24. Sep. 2015

Ergebnisse der Leipziger Bevölkerungsstudie

Erste Ergebnisse der Leipziger Bevölkerungsstudie für Erwachsene (LIFE-Adult-Studie), einem Großforschungsprojekt am Leipziger Forschungszentrum für Zivilisationserkrankungen, wurden nun bekanntgegeben.

Foto: iStockphoto, Inga Ivanova
Erwachsenenstudie: Adipositas und Bluthochdruck auf dem Vormarsch

 

Am 24. September stellte das Projektteam des Leipziger Forschungszentrums für Zivilisationserkrankungen (LIFE) der Universität Leipzig ausgewählte Ergebnisse der seit dem Jahr 2009 laufenden Leipziger Bevölkerungsstudie für Erwachsene der Öffentlichkeit vor, für die mehr als 10.000 Probanden umfassend medizinisch untersucht und zu ihren Lebensumständen und -gewohnheiten befragt wurden.

LIFE erforscht volkswirtschaftlich bedeutsame “Zivilisationserkrankungen” auf breiter Front, um neue Erkenntnisse über Ursachen und Variabilität der wichtigsten Zivilisationserkrankungen – und daraus folgend neue Ansätze für Prävention, frühzeitige Diagnose und Therapie zu gewinnen. Die beteiligten Wissenschaftler versuchen, hinter das komplexe Zusammenspiel von individueller Lebensführung, Umwelteinflüssen, Stoffwechsel und genetischen Faktoren zu blicken. Im Fokus der Forschung stehen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Übergewicht, Diabetes, Allergien sowie neuropsychiatrische Störungen wie Demenz und Depression, aber auch bestimmte lebensstilassozierte Tumorerkrankungen.

Adipositas und Körperformen

Bereits in der Zwischenauswertung vom September 2013 hatten die an der LIFE-Studie beteiligten Wissenschaftler bekanntgegeben, dass der Anteil der Personen mit Hypertonie und Adipositas im Steigen begriffen sei. Mit zunehmendem Alter nehme vor allem der Anteil an übergewichtigen Personen zu. Doch auch bei jüngeren Altersgruppen greife Adipositas zunehmend um sich. So hätten beispielsweise bereits acht Prozent der unter 40-jährigen Probanden einen Body-Mass-Index (BMI) von über 30 aufgewiesen. Bei der LIFE-Studie werden Körperformen und Fettverteilung mit der 3D-Bodyscan-Technik erfasst. Mit der Methode konnten die Leipziger Wissenschaftler die Einteilung der Körperformen wesentlich verfeinern und insgesamt 17 verschiedene Varianten ermitteln. Für Menschen mit Präadipositas und Adipositas wurden acht verschiedene Körperformen gefunden. Mit dieser verfeinerten Einteilung möchten die Forscher Frühzeichen bestimmter Erkrankungen finden und Risikofaktoren für Erkrankungen besser abschätzen.

Aufklärung genetischer Mechanismen, die zu Erkrankungen führen können

Labormediziner und genetische Statistikern entdeckten sechs neue genetische Varianten, die mit Veränderungen des Energiestoffwechsels im Zusammenhang stehen. Darüber hinaus gelang der Nachweis, dass Stoffwechselveränderungen durch eine veränderte Aktivität der Gene ausgelöst werden.

Essverhalten

Die Untersuchung des Essverhaltens ergab, dass bei sechs Prozent der Probanden das Essverhaltens stark gestört ist. Dies äußere sich beispielsweise in vermehrtem Essen bei Angst, Anspannung oder in Gesellschaft. Über 28 Prozent der Probanden kontrollieren ihr Essverhalten bewusst. Als schwierig zu kontrollieren wurde von vielen Studienteilnehmern das Verlangen nach Süßem betrachtet, von dem sowohl 30 Prozent der männlichen und 47 Prozent der weiblichen Probanden berichteten.

Hypertonie und kardiovaskuläre Risiken

56 Prozent der Männer und 45 Prozent der Frauen in der ADULT-Studie sind von Hypertonie betroffen. Mehr als 75 Prozent der 70- bis 79-jährigen Probanden haben einen behandlungsbedürftigen Bluthochdruck. Hochgerechnet auf die Leipziger Erwachsenenbevölkerung wird die Prävalenz für Männer auf 38 Prozent und für Frauen auf 32 Prozent geschätzt.

Schlafprobleme

Beinahe 40 Prozent der Probanden berichteten über eine subjektiv schlechte Schlafqualität, in knapp zehn Prozent der Fälle wurden Schlafprobleme berichtet, die als klinisch relevant zu bewerten sind, wobei Frauen stärker betroffen sind als Männer. Im Zuge der Studie erfolgte neben der Erfragung der Schlafzufriedenheit bei 3.000 Probanden eine einwöchige objektive Messung des Schlaf-Wach-Verhaltens mit Hilfe von Aktometern. Diese Untersuchung ergab, dass Männer im Tagesdurchschnitt eine Netto-Schlafdauer von etwa 6 Stunden 30 Minuten und Frauen von ungefähr 6 Stunden 50 Minuten bei jeweils großen individuellen Unterschieden aufweisen. Bei über 35 Prozent der Probanden fand sich eine geringe Schlafeffizienz von weniger als 80 Prozent, was für das Vorliegen von Schlafstörungen spricht. Bei mehr als 12 Prozent ergab sich eine sehr hohe Schlafeffizienz von über 90 Prozent, was auf Erschöpfung und Übermüdung hinweist.

Depression – Soziale Isolation

6,4 Prozent der Probanden zwischen 18 und 79 Jahren weisen depressive Symptome auf, wobei Frauen mit 8,3 Prozent nahezu doppelt so häufig betroffen sind wie Männer mit 4,5 Prozent. Die Auswertung ergab weiters, dass die Häufigkeit depressiver Symptome stark vom sozioökonomischen Status abhängt. Zudem wurde ein enger Zusammenhang mit der sozialen Isolation gefunden. Insgesamt wiesen 13 Prozent der Studienteilnehmer ein erhöhtes Risiko für soziale Isolation auf, wobei sich hier das Verhältnis Männer – Frauen im Vergleich zur Depression umkehrt. So waren Männer mit 14,6 Prozent häufiger von sozialer Isolation betroffen als Frauen mit 11,6 Prozent. Analog zur depressiven Symptomatik zeigten Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status das höchste Risiko für soziale Isolation (21,1 Prozent vs. 7,8 Prozent bei Menschen mit hohem Status).

Kognitive Leistungsfähigkeit und Neurodegeneration

Frühere vorläufige Ergebnisse bezüglich der kognitiven Leistungsfähigkeit wurden neuerlich bestätigt. So nahmen Fähigkeiten wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Sprache und Orientierung mit zunehmenden Alter im Mittel ab, allerdings mit erheblichen Unterschieden zwischen den Probanden. Jeder zweite Teilnehmer hatte das Gefühl, dass sich das eigene Gedächtnis verschlechtern würde. Doch den Forschern zufolge habe nicht jeder, der sich selbst ein schlechtes Gedächtnis bescheinige, gleich ein erhöhtes Risiko, an Demenz zu erkranken. Nur bei 20,3 Prozent der Probanden über 60 Jahren konnten die Wissenschaftler eine leichte neurokognitive Störung ermitteln, die mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Demenz einhergeht.

Die Auswertung von mehr als 2.600 MRT-Bildern zeigt, einhergehend mit der Literatur, dass das mittlere Volumen des Hippocampus in der LIFE-Adult-Kohorte ab einem Alter von etwa 60 Jahren kontinuierlich abnimmt, während die Marklagerläsionen zunehmen. Gleichzeitig korrelierten ein größeres Hippocampus-Volumen und ein vermindertes Marklagerläsion-Volumen mit einem besseren Abschneiden in kognitiven Aufgaben.

Untersuchung der Sprech- und Singstimme

Im Rahmen der Studie wurden bei fast 2.500 Probanden die Normwerte einer Stimme definiert. Diese Werte gelten als wichtiger Parameter für die klinische Untersuchung von Stimmstörungen.

Quelle: Universität Leipzig