18. Aug. 2016

Präventions-Guideline mit Konfliktpotential

Im Rahmen des ESC Kongresses 2016 werden gleich mehrere neue, bzw. aktualisierte Leitlinien präsentiert oder diskutiert. So auch die neue europäische Guideline zur kardiovaskulären Prävention (Joint European Cardiovascular Prevention Guidelines).

Healthy food in heart and cholesterol diet concept on vintage boards

Mit der neuen Leitlinie geht die verantwortliche Task Force über Prävention auf der rein individuellen Ebene – die ebenfalls detailliert und evidenzbasiert abgehandelt wird – hinaus und gibt sozialmedizinische Empfehlungen auf Populations-Niveau, deren konsequente Umsetzung zu einer Neuordnung der europäischen Gesundheitspolitik führen könnte und wohl für heftige Diskussionen im Rahmen des bevorstehenden Kongresses sorgen dürfte. Das Dokument wurde von der ESC gemeinsam mit neun weiteren Fachgesellschaften erstellt – ausgehend von der Annahme, dass sich die kardiovaskulären Mortalitätsraten allein durch eine bescheidene Modifikation bekannter Risikofaktoren halbieren ließen. Aktuelle Evidenz wurde bei der Definition von Blutdruck- und Lipid-Zielwerten berücksichtigt und besondere Aufmerksamkeit wird auch der Bevölkerungsgruppe der jungen Erwachsenen gewidmet.

Politische Forderungen zur Prävention

Dazu der Vorsitzende der Task Force Prof. Dr. Massimo F. Piepoli: „In den vergangenen 30 Jahren haben wir einen Rückgang der Todesfälle durch koronare Herzkrankheit gesehen, der vor allem auf verbesserte Behandlungsmöglichkeiten für Herzerkrankungen, Rückgang des Rauchens und niedrigere Blutdruck- und Cholesterin-Werte zurückzuführen ist. Allerdings wird dieser Trend zumindest teilweise durch die zunehmende Verbreitung von Adipositas und Typ-2-Diabetes sowie die generell schlechte Compliance mit unseren Lebensstil-Empfehlungen zunichtegemacht.“ Daher richtet die Task Force nun ihre Wünsche an die Politik und fordert strengere Gesetze. Dies betrifft nicht nur Tabakprodukte, für die eine strengere Regulierung und insbesondere die Gleichbehandlung elektrischer und konventioneller Zigaretten gefordert wird.
Im Bereich Ernährung wird vorgeschlagen:

  • Gesetzliche Regelungen für die Zusammensetzung von Gerichten, mit dem Ziel, Energiegehalt, Salz, gesättigte Fette und Zucker, sowie die Portionsgrößen zu limitieren.
  • Verbot industriell hergestellter Transfette.
  • Gesetzliche Beschränkungen für den Verkauf fettreicher, gezuckerter und stark gesalzener Lebensmittel an Kinder.
  • Steuern auf Lebensmittel mit hohem Gehalt an Zucker oder gesättigten Fetten, sowie alkoholische Getränke.
  • Wasser und gesundes Essen sollen in Schulen und am Arbeitsplatz verfügbar sein.
  • Regulierung von Standorten und Dichte von Fast Food Restaurants.

Auch für mehr Bewegung sollen gesetzliche Maßnahmen sorgen. Empfohlen wird;

  • Gebäude und öffentliche Flächen so zu planen, dass sie zu mehr Bewegung animieren.
  • Schilder aufstellen, die zur Benützung von Treppen anregen.
  • Steuern auf Treibstoff erhöhen.
  • Steuerliche Anreize für den Kauf von Trainingsgeräten oder den Besuch von Fitness Centers.
  • Finanzielle Anreize für Gewichtsreduktion und verbesserte Fitness.

In der neuen Leitlinie wird auch explizit auf die Bedeutung der Luftqualität für die Herzgesundheit hingewiesen. Die Autoren schlagen vor, dass Medien die Bevölkerung beispielsweise mittels Apps über die aktuelle Luftverschmutzung informieren. Auch eine steuerliche Begünstigung von Elektro- und Hybridautos wird gefordert. Neue Häuser und Schulen sollen in sicherem Abstand zu Straßen errichtet werden.
Die neue Präventions-Leitlinie wird im Rahmen des ESC Kongresses in Rom gleich in mehreren Sitzungen diskutiert:

  • ESC Guidelines 2016 – Overview am 28. August um 08:30h
  • 2016 European Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice am 30. August um 08:30h
  • Meet the Guidelines Task Force – cardiovascular disease prevention am 30. August um 10:15h
  • ESC Clinical Practice Guidelines 2016 – Highlights am 31 August um 09:00h

2016 European Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. European Heart Journal. 2016;37(29):2315–2381.
http://eurheartj.oxfordjournals.org/lookup/doi/10.1093/eurheartj/ehw106

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