17. Sep. 2015

Dr. Pichlbauer: Vertragsloser Zustand?

Prävention – inklusive Pflegevermeidung – und Kuration sind nach vernünftigen Grundsätzen nicht voneinander zu trennen und müssen im Wirkungsbereich des Hausarztes zusammengeführt werden, wobei der Hausarzt sich nicht nur um die Gesundheit des Einzelnen, sondern auch um die Volksgesundheit (Public Health) kümmern soll. Um die Aufgaben effektiv zu erfüllen, braucht der Hausarzt Hilfe durch die Mitarbeit von Apothekern, Pflegekräften und Hebammen. Unter der Führung des Hausarztes (oder mehrerer Hausärzte), der in entsprechend ausgestatteten, und idealerweise seitens des Gesundheitssystems bereitgestellten, Räumlichkeiten (Primary Health Care Center – PHC) ordiniert, sollen diese zusammenarbeiten. Die Leistungen sind so wohnortnah wie möglich zu erbringen. Patienten sollen hauptsächlich durch „ihren“ Arzt betreut werden. PHCs sollen nach regionalem Bedarf dimensioniert sein, wobei zwischen ruralen und urbanen Regionen zu unterscheiden ist. Diese und andere Aussagen wurden 1920 (!) getroffen. Damals wurde bereits alles Wesentliche über Primärversorgung festgehalten. Doch statt das zu diskutieren, reden wir über den Gesamtvertrag.
Der aktuelle Gesamtvertrag, abgeschlossen zwischen Krankenkassen und Ärztekammern, kann keine Primärversorgung ermöglichen, einfach weil er praktisch nur den kurativen Bereich abdeckt und zu unflexibel ist.

PHCs müssen auch Prävention, Rehabilitation und Pflege anbieten; damit sind nicht nur Kassen, sondern außerdem die PVA und Länder einzubinden. Und weil jede Region was anderes braucht, ist die Flexibilität über die bestehende Regelung nicht gegeben. Wie bei Ambulatorien sind Einzelverträge nötig, um, wenn wir diese Aufgabe nicht dem Markt überlassen wollen, regional zwischen Angebot und Nachfrage vermitteln zu können.
Warum wird also der bestehende Gesamtvertrag verteidigt? Schau ich mir die Situation unserer Hausärzte an und vergleiche sie mit der, die Ärzte in Ländern vorfinden, die eine funktionierende Primärversorgung haben, dann hat der nicht viel gebracht – weder für Hausärzte noch für Patienten.

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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune