Neue Leitlinie zum Vorhofflimmern
Die aktuelle Leitlinie der Europäischen Kardiologengesellschaft (ESC) zu Vorhofflimmern wurde in Kooperation mit der European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) entwickelt und im European Heart Journal (1) dem European Journal of Cardio-Thoracic Surgery sowie online auf der ESC-Website im Rahmen des ESC-Kongresses 2016 in Rom publiziert (2).
„Die neuen Leitlinien zum Vorhofflimmern wenden sich erstmals an alle Spezialisten für Vorhofflimmern“, informiert Dr. Stefano Benussi von der EACTS-Task Force. „Sie wurden von klinischen Kardiologen, Elektrophysiologen, Kardiochirurgen, einem Neurologen und einer Kardiologie-Krankenschwester entworfen.“ „Der interdisziplinäre Ansatz aus unterschiedlichen kardiologischen Spezialisierungen kann zur Verbesserung des Outcomes bei Patienten mit Vorhofflimmern beitragen“, ergänzt Prof. Dr. Paulus Kirchhof von der ESC-Task Force.
NOACs genauso gut wie Vitamin-K-Antagonisten
Vorhofflimmern stellt die Ursache von 20 bis 30 Prozent aller Schlaganfälle dar. Orale Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) oder nicht-VKA oralen Antikoagulanzien (NOACs) kann die Mehrzahl ischämischer Schlaganfälle bei Patienten mit Vorhofflimmern verhindern und damit das Leben verlängern. NOACs werden als First-line-Antikoagulation für geeignete Patienten empfohlen. Denn NOACs können Schlaganfälle genauso effizient (oder sogar etwas besser) verhindern wie VKA (z.B. Warfarin). Zudem sind NOACs mit einem geringeren intrakraniellen Blutungsrisiko sowie einem geringeren Mortalitätsrisiko assoziiert.
VKA bleiben weiterhin eine gültige Therapie in der Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern und sollten die erste Wahl bei Patienten sein, für die NOACs nicht in Frage kommen – wie etwa jene mit mechanischen Herzklappen.
Komplikationen managen
Unterstützt von der Europäischen Schlaganfallgesellschaft (ESO), empfehlen die Leitlinien auch was zu tun ist, wenn Patienten Komplikationen im Rahmen der Antikoagulation entwickeln. So werden Ratschläge zum Wiederbeginn der Antikoagulation nach einem Blutungsereignis gegeben, wie mit Blutungen umzugehen ist und wie Patienten zu managen sind, die einen ischämischen Schlaganfall während der Antikoagulation entwickelt haben.
Langzeit-Herausforderungen
„Vorangegangene Leitlinien konzentrierten sich darauf, welche Patienten antikoaguliert werden sollten. Dieses Thema ist bereits weitgehend etabliert“, so Kirchhof weiter. „Die neuen Leitlinien wenden sich an die Herausforderungen im Langzeitverlauf bei Patienten mit Vorhofflimmern unter Antikoagulation. Denn viel zu häufig wird die Therapie abgebrochen, ungeachtet der langfristigen prognostischen Vorteile.“
Gezieltes EKG-Screening
Ein größerer Schwerpunkt liegt in der Diagnostik des Vorhofflimmerns, bevor es zum ersten Schlaganfall kommt. Ausreichend Evidenz besteht für den Einsatz von einem oppurtunistischen und gezielten Elektrokardiogramm-(EKG)-Screening, z.B. bei Über-65-Jährigen und bei Hochrisiko-Gruppen wie Patienten mit einem Herzschrittmacher.
„Viele Menschen haben Vorhofflimmern, von dem sie nichts wissen. Sie werden es nur dann erfahren, wenn sie den ersten Schlaganfall erleiden“, gibt Kirchhof zu bedenken. „Eine frühzeitige Diagnose verhindert Schlaganfälle durch frühzeitige Antikoagulation.“
Katheterablation
Die Katheterablation wird bei ausgewählten Patienten als First-line-Behandlung empfohlen, nachdem die Forschung gezeigt hat, dass sie vergleichbar sicher ist wie Antiarrhythmika. Eine Pulmonalvenenisolation wird als bevorzugtes First-line-Ablationsziel empfohlen, weil extensivere Ablationen als Reserve für spätere Wiederholungseingriffe bei Patienten mit rezidivierendem Vorhofflimmern dienen. Aus längerfristiger Sicht sind Wiederholungseingriffe nach Katheterablation häufig. Eine Hybridtherapie aus Antiarrhythmika, Katheterablation und Chirurgie stellt daher eine sinnvolle Behandlungsoption bei Patienten dar, bei denen die konventionelle Rhythmuskontrolle versagt hat.
Spezielle Herzteams für komplexe Fälle
Die Task Force schlägt zudem vor, dass sogenannte „Herzteams Vorhofflimmern“ geschaffen werden sollen, die Erfahrung antiarrhythmischen Medikamenten, Katheterablation und Chirurgie haben, um schwierige Entscheidungen zu Herzrhythmuskontrolle und Hybridtherapie treffen zu können.
In ähnlicher Weise sollten diese Herzteams die ebenfalls komplexen Entscheidungen in der Schlaganfallprävention unterstützen.
Ein neues Kapitel im ganzheitlichen Management bei komplizierten Fällen empfiehlt außerdem eine enge Kooperation zwischen Patienten, medizinischem Personal inklusive Hausärzte und Kardiologen, und dem Herzteam – insbesondere, wenn die Therapieergebnisse nicht zufriedenstellend sind.
App auch für Patienten
Die ESC stellt kostenlos Smartphone-Apps für Patienten mit Vorhofflimmern und deren Ärzte zur Verfügung, um die Kommunikation zwischen ihnen zu verbessern und die Patienten zu ermutigen, sich am Management zu beteiligen. Die App ist via der ESC Pocket Guidelines App verfügbar (3).
Referenzen:
1) 2016 ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation developed in collaboration with EACTS. European Heart Journal 2016. doi: 10.1093/eurheartj/ehw210
2) ESC-Leitlinien auf der ESC-Website: http://www.escardio.org/Guidelines-&-Education/Clinical-Practice-Guidelines/ESC-Clinical-Practice-Guidelines-list/listing
3) Das CATCH ME (Characterising Atrial fibrillation by Translating its Causes into Health Modifiers in the Elderly) Tool wurde verbessert, nähere Informationen unter: www.catch-me.info und der ESC Pocket Guidelines App http://www.escardio.org/Guidelines-&-Education/Clinical-Practice-Guidelines/Guidelines-derivative-products/ESC-Mobile-Pocket-Guidelines