29. Juli 2020Frühsommer-Meningoenzephalitis

Leitlinien-Update zur FSME

Foto: Antagain/Gettyimages

Eine vollständig überarbeitete S1-Leitlinie zur Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) wurde von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) herausgegeben. Die Leitlinie beschreibt das Infektionsrisiko und den Krankheitsverlauf der FSME und gibt Empfehlungen zu Diagnostik, Therapie und Impfung. (CliniCum neuropsy 2/20)

Die FSME ist eine akute Entzündung des Gehirns, der Hirnhäute und des Rückenmarks, die durch das FSME-Virus verursacht wird.1 Dieses Virus aus der Familie der Flaviviridae gehört zur Gruppe der behüllten einzelsträngigen RNA-Viren positiver Polarität. Das Reservoir für die FSME-Viren sind vor allem kleine Nagetiere in Wald und Wiesen, gemäß neuer Studien selten auch Igel oder Nutztiere (Rind, Schaf, Ziege).

Infektionswege und Erkrankungsrisiko

Die Übertragung von den Tieren auf Menschen erfolgt hauptsächlich durch Zecken (Ixodida sp.). Zudem kann die Virusübertragung sporadisch auch durch den Verzehr von Rohmilchprodukten, insbesondere aus Ziegen- oder Schafmilch, erfolgen.Auch FSME-Infektion durch Organtransplantation mit fulminantem, auch tödlichem Verlauf wurde beschrieben. Die an FSME-Erkrankten selbst sind für andere Menschen nicht ansteckend. Die FSME-Virus-übertragenden Zecken kommen in weiten Teilen Europas und in Asien vor. Die Gebiete, in welchen sich Personen mit dem FSME-Virus infiziert haben, haben sich über die letzten 20 Jahre ausgeweitet. Eine Karte der europäischen Risikogebiete für die Zeckenenzephalitis kann unter „www.zecken.de/de/fsme/fsmerisikogebiete-europa“ aufgerufen werden.

Österreich gehört zu den am stärksten von der FSME betroffenen Ländern in Zentraleuropa.2 Mehr als 90 Prozent der FSME-Infektionen werden während der Freizeit erworben. Die adulten Zecken als Hauptüberträger der FSME finden sich meist in bodennaher Vegetation sowie in losem Laub bis ca. 1.500m ü.M.; sie sind bei Temperaturen oberhalb von 6–8°C und hoher lokaler Luftfeuchtigkeit aktiv. Das Erkrankungsrisiko ist in Österreich deshalb vom Frühjahr bis Spätherbst, vor allem aber in den warmen Sommermonaten, hoch.2 Der Prozentsatz der Zecken, die das FSME-Virus beherbergen, kann in benachbarten Naturherden sehr unterschiedlich sein; er variiert etwa zwischen 0,1 und fünf Prozent.3

Deshalb überträgt bei Weitem nicht jeder Zeckenstich das FSME-Virus, und es ist nicht möglich, das Erkrankungsrisiko an FSME nach Zeckenstich zuverlässig abzuschätzen. Nur etwa 30 Prozent der infizierten Menschen entwickeln in der Folge auch die Symptome der FSME, und nur zehn Prozent der FSME-Kranken entwickelt die meningoenzephalomyelitische Phase. Die variablen Krankheitsverläufe lassen sich sowohl durch Unterschiede in der Anzahl und Virulenz der übertragenen Viren als auch im individuellen Abwehrverhalten erklären. Männer erkranken etwa doppelt so häufig wie Frauen. Ein höheres Alter (>60 Jahre) ist ein Risikofaktor für einen schweren Verlauf und das Auftreten bleibender Defizite. Patienten unter Immunsuppression, z.B. durch Rituximab, haben ein höheres Risiko für einen ungünstigen Verlauf mit zum Teil tödlichem Ausgang. Weiterhin hängen das Erkrankungsrisiko, der klinische Verlauf und die Prognose einer FSME-Virusinfektion wahrscheinlich auch von genetischen Faktoren ab; bestimmte Einzelnukleotid-Polymorphismen in menschlichen Genen können den Verlauf der FSME ungünstig beeinflussen.

Symptome und Krankheitsverlauf

Der Zeckenstich als Auslöser der FSME bleibt oft unbemerkt; innerhalb der ersten Stunden nach dem Stich erfolgt die virale Infektion. Nur etwa 30 Prozent der Infizierten bemerken in der Folge Symptome der FSME. Bei diesen Erkrankten ergibt sich in ca. 70 Prozent der Fälle ein zweigipfliger Fieberverlauf: Nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich ca. zehn Tagen (5–28) kommt es zunächst zu einer etwa einwöchigen Prodromalphase mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, Fieber und gelegentlich auch Bauchschmerzen. Nach vorübergehender Besserung leitet ein erneuter Fieberanstieg wenige Tage später den Beginn der zweiten Krankheitsphase ein. Diese stellt sich in etwa der Hälfte der Fälle als isolierte Meningitis dar, bei ca. 40 Prozent als zusätzliche Hirnentzündung (Meningoenzephalitis) und bei ca. zehn Prozent als zusätzliche Rückenmarksentzündung (Meningoenzephalomyelitis).

In einigen Fällen kann das Fieber einziges klinisches Merkmal der FSME sein. Die typischen Symptome der FSME sind im Kasten unten zusammengefasst. Die klinische Symptomatik beider rein meningitischen Verlaufsform der FSME unterscheidet sich nicht wesentlich von anderen viralen Hirnhautentzündungen; das Allgemeinbefinden ist jedoch häufig stärker beeinträchtigt, und die Kopfschmerzen und das Fieber sind oft sehr ausgeprägt. Bei der Meningoenzephalitis stehen die Ataxie, die Bewusstseinsstörungen sowie Lähmungen von Extremitäten und Hirnnerven im Vordergrund. Die Meningoenzephalomyelitis manifestiert sich primär im Bereich der Vorderhörner und geht daher mit schlaffen Lähmungen der Muskulatur der Extremitäten einher; das klinische Bild ähnelt der Poliomyelitis, z.B. mit bibrachialen Paresen und schweren Muskelatrophien.

Typische Symptome der FSME1

  • erhebliche Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens
  • hohes Fieber
  • Kopfschmerzen
  • Gleichgewichtsstörungen
  • qualitative und quantitative Bewusstseinsstörungen (u.a. erhebliche Schläfrigkeit, Desorientiertheit)
  • Lähmungen von Hirnnerven (Gesichtslähmung, Hör-, Schluck- und Sprechstörungen)
  • Lähmungen von Armen und Beinen, oft mit Muskelatrophien
  • Zittern der Gesichtsmuskeln (Myokomien) und der Extremitäten

Durch ein gleichzeitiges Auftreten einer Hirnstammenzephalitis zeigen sich meist auch Schluck- und Sprechstörungen, Lähmungen der Gesichts- und Halsmuskulatur sowie Atemlähmungen. Bei ca. einem Prozent der Patienten mit ZNS-Beteiligung führt die Erkrankung zum Tode. Seltene Formen der FSME sind eine isolierte Myelitis oder Radikulitis sowie Verläufe mit autonomen Regulationsstörungen oder mit anfänglichem Fehlen von Fieber oder einer Pleozytose. Selten treten auch Doppelinfektionen mit dem FSME-Virus und Borrelia burgdorferi auf, die meist schwerwiegend verlaufen. Bei Kindern können nach einer FSME-Infektion grippeähnliche Erscheinungen mit Fieber, Kopfschmerzen und Erbrechen auftreten. Nach einem symptomfreien Intervall kommt es bei sechs bis zehn Prozent zu zentralnervösen Zeichen einer Meningitis mit Apathie, Koma oder Krampfanfällen. Oft ist der Verlauf unkompliziert; enzephalomyelitische Verläufe sind seltener als bei Erwachsenen. Allerdings kann es auch bereits bei Kindern zu lang anhaltenden neurologischen Funktionsstörungen kommen.

Diagnostik

Die Diagnose der FSME basiert auf der Anamnese (Aufenthalt in einem Risikogebiet, Rohmilchverzehr) und klinischen Hinweisen, insbesondere einer Prodromalphase mit grippeähnlichen Symptomen und einer typischen neurologischen Symptomatik mit Kopfschmerzen und Fieber. Gesichert wird die Diagnose durch den Nachweis von FSME-spezifischen IgM- und IgG-Antikörpern im Blut sowie einer Pleozytose im Liquor.

Diagnostik der FSME1

Klinische Hinweise:

  • Aufenthalt in FSME-Risikogebiet und/oder Konsum von Milchprodukten aus unpasteurisierter Milch
  • erheblich reduziertes Allgemeinbefinden mit hohem Fieber und Kopfschmerzen
  • zweigipfliger Verlauf
  • fakultativ neurologische Ausfälle: Vigilanzstörung, Desorientiertheit, Gleichgewichtsstörungen, Lähmungen von Hirnnerven oder Extremitäten, Myokomien (Gesicht, Extremitäten)

Sicherung der Diagnose:

  • FSME-spezifische IgM- und IgG-Antikörper im Serum
  • Liquor-Pleozytose (extrem selten normale Zellzahl)
  • in Zweifelsfällen: erhöhter FSME-spezifischer Antikörper-Index zwei bis vier Wochen nach Symptombeginn

Blutbefunde
Im Blut zeigt sich meist eine Leukozytose mit >10.000 Zellen/μl, eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit und/oder eine Erhöhung des C-reaktiven Proteins. Etwa zwei bis vier Wochen nach Zeckenstich finden sich zunächst FSME-spezifische IgM-Antikörper und etwa ein bis zwei Wochen später auch spezifische IgG-Antikörper. Nur der gleichzeitige Nachweis von IgM- und IgG-Antikörpern gegen das FSME-Virus im Blut beweist bei entsprechender klinischer Symptomatik und nicht erfolgter Impfung gegen FSME die akute Infektion.

Werden zum Zeitpunkt der akuten Erkrankung erhöhte Konzentrationen nur der FSME-spezifischen IgM-, nicht aber der IgG-Antikörper gefunden, können sie als Hinweis (nicht jedoch Beweis) für die Infektion gewertet werden. In diesen Fällen sollte ca. ein bis vier Wochen später eine erneute Bestimmung der IgG-Antikörper zur Diagnosesicherung erfolgen. Isoliert oder nur leicht erhöhte IgM-Antikörper (ohne IgG) finden sich auch als Kreuzreaktion gegen andere Flaviviren oder bei anderweitigen Immunstimulationen und sichern daher nicht die Diagnose. In seltenen Fällen (z.B. bei Immunsuppression oder -defekten) lassen sich keine IgM-Antikörper nachweisen. Dann kann unter anderem der signifikante Konzentrationsanstieg von IgG-Antikörpern nach über zwei Wochen oder die Bestimmung der intrathekalen Synthese FSME-spezifischer IgG-Antikörper im Liquor (Antikörper-Index) zur Diagnosesicherung herangezogen werden.

Bei Patienten, die früher gegen FSME oder andere Flaviviren (Gelbfieber, Dengue, japanische Enzephalitis) geimpft waren oder auch eine Infektion mit Flaviviren durchgemacht haben, ist die Interpretation im Blut nachweisbarer Antikörper gegen das FSME-Virus schwierig. In solchen Fällen kann durch den Nachweis einer intrathekalen Synthese von IgG-Antikörpern im Liquor geklärt werden, ob es sich um eine frische Infektion mit dem FSME-Virus handelt. Lassen sich bei gut begründetem Verdacht auf eine FSME im Serum keine spezifischen Antikörper nachweisen, sollte die Untersuchung mit dem Test eines anderen Herstellers wiederholt werden, denn sowohl falsch positive als auch falsch negative Testergebnisse sind beschrieben.

Liquorbefunde
Bei den allermeisten Patienten mit einer FSME findet sich anfangs eine granulozytäre, später lymphozytäre Pleozytose. Auch ist zwei bis drei Wochen nach Erkrankungsbeginn der FSME-spezifische Liquor/Serum-Antikörper-Index beim Großteil der Patienten erhöht. Der FSME-RNA-Nachweis im Liquor mittels PCR ist meist nur in der Frühphase der Erkrankung von Nutzen, wenn noch keine Antikörper nachweisbar sind und die Pleozytose im Liquor noch fehlt. Allerdings schließt ein negativer Befund eine FSME-Infektion nicht aus.

Differenzialdiagnose
Die ebenfalls von Zecken übertragene Neuroborreliose geht nur selten mit hohem Fieber und schweren akuten Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens wie bei der FSME einher. Kopfschmerzen sind bei Erwachsenen mit Neuroborreliose eher selten (bei Kindern dagegen ebenfalls häufig), dafür stehen Schmerzen in den Extremitäten oder Rumpfbereich im Vordergrund. Sensible Störungen sind bei der FSME sehr selten, bei der Neuroborreliose dagegen häufig. Probatorisch sollte mit Antibiose behandelt werden, bis eine FSME-Diagnose gesichert ist. Die Abgrenzung gegenüber der Herpesenzephalitis (HSE) erfolgt über die Kernspintomographie des Gehirns mit Nachweis typischer Veränderungen im Temporalbereich bei der HSE, sowie über die PCR für HSV im Liquor. Bis zur Diagnosesicherung sollte vorsichtshalber gegen eine HSE behandelt werden (Aciclovir). Die Abgrenzung gegenüber anderen Erregern der Meningoenzephalitis (z.B. Enteroviren) kann über die Serologie und den Erregernachweis erfolgen.

Therapie

Bei Verdacht auf FSME sollten die Patienten wegen des Risikos einer raschen dramatischen Verschlechterung immer stationär eingewiesen werden. In den ersten 72 Stunden nach der Verdachtsdiagnose sollte alle sechs Stunden der neurologische Befund und die Vitalkapazität überprüft werden, denn es besteht die Möglichkeit einer fulminanten Entwicklung einer Hirnstammenzephalitis oder Myelitis mit der Notwendigkeit einer assistierten Beatmung. Eine kausale Therapie der FSME mit einem Virostatikum ist nicht verfügbar. Über eine mögliche Wirksamkeit von Immunmodulatoren ist nichts bekannt und Glukokortikoide sollten wegen der Gefahr einer Verschlechterung der Immunabwehr nicht eingesetzt werden. Die Behandlung erfolgt daher symptomatisch. Eine generelle Fiebersenkung ist unter Abwehraspekten nicht empfohlen; sie sollte erst bei einer Körpertemperatur >39°C erfolgen. Jedoch wird eine Fiebersenkung meist schon bei der Behandlung des Kopfschmerzes mit antipyretisch wirksamen Analgetika wie Paracetamol oder Metamizol erzielt.

Bei hartnäckigen Kopfschmerzen können Antiphlogistika (Diclofenac, Ibuprofen) und bei Erfolglosigkeit Opiate eingesetzt werden. Bei etwa fünf Prozent der Patienten ist wegen einer Atemlähmung oder schweren Bewusstseinsstörung eine Behandlung auf der Intensivstation notwendig. Neurologische Funktionsstörungen bedürfen fallweise einer Behandlung durch Krankengymnastik, Ergotherapie oder Logopädie. Die meningitische Verlaufsform der FSME heilt in der Regel folgenlos aus. Patienten mit einer Meningoenzephalitis leiden dagegen oft unter mehrere Wochen anhaltenden neurasthenischen Beschwerden; bei einem Teil der Patienten bestehen außerdem Störungen der Konzentrations- und Gedächtnisfunktion, der Koordination, der Sprache, des Hörens sowie Lähmungen. Die Enzephalomyelitis hat die schlechteste Prognose (dauerhafte Defizite bei ca. 50 Prozent der Patienten; 30 Prozent Mortalität).

Therapie der FSME1

  • In den ersten drei Tagen: alle sechs Stunden Kontrolle von neurologischem Befund und Vitalkapazität
  • keine Kausaltherapie verfügbar; Glukokortikoide kontraindiziert
  • Analgesie nach WHO-Stufenschema
  • Anfallsbehandlung nach Bedarf
  • Fiebersenkung ab >39°C
  • Reha-Maßnahmen nach Bedarf

Impfung

Durch allgemeine Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von Zeckenstichen (gut abschließende Kleidung, Meiden von Unterholz, Anwendung von Repellentien) sowie Absuchen des Körpers nach Zecken und deren rasches Entfernen ist ein sicherer Infektionsschutz gegen das FSME-Virus nicht zu erreichen. Die FSME-Impfung bietet dagegen Schutz gegen alle bekannten FSME-Virus-Subtypen. Da die FSME häufig schwerwiegend verläuft und bei mehr als einem Drittel der Erkrankten dauerhafte neurologische Schäden hinterlässt, ist die aktive FSME-Impfung allen Personen nach Vollendung des ersten Lebensjahrs und vor Aufenthalt in Risikogebieten zu empfehlen.1 In Österreich ist kein Bundesland FSME-frei, daher ist die Impfung für alle Personen, die in Österreich leben oder sich zeitweise aufhalten, zu empfehlen.4

Erwachsene
Es stehen die Tot-Impfstoffe „Encepur 0,5 ml“ und „FSME-Immun 0,5 ml“ zur Verfügung.4 Die Grundimmunisierung erfolgt in jeweils drei Dosen; der Abstand zwischen der 1. und 2. Dosis beträgt ein bis drei Monate, zwischen den 2. und 3. Dosis fünf bis zwölf (FSME-Immun) bzw. neun bis zwölf Monate (Encepur). Idealerweise sollen die ersten beiden Dosen der Grundimmunisierung vor Beginn der Zeckensaison erfolgen. Im Bedarfsfall kann ein Schnellimmunisierungsschema angewandt werden. Aus Studien gibt es Hinweise dafür, dass der Impfschutz bei jüngeren Personen (<50 Jahre) nach einer kompletten Grundimmunisierung bis zu zehn Jahre anhalten kann.

Da sich der Impfschutz aber letztlich nur durch die aufwendige Bestimmung neutralisierender Antikörper ermitteln lässt, können derzeit nur regelmäßige Auffrischimpfungen empfohlen werden. Eine erste Auffrischung wird drei Jahre nach Abschluss der Grundimmunisierung bzw. zwölf bis 18 Monate nach dem Encepur-Schnellimmunisierungsschema empfohlen.4 Danach sollten Auffrischungsimpfungen bis zum vollendeten 60. Lebensjahr alle fünf Jahre, ab dem vollendeten 60. Lebensjahr alle drei Jahre erfolgen. Booster- und Auffrischungsimpfungen sollten möglichst immer vor der Saison verabreicht werden. Bei Versäumnis einer Impfung bzw. längeren Impfabständen wird nach zwei oder mehr Dosen diese Impfung mittels einer einzigen Dosis nachgeholt, die Grundimmunisierung muss nicht neu begonnen werden.

Kinder
Entsprechend den Empfehlungen der WHO soll in Endemiegebieten eine Impfung ab dem vollendeten 1. Lebensjahr erfolgen.5 Der Kinderimpfstoff „FSME-Immun 0,25 ml Junior“ ist bis zum vollendeten 16. Lebensjahr, der Impfstoff „Encepur 0,25 ml für Kinder“ bis zum vollendeten 12. Lebensjahr zugelassen. Unter strenger Nutzen-Risiko-Abwägung kann die Impfung auch ab dem 6. Lebensmonat erwogen werden.1,4 Wenn vor dem 1. Lebensjahr geimpft wird, kann die Wirksamkeit der Impfung möglicherweise schwächer ausfallen; deshalb sollte in diesem Fall die Grundimmunisierung eine zusätzliche Dosis (3 Monate nach der 2. Dosis) beinhalten (3+1-Schema).3

Impfversagen und Kontraindikationen

Das Risiko eines Impfversagens nach einer kompletten Grundimmunisierung wird auf ca. 1:800.000/Jahr geschätzt.1 Die Impfungen sind im Allgemeinen gut verträglich. Es kann nach der intramuskulären Injektion zu lokalen Reaktionen mit vorübergehenden Schmerzen, Rötung und Schwellung kommen (bis zu zehn Prozent). An systemischen Reaktionen werden allgemeines Unwohlsein, grippeähnliche Symptome und Fieber, vor allem nach der ersten Impfung, beobachtet. Kontraindikationen für die Impfung sind eine akute Erkrankung oder eine anaphylaktische Reaktion auf eine frühere Impfung oder einen Impfstoffbestandteil. Während der Schwangerschaft ist eine sorgfältige Risikoabwägung vorzunehmen.

Der Impferfolg kann bei früher Impfung gegen Gelbfieber und bei Patienten unter Immunsuppression eingeschränkt sein. Die Impfung gegen FSME erhöht nicht die Schubrate bei Patienten mit Multipler Sklerose. Eine durchgemachte FSME verleiht nach allen klinischen Erfahrungen eine lebenslange Immunität, die nicht durch Impfungen „aufgefrischt“ werden muss. Die Leitlinien empfehlen mangels Daten keine aktive Immunisierung direkt nach einem Zeckenstich in einem Risikogebiet.1 Der österreichische Impfplanrät ungeimpften Personen jedoch zur postexposititionellen Prophylaxe durch den Start einer Grundimmunisierung vier Wochen nach dem Zeckenstich.4 Eine passive Immunisierung durch postexpositionelle Gabe von FSME-spezifischem Hyperimmunglobulin ist nicht möglich, weil dieses vom Hersteller nicht mehr angeboten wird.

Referenzen:
1 Kaiser R et al., S1-Leitlinie und „Clinical Path“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, 2020 Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 13.03.20);
2 https://www.sozialministerium.at (abgerufen am 17.3.20);
3 https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_FSME.html (abgerufen am 21.3.20);
4 https://www.sozialministerium.at, Impfplan (abgerufen am 21.3.20);
5 World Health Organization (WHO); Vaccine 2011; 29:8769–70

 

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum neuropsy