26. Aug. 2023

Bauchfett & Co: Auch leicht erhöhte Werte ernst nehmen

Erwachsene mittleren Alters mit asymptomatischem metabolischem Syndrom erkranken im späteren Leben zwei Jahre früher an Herzinfarkt und Schlaganfall. Auch die Gesamtmortalität steigt laut einer auf dem ESC 2023 vorgestellten Studie1, weshalb ein frühes Screening ratsam ist.

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Viele Menschen in den Vierzigern und Fünfzigern hätten zwar keine Beschwerden, aber etwas „Fett in der Mitte“ und leicht erhöhte Werte bei Blutdruck, Cholesterin oder Glukose, berichtet Studienautorin Dr. Lena Lönnberg von der Universität Uppsala, Zentrum für Klinische Forschung, Västerås, Schweden, auf dem Kongress der Europäischen Kardiologie-Gesellschaft ESC in Amsterdam.

Dieses Szenario, auch als metabolisches Syndrom bezeichnet, sei in der westlichen Bevölkerung ein wachsendes Problem, das sich – oft unwissentlich – auf das spätere Leben auswirke. Lönnberg sieht darin eine „riesige verpasste Chance“ einzugreifen, bevor es zu vermeidbaren Herzinfarkten und Schlaganfällen kommt. Schätzungen zufolge leiden bis zu 31% der Weltbevölkerung an einem metabolischen Syndrom.2

Studie untersuchte Daten von >34.000 Personen

Bereits frühere Studien haben gezeigt, dass Betroffene ein höheres Risiko für Diabetes, Herzerkrankungen, Schlaganfall und vorzeitigen Tod aufweisen.3-5 Die nun vorliegende Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen einem asymptomatischen Stoffwechselsyndrom in der Lebensmitte und Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Tod bis zu 3 Jahrzehnte später.

In die Studie flossen 34.269 Erwachsene ein, die in ihren Vierzigern und Fünfzigern an einem Herz-Kreislauf-Screening-Programm in den Jahren 1990 bis 1999 im schwedischen Landkreis Västmanland teilgenommen hatten. Die klinische Untersuchung erfolgte in Primärversorgungszentren und inkludierte Messungen von Größe, Gewicht, Blutdruck, Gesamtcholesterin, Blutzucker sowie Taillen- und Hüftumfang.

Metabolisches Syndrom bei 3 oder mehr Kriterien

Das Screening beinhaltete auch einen Fragebogen zu Lebensgewohnheiten, Vorgeschichte von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes, sozioökonomischen Faktoren sowie Bildungsweg. Wenn Personen 3 oder mehr der folgenden Kriterien aufwiesen, wurde ein metabolisches Syndrom (MetS) diagnostiziert:

  • 1. Taillenumfang von ≥102cm bei Männern und ≥88cm bei Frauen
  • 2. Gesamtcholesterin von ≥6,1mmol/l (238mg/dl)
  • 3. Blutdruck systolisch ≥130mmHg und/oder diastolisch ≥85mmHg
  • 4. Nüchternblutzucker ≥5,6mmol/l (101mg/dl)

Pro Teilnehmerin bzw. Teilnehmer mit MetS dienten 2 Kontrollen ohne MetS. Daten zu kardiovaskulären Ereignissen (MCI und Schlaganfall) und Tod stammten aus nationalen und lokalen Registern. Das Forschungsteam analysierte den Zusammenhang zwischen dem Midlife-MetS und nichttödlichen kardiovaskulären Ereignissen sowie der Gesamtsterblichkeit. Berücksichtigt wurden Alter, Geschlecht, Rauchen, körperliche Inaktivität, Bildungsstand, BMI, Hüftumfang und Leben in Familie oder alleine.

Mortalität um 30% höher als in Kontrollgruppe

Insgesamt erfüllten 5.084 Personen (15%) die MetS-Kriterien. Demgegenüber stand eine Kontrollgruppe von 10.168 Personen ohne MetS. Knapp die Hälfte (47%) der Teilnehmenden waren Frauen. Nach einem durchschnittlichen Follow-up von 27 Jahren starb mehr als ein Viertel (26%, 1.317 Personen) der MetS-Betroffenen, während es in der Kontrollgruppe nur knapp ein Fünftel war (19%, 1.904 Personen). Das bedeutet, die Wahrscheinlichkeit zu sterben, war für MetS-Betroffene um 30% höher.

Nichttödliche kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall traten bei 1.645 (32%) der MetS-Gruppe auf. Demgegenüber standen 2.321 (22%) der Kontrollen. Dies entspricht einem um 35% höheren Risiko in der MetS-Gruppe. Die mittlere Zeit bis zum ersten nichttödlichen Ereignis (MCI oder Schlaganfall) betrug bei MetS-Betroffenen 16,8 Jahre versus 19,1 Jahre in der Kontrollgruppe.

MCI oder Schlaganfall um 2,3 Jahre früher

„In unserer Studie hatten Erwachsene mittleren Alters mit metabolischem Syndrom 2,3 Jahre früher einen Herzinfarkt oder Schlaganfall als jene ohne die ungesunden Kriterien“, betont Lönnberg. Der Blutdruck sei dabei „die riskanteste Komponente für Frauen in den Vierzigern“ gewesen, was die Bedeutung hervorhebt, ihn unter Kontrolle zu halten.

Tatsächlich würden die meisten Menschen mit leicht erhöhten Werten viele Jahre lang leben, bevor sie Symptome bekommen und deswegen ärztlichen Rat suchen. Das metabolische Syndrom sei ein „Cluster“ von Risikofaktoren – der Wert jeder einzelnen Komponente müsse nicht stark erhöht sein.

Werte auch bei Wohlbefinden checken

Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig Früherkennungsprogramme seien, um vorbeugende Maßnahmen gegen Herzinfarkt und Schlaganfall ergreifen zu können. Lönnberg empfiehlt als allgemeine Faustregel: „Überprüfen Sie jährlich Ihren Blutdruck, auch wenn Sie sich gut fühlen, vermeiden Sie das Rauchen, achten Sie auf Ihren Taillenumfang und seien Sie vor allem körperlich aktiv – jeden Tag.“