Ernährung bei chronischer Niereninsuffizienz
Die Österreichische Gesellschaft für Nephrologie hat in Kooperation mit dem „Verband der Diaetologen Österreichs“ kürzlich ein Infoblatt zum Thema Ernährung bei chronischer Niereninsuffizienz erstellt. (Medical Tribune 16/2017)
Auf Initiative von Prim. Univ.-Prof. Dr. Karl Lhotta, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie, wurden zusammen mit Connie Dotter, Diätologin und Leiterin des Arbeitskreises Nephrologie des „Verbands der Diaetologen Österreichs“, sechs praxisorientierte Ernährungstipps ausgearbeitet. Denn das Potenzial einer angepassten und gesunden Ernährung in der Behandlung dieser Erkrankung wird in der Praxis nicht selten unterschätzt. Ebenso wie etwa bei Diabetes oder Fettstoffwechselstörungen kann der Verlauf der Erkrankung mit dem Lebensstil beeinflusst werden. Nicht zuletzt durch den sich abzeichnenden Anstieg der Erkrankungshäufigkeit in den letzten Jahren ist die Ernährungstherapie in der medizinischen Grundversorgung von großer Bedeutung.
Das Infoblatt richtet sich einerseits direkt an Patienten, dient aber vor allem auch als Unterlage, die von Allgemeinmedizinern und niedergelassenen Internisten ausgehändigt werden kann. Mit sechs einfachen Regeln (siehe Kasten) kann so der Speiseplan hin zu einer gesunden Ernährungsweise optimiert werden.
Sechs simple Ernährungstipps
- Vermeiden Sie es, beim Kochen oder am Tisch zu salzen! Verwenden Sie stattdessen Gewürze und Kräuter, um Speisen schmackhaft zu gestalten.
- Essen Sie täglich zwei Hände voll Obst und mindestens drei Hände voll Gemüse!
- Essen Sie möglichst wenig Fertiggerichte, Knabbereien, Wurstwaren und Schmelzkäse!
- Bevorzugen Sie Käsesorten wie Topfenaufstrich, Frischkäse, Mozzarella und Brie gegenüber Hartkäse wie z.B. Emmentaler und Bergkäse! Essen Sie davon täglich eine Portion von drei Esslöffeln! Auch täglich eine Portion von bis zu 250 ml eines flüssigen Milchprodukts wie Joghurt, Milch oder Buttermilch sind günstig.
- Essen Sie maximal fünf Mal pro Woche eine handflächengroße Portion Fleisch, Geflügel oder Fisch und verwenden Sie höchstens zwei bis drei Eier wöchentlich!
- An Gemüse und Beilagen (Kartoffeln, Reis, Nudeln, …) können Sie sich satt essen.
Dabei war ein wichtiges Ziel, die Tipps so praxisnah wie möglich zu halten. Denn den Überblick über die komplexe Situation des Stoffwechsels bei einer verminderten Ausscheidungsfähigkeit zu behalten, ist selbst für Fachleute nicht immer einfach. Primär sind es die beiden Mineralstoffe Natrium und Phosphor, die bei chronischer Niereninsuffizienz problematisch werden können. Ebenso ist es sinnvoll, auf eine begrenze Eiweißzufuhr und die Auswahl der richtigen Eiweißquellen zu achten.
Weniger Phosphor
Phosphor aus der Nahrung wird im Darm aufgenommen und über die Nieren ausgeschieden. Liegt eine eingeschränkte Nierenfunktion vor, so kann das zu einer Phosphatüberladung im Körper führen. Als mögliche Langzeitfolgen sind vor allem Gefäßverkalkungen zu befürchten. Eine zu geringe Aufnahme an Phosphor ist mit einer mitteleuropäischen Kost kaum denkbar, da es in sehr vielen Lebensmitteln enthalten ist.
Besonders phosphorreich sind zum Beispiel Fertigprodukte, da der Mineralstoff sehr häufig Teil von verschiedensten Zusatzstoffen ist. Schmelzkäse etwa ist wegen der enthaltenen Schmelzsalze eines der Lebensmittel mit extrem hohem Phosphorgehalt. Bereits eine Scheibe deckt ein Viertel der empfohlenen Höchstmenge bei Niereninsuffizienz ab. Auch Fleisch, Fisch, Eier, Milchprodukte sollten wegen ihres Gehalts nicht in übermäßigen Mengen gegessen werden. Phosphor aus pflanzlichen Quellen wie Vollkorngetreide, Nüssen oder Hülsenfrüchten wird vom Darm in deutlich geringerem Ausmaß resorbiert und stellt daher weniger ein Problem dar.
Weniger Natrium
Kochsalz ist in der westlichen Ernährung die größte Quelle an Natrium. Der durchschnittliche Österreicher isst meist etwa ein Drittel mehr Kochsalz als empfohlen. Wird zu viel Salz über die Nahrung aufgenommen, kann dies bei Patienten mit Niereninsuffizienz zu Bluthochdruck, Überwässerung und in weiterer Folge zu einer Linksherzhypertrophie führen. Ebenso wie Phosphor versteckt sich Salz in beachtlichen Mengen in Fertigprodukten, Knabbereien, verarbeiteten Fleischwaren und Käse. Eine Tiefkühlpizza beispielsweise deckt im Durchschnitt drei Viertel der täglich empfohlenen Höchstmenge an Kochsalz ab. Daher sollte soweit möglich auf Fertigprodukte verzichtet und am Tisch nicht nachgesalzen werden. Wer vorwiegend selbst zu Hause kocht, kann den Gehalt an Salz optimal selbst steuern und den minderen Salzgeschmack durch zahlreiche Gewürze und Kräuter gut ersetzen.
Ausgewogenes Verhältnis
Um den Stoffwechsel bei verminderter Nierenfunktion optimal zu unterstützen, kann es helfen, die Hauptnährstoffe Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate gezielt auszuwählen. Eiweiß ist zwar ein wichtiger Bestandteil der Körperzelle, jedoch kann ein Zuviel an tierischem Eiweiß – wie es in der allgemeinen österreichischen Ernährung gängig ist – zu einer verstärkten Säurebelastung im Körper führen. Ganz besonders der hohe Verzehr von Fleisch und Wurst sorgt dafür, dass der durchschnittliche Österreicher etwa ein Drittel mehr Eiweiß als empfohlen aufnimmt. Die wichtigste Maßnahme sollte dahingehend sein, einerseits auf kleine Portionsgrößen zu achten, andererseits auch die Verzehrshäufigkeit von tierischen Eiweißträgern wie Fleisch, Geflügel, Eiern, Wurst und Milchprodukten einzuschränken.
Günstig ist vor allem die Kombination aus vermehrt pflanzlichen und weniger tierischen Eiweißen. Ab dem 65. Lebensjahr kann die Eiweißzufuhr wieder etwas erhöht werden, da mit steigendem Alter die Proteinsynthese abnimmt. Die Menge an aufgenommenem Fett kann sich grundsätzlich an der Situation des Betroffenen orientieren. Aufgrund des hohen Energiewerts sollte es bei Übergewicht sparsam verwendet werden. Bei dem Risiko einer Mangelernährung hingegen kann ein erhöhter Fettverzehr zu einem guten Ernährungszustand beitragen.
Trotzdem satt
Als Ausgleich für die kleinere Fleischportion können Betroffene reichlich komplexe Kohlenhydrate und Ballaststoffe essen. Gemüse, Salat und kohlenhydratreiche Beilagen wie Kartoffeln, Reis und Nudeln bewirken eine gute Sättigung und haben keinen negativen Einfluss auf die Nierenfunktion. Das gilt auch für Diabetiker, wenn dabei auf eine gute Blutzuckereinstellung geachtet wird.
Die derzeit sehr populären kohlenhydratreduzierten Diäten, bei denen genau jene Beilagen zur Gewichtsreduktion gemieden werden, sorgen meist automatisch für eine erhöhte Proteinzufuhr. Daher sind sie für Menschen mit chronischer Niereninsuffizienz nicht geeignet. Täglich zwei Hände voll Obst und reichlich Gemüse – egal in welcher Form – ergänzen den Speiseplan mit sättigenden und verdauungsfördernden Ballaststoffen sowie Vitaminen und Mineralstoffen.
Umdenken bei Dialyse
Sobald die chronische Nierenerkrankung so weit fortgeschritten ist, dass eine Nierenersatztherapie in Form von Hämo- oder Peritonealdialyse notwendig wird, ändern sich zum Teil die Ernährungsbedürfnisse der Patienten. Beispielsweise kommt nun eine höhere Eiweißzufuhr den Patienten zugute, hingegen muss häufig der Verzehr von Obst und Gemüse limitiert werden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sollte eine ausführliche Ernährungsberatung durch einen Arzt oder Diätologen stattfinden.
Lesen Sie hier ein ausführliches Interview mit Prof. Lhotta über die Datenlage zu den Ernährungsempfehlungen >>