Rasche Gehirn-Veränderung durch Escitalopram
Der volle Umfang der serotonergen Wirkung auf funktionelle Verbindungen im menschlichen Gehirn ist noch nicht gänzlich erforscht. Es ist allerdings belegt, dass Serotonin als essenzieller Neuromodulator fungiert, der eine Vielzahl von Rollen innehat – vor allem dient er als Stimmungsausgleicher. Forscher des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig beobachteten eine serotonerge Herausforderung: Sie reduziert die intrinsische funktionelle Konnektivität in Hirnregionen, die in Zusammenhang mit der Stimmungsregelung stehen. Nun konnten die Leipziger Wissenschaftler belegen, dass eine Einzeldosis des Serotonin-Wiederaufnahmehemmers Escitalopram bei 22 gesunden Probanden, die noch nie Antidepressiva eingenommen hatten, die funktionelle Konnektivität im gesamten Gehirn dramatisch veränderte.
Eine einzige Escitalopram-Gabe führt innerhalb weniger Stunden zu messbaren Veränderungen im gesamten Gehirn. Escitalopram beeinflusst dabei, welche neuronalen Netze gleichzeitig aktiviiert werden, wenn sich das Gehirn im Ruhezustand befindet. Dieser schnelle und weitreichende Effekt von Escitalopram ist außergewöhnlich, denn die volle antidepressive Wirkung von SSRI tritt meist erst nach zwei bis drei Wochen ein. Die Forscher vermuten, dass die Wirkung von SSRI auf die Ruhe-Vernetzung des Gehirns nur wenige Stunden nach der ersten Einnahme beginnt.
Laut Dr. Julia Sacher vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften liefert die Beobachtung, dass die einmalige Einnahme von Escitalopram die funktionellen Ruhenetzwerk-Verbindungen in den meisten Hirnregionen reduziert, Hinweise auf eine wichtige Rolle von Serotonin für die funktionelle Netzwerk-Architektur des gesamten Gehirns. Nun haben die Wissenschaftler vor, die Variabilität dieser Ruhenetzwerkarchitektur zwischen verschiedenen Patientengruppen zu untersuchen. Besondere Hoffnungen setzen sie auf Vergleiche zwischen Patienten, die auf die Behandlung durch Antidepressiva unterschiedlich ansprechen. In zukünftigen Experimenten soll getestet werden, ob sich diese Methode dazu eignet, einen Therapieerfolg besser vorherzusagen.
Alexander Schaefer, Inga Burmann, Ralf Regenthal, Katrin Arélin, Claudia Barth, André Pampel, Arno Villringer, Daniel S. Margulies, Julia Sacher
Serotonergic modulation of intrinsic functional connectivity
Current Biology, 18. September 2014, DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2014.08.024
Quelle: Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig