22.11.) in Kraft getretene bundesweite Lockdown nicht auf Schulen bezieht. Diese bleiben grundsätzlich geöffnet. Bezogen auf ganz Österreich dürften rund drei Viertel der Schüler am Montag zum Unterricht in den Bildungseinrichtungen erschienen sein.

Von sämtlichen in der Vorwoche behördlich bestätigten Infektionen waren 18,9 Prozent den Sechs- bis 14-Jährigen zuzurechnen. Sie waren mit 18.542 Fällen damit auch in absoluten Zahlen die am stärksten betroffene Gruppe. Danach folgten die 35- bis 44-Jährigen mit 16.386 Infektionen (16,7 Prozent) und die 45- bis 54-Jährigen mit 14.589 Infektionen (14,8 Prozent).

Auf die Sechs- bis 14-Jährigen folgen bei den aktuellen Sieben-Tage-Inzidenzen derzeit die 35- bis 44-Jährigen mit 1.382,6 Fällen je 100.000 Einwohner (plus 32,05 Prozent gegenüber dem Wert der Vorwoche) und die 15- bis 24-Jährigen mit 1.321,0 (plus 5,38 Prozent). Bei Inzidenzen unter 500 liegen die Generation 85-plus (434,2), die 75- bis 84-Jährigen (465,5) und Kinder, die jünger als sechs Jahre sind (482,5).

In diesem Zusammenhang interessant sind naturgemäß die Durchimpfungsraten in den einzelnen Altersgruppen. Von den Zwölf- bis 14-Jährigen haben derzeit 36,17 Prozent ein gültiges Impfzertifikat, von Kindern unter zwölf, die derzeit nur "off label" gegen Covid-19 geimpft werden, 0,32 Prozent. Die 15- bis 24-Jährigen weisen eine Durchimpfungsrate von 64,01 Prozent auf, die 25- bis 34-Jährigen kommen auf 64,79 Prozent und die 35- bis 44-Jährigen auf 69,73 Prozent. Von den Senioren im Alter ab 75 sind mittlerweile über 90 Prozent vollimmunisiert.

Die europäische Arzneimittelbehörde EMA wird voraussichtlich am Donnerstag, 25.11., über die Zulassung des Corona-Impfstoffes der Hersteller Biontech/Pfizer für Kinder ab fünf Jahren entscheiden. (APA)

ECDC empfiehlt allen Erwachsenen Drittimpfung

Die Europäische Gesundheitsbehörde ECDC empfiehlt nun auch allen Erwachsenen Auffrischimpfungen gegen Covid-19. Vorrang hätten dabei Personen über 40 Jahren, dabei sollten die Booster mindestens sechs Monate nach Abschluss der Grundimmunisierung erfolgen, hieß es am Mittwoch, 24.11., von der Behörde. Die Empfehlungen der ECDC sind für die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten nicht bindend, werden aber für gesundheitspolitische Entscheidungen herangezogen.

In Österreich hatte das Nationalen Impfgremium (NIG) bereits am Montag (22.11.) allen Personen ab 18 Jahren eine Covid-19-Auffrischungsimpfung nach vier Monaten möglich gemacht. Empfohlen wird der dritte Stich in Österreich spätestens sechs Monate nach der zweiten Impfung. (Die Anwendungsempfehlungen des NIG sind unter http://go.apa.at/xOjE7m58 abrufbar.)

Nach Angaben der ECDC mit Sitz in Stockholm steht Europa ohne sofortige Corona-Maßnahmen und höhere Impfzahlen ein schwieriger Winter bevor. Modellierungsszenarien wiesen darauf hin, dass dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Dezember und Jänner eine möglicherweise sehr hohe Krankheitsbelastung durch die Delta-Variante drohe – es sei denn, man wende umgehend sogenannte nicht-pharmazeutische Interventionen (NPI) an, teilte die Behörde am Mittwoch mit. Zu solchen Maßnahmen zählen zum Beispiel Abstand halten und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Gleichzeitig müssten mehr Menschen geimpft werden, hieß es in der neuen Corona-Risikoeinschätzung des ECDC.

Weil die Impfstoffe einen hohen Schutz gegen schwere Krankheitsfolgen bieten, werden Ungeimpfte laut ECDC-Direktorin Andrea Ammon eine große Zahl neuer Krankenhauseinweisungen ausmachen, darunter vor allem Ungeimpfte in Risikogruppen. Die derzeitige Gesamtimpfrate im EWR werde unzureichend sein, um die Belastung durch Corona-Fälle und Einweisungen in den Wintermonaten zu begrenzen. Europa müsse Immunitätslücken in der erwachsenen Bevölkerung schließen.

Nicht ausreichende Impfzahlen und die weitgehende Maßnahmenlockerung haben laut ECDC dazu beigetragen, dass die Corona-Zahlen im Oktober und Anfang November im Großteil der EWR-Länder angestiegen sind. Bisher sind demnach 65,4 Prozent der Gesamtbevölkerung und 76,5 Prozent der Erwachsenen im EWR vollständig gegen Covid-19 geimpft worden. Zum Wirtschaftsraum zählen neben der Europäischen Union außerdem noch Norwegen, Island und Liechtenstein.

70 Prozent zumindest einmal geimpft, Erstimpfungen sinken

Während die Impfungen insgesamt auf Rekordkurs bleiben, gehen die Erstimpfungen wieder zurück. Zwar haben seit Dienstag (23.11.) sieben von zehn Menschen in Österreich zumindest die erste Dosis der Corona-Schutzimpfung erhalten. Täglich werden aber weniger als 14.000 Erststiche durchgeführt. Damit bleiben die in Südeuropa erreichten Durchimpfungsraten um die 80 Prozent außer Reichweite. Dabei zeigt der Bezirksvergleich einen klaren Zusammenhang zwischen Impfbereitschaft und Infektionen.

Am Dienstag wurden laut den vorläufigen Daten des elektronischen Impfregisters 99.966 Menschen in Österreich gegen Covid-19 geimpft. Das ist zwar kein absoluter Rekordwert, aber zumindest an einem Dienstag wurden noch nie so viele Corona-Impfungen durchgeführt. Wie schon in den vergangenen Wochen handelt es sich in den meisten (fast acht von zehn Impfungen) aber um Drittstiche, also Auffrischungsimpfungen. Erstimpfungen gab es am Dienstag nur 11.061.

Im Wochenschnitt ist die Zahl der Erstimpfungen damit von einem Höchstwert knapp unter 20.000 Mitte November weiter auf nur noch knapp unter 14.000 gesunken. Somit ist der Anteil der Bevölkerung mit zumindest einer ersten Impfdosis seit Ende Oktober von 65 auf 70 Prozent gestiegen. Der nächste Zehnerschritt bleibt angesichts des sinkenden Impftempos aber außer Reichweite. Selbst wenn weiterhin 14.000 Erstimpfungen pro Tag durchgeführt würden, wären die 80 Prozent der Bevölkerung erst in frühestens zwei Monaten erreicht.

Weiterhin gibt es starke regionale Unterschiede bei der Impfbereitschaft. Am niedrigsten ist sie nach wie vor in Oberösterreich, Salzburg, Vorarlberg und Kärnten mit 67 Prozent oder weniger. Der oberösterreichische Bezirk Braunau ist mittlerweile der einzige Bezirk mit einer Erstimpfungsrate von weniger als 60 Prozent (59,2), danach folgen Spittal an der Drau (Kärnten) und Hallein (Salzburg) mit knapp 62. Im Burgenland, in Niederösterreich und in der Steiermark haben dagegen bereits mehr als sieben von zehn Einwohnern zumindest ihre erste Dosis erhalten. Am höchsten ist die Impfbereitschaft in Oberpullendorf (Burgenland) und Mistelbach (NÖ) mit über 78 Prozent.

Deutliche Unterschiede gibt es auch unter den Wiener Bezirken. Hier sind zwischen 75 Prozent im wohlhabenden Innenbezirk Neubau und 64 Prozent im traditionellen Arbeiter- und Migrantenbezirk Favoriten geimpft.

Der Bezirksvergleich zeigt auch einen Zusammenhang deutlich: je geringer die Impfbereitschaft in einem Bezirk, desto größer die Zahl der Neuinfektionen. Während unter den 15 Bezirken mit der höchsten Impfbereitschaft nur ein einziger (Mattersburg) eine Sieben-Tage-Inzidenz von knapp über 1.000 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner aufweist, ist es bei den 15 Bezirken mit der niedrigsten Durchimpfung umgekehrt. Hier liegt nur ein Bezirk (Feldkirchen) knapp unter 1.000. In fünf dieser Bezirke liegt die Sieben-Tage-Inzidenz sogar über 2.000. Separate Angaben über die Neuinfektionen in den Wiener Stadtvierteln liegen öffentlich nicht vor. (APA)

Biontech-Gründer glaubt an jährliche Auffrischungsimpfungen

Biontech-Chef Ugur Sahin hält es für wahrscheinlich, dass in Zukunft jährliche Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus ausreichend sein könnten. Die nun begonnenen Drittimpfungen würden den mit der Zeit nachlassenden Schutz wieder anheben, sagte Sahin der "Bild am Sonntag". Er erwarte, dass er länger anhalten werde "als der Schutz nach der Doppelimpfung". Nachfolgende Auffrischungsimpfungen seien dann "vielleicht nur jedes Jahr – ähnlich wie bei Influenza" nötig.

Sahin sagte der Zeitung, dass die Abnahme des Impfschutzes "ab dem vierten Monat" beginne. Kürzlich veröffentlichte Studien zeigten aber, dass der Schutz vor einer schweren Erkrankung noch bis zum neunten Monat sehr hoch sei.

Der Biontech-Mitbegründer sprach sich für Auffrischungsimpfungen aus: "Ein Booster schützt zum einen den Geimpften sehr gut vor Erkrankung, er hilft aber auch, weitere Ansteckungsketten zu unterbrechen." Das könne beim Umgang mit der Pandemie im anstehenden schwierigen Winter helfen. (APA/AFP)