11. Juli 2018

Strenger Rechnungshof-Blick

BERICHT: Der Rechnungshof durchleuchtete die AGES Medizinmarktaufsicht. Er kritisierte u.a. die Beauftragung von Gutachten sowie Leitungsfunktionen im Gesundheitsministerium.

Das Parlament behandelte vor Kurzem den Bericht* des Rechnungshofes (RH) über das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) und die AGES Medizinmarktaufsicht (MEA). Prüfungszeitraum: 2010–2015. Konkret ging es um das BASG als Träger der Aufgaben im Bereich der Zulassung und Kontrolle von Arzneimitteln und Medizinprodukten sowie um die für die operative Wahrnehmung dieser Aufgaben zuständige MEA. Vereinzelt umfasste die Prüfung auch Jahre ab 2006, da damals das Arzneimittel-, Medizinprodukte- und Inspektionswesen ausgegliedert wurde. Operativ musste seither das Personal der MEA (privatwirtschaftlich organisiert) die Aufgaben des BASG wahrnehmen, ohne – hier kritisiert der RH das Gesundheitsministerium (BMGF) – entsprechende finanzielle Bedeckung. Dennoch hatte das BMGF auf die ausgelagerten Aufgaben nach wie vor einen bedeutenden Einfluss. Dazu kam, dass die Vorsitzende des BASG auch die für die Fachaufsicht zuständige Sektion des BMGF leitete, wodurch keine „konsequente Trennung“ von Entscheidungs- und Kontrollfunktion gegeben war.

Auch bei der AGES gefielen dem RH personelle Usancen nicht. Für die Abwicklung von Arzneimittelzulassungsverfahren oder für die wissenschaftliche Beratung zur Entwicklung von Arzneimitteln habe die MEA häufig auf externe Experten zurückgegriffen, weil eigenes Personal erst aufgebaut werden musste. Im Gründungsjahr 2006 waren es 1.283 externe Gutachten, diese Zahl sank auf 99 im Jahr 2015. Die Zahl der Gutachter ging von 40 (2007) auf acht (2015) zurück.
Der RH bemängelt zudem die Dokumentation, etwa zu Interessenskonflikten. Zu einem Experten fehlten z.B. alle erforderlichen Unterlagen, inklusive des Vertrags, obwohl er 2011 und 2012 Honorare in Höhe von 54.000 Euro „vereinnahmte“, so die Prüfer. In der Stellungnahme betont die AGES, dass die Prozessschritte neu gestaltet wurden.

Honorare: plus 387 Prozent

Der RH eruierte weiters, dass für 40–50 Prozent der wissenschaftlichen Beratungsverfahren Experten für klinische Pharmakologie der MedUni Wien zum Zug kamen. Eine Expertin nahm laut RH als „Hauptgutachterin“ eine besondere Rolle ein, indem sich ihre Honorare von 2007 bis 2015 fast vervierfachten (+ 387 Prozent). Die MEA begründete dies so: Es handle sich um das von Österreich in zwei Gremien der Europäischen Arzneimittel­agentur (EMA) entsandte Mitglied, darunter das Gremium für die Vergabe der Beratungsverfahren an die nationalen Behörden.
Das beeindruckte die Prüfer nicht. Sie empfahlen, die langjährige Beauftragung der Hauptgutachterin „auf Vereinbarkeit mit ihrer Rolle bei der Zuteilung der Verfahren an nationale Behörden zu prüfen“. Der RH stellte auch bei ihr „eine mangelnde Dokumentation und unkorrekte Abläufe bei der Beauftragung“ fest: Bei einer Ausschreibung 2015 gab die Hauptgutachterin ihr Angebot vier Wochen nach Ablauf der Angebotsfrist ab, unterschrieb aber noch am selben Tag den ausgeschriebenen Vertrag. Eine Woche später habe sie den Zuschlag erhalten. Die MEA verteidigte sich damit, dass die Unterschrift ein „formaler Schritt“ gewesen sei und es nur eine Bieterin gegeben habe. Der RH wurde noch deutlicher: Österreich lasse sich im Gremium für die Verfahren der wissenschaftlichen Beratung von jener Person vertreten, die im Anschluss als Gutachterin mit der Durchführung von zuletzt 90 Prozent dieser Verfahren beauftragt wurde.

Kammerumlage ungeeignet

Die Prüfer bemängelten ferner, dass verschiedenste Abgaben „erst Jahre“ nach der Ausgliederung eingeführt wurden, z.B. die Medizinprodukte­abgabe 2011. Im Dezember 2015 schuf man zwar eine neue Abgabe zur Überwachung des Arzneimittelmarkts, die von den Apotheken via Zuschlag zur Kammerumlage abzuführen war (3,5 Mio. Euro pro Jahr, befristet bis 2018). Andere Länder hätten hier eine langfristige Absicherung einer Marktüberwachung zugunsten der Patienten- und Konsumentensicherheit, merkte der RH an und empfahl eine Abgabe pro verkaufter Arzneimittelpackung.

Insgesamt wies die MEA seit ihrer Gründung negative Jahresergebnisse auf, die vom BMGF getragen wurden. Kritisch stellt der RH fest, dass eine Reorganisation der MEA sowie Sanierungsmaßnahmen erst infolge einer drastischen wirtschaftlichen Verschlechterung (2013) erfolgten.

* www.rechnungshof.gv.at (unter Berichte Bund 2017/59, Dez. 2017)

Pharmaceutical Tribune 13/2018