Genitalerkrankungen: Meist nichtinfektiöse Prozesse

Mann Genitalerkrankungen Intimbereich
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Voraussetzung einer korrekten Diagnosestellung bei genitalen Dermatosen ist eine gründliche klinische Untersuchung. Entgegen verbreiteter Ansicht sind nicht Geschlechtskrankheiten, sondern eine genitale Psoriasis häufigste Ursache von Hautveränderungen am männlichen Genitale. (CliniCum derma 2/20)

Erkrankungen im Intimbereich setzen auch Männer unter Stress, der Arzt sollte hier als jemand wahrgenommen werden, der sich um den Patienten kümmert und zuhören kann. In seinem Vortrag gab Prof. Anthony Hall, Deakin University in Geelong in Australien, deshalb den Rat, die Patienten zunächst ihre eigene Geschichte erzählen zu lassen. Im Anschluss sollte das Genitale bei guter Beleuchtung mit einem Vergrößerungsglas untersucht werden. Wesentlich ist es, darauf zu achten, ob eine Zirkumzision vorliegt und falls nicht, auch die Hautregion unter der Vorhaut zu untersuchen.

Zudem muss auch die anogenitale Region in Augenschein genommen werden. Hierbei sollte mit dem nötigen Feingefühl vorgegangen werden, da sich Patienten extrem unwohl fühlen – Männer nicht weniger als Frauen. Diese exakte Adspektion ist Voraussetzung für die Diagnosefindung, frei nach dem Motto, „es werden mehr Fehler durch das Nichthinschauen als durch das Nichtwissen gemacht“. Kann ein malignes Geschehen nicht sicher durch die klinische Untersuchung ausgeschlossen werden, so sollte nach Ausführung von Hall die Indikation zur genitalen Hautbiopsie großzügig gestellt werden.

Normalbefunde erkennen und nicht behandeln

Viele Patienten sind besorgt darüber, ob ihr Genitale „normal“ sein. Dies gelte besonders für Papeln am Rand der Eichel, Papillae coronae glandis, die bei bis zu einem Drittel aller Männer auftreten und keinen Krankheitswert haben. Diese kleinen (meist < 1 mm), weißlichen oder hautfarbenen Papeln finden sich in einzelner, doppelter und manchmal sogar dreifacher Reihe an der Corona penis. Sie jagen vielen Patienten, aber auch so manchen Ärzten einen großen Schrecken ein, obwohl sie keinerlei Symptome verursachen.

Histologisch gesehen handelt es sich um Angiofibrome, die meist in der Pubertät entstehen. Bei diesem Befund sollte versucht werden, die Patienten zu beruhigen und möglichst nicht zu behandeln, da hierfür jegliche Notwendigkeit fehlt, obgleich von Erfolgen durch die Kryotherapie berichtet wurde. Dasselbe gilt für ektopische Talgdrüsen, die sogenannten Fordyce-Drüsen, die sich als schmerz- und symptomlose, weißgelbliche 1–3 mm große Papeln am Penis oder der Glans darstellen. Auch hier muss der Patient in erster Linie beruhigt und darüber aufgeklärt werden, dass es sich um keine Warzen, Infektionen oder Tumoren, sondern um völlig normale Varianten am Genitale handelt. Zudem gib es auch gutartige vaskuläre Veränderungen, die Fordyce Angiokeratome, die üblicherweise asymptomatisch sind und nur gelegentlich bluten.

Diese stecknadelkopfgroßen, mehr oder weniger erhabenen, scharf begrenzten, eindrückbaren, lividroten Papeln finden sich am häufigsten am Skrotum und sind üblicherweise ebenfalls nicht behandlungspflichtig. Ihre Häufigkeit nimmt mit zunehmendem Lebensalter zu; wenn Blutungen auftreten oder der Patient aus kosmetischen Gründen auf eine Behandlung besteht, ist die Therapie der Wahl die Anwendung von Laser, Elektrokaustik oder Kryotherapie. Eine Differenzialdiagnose ist hier der sehr seltene Morbus Fabry, eine lysosomale Speichererkrankung mit verminderter Aktivität des Enzyms α-Galaktosidase A. Diese Varianten machen deutlich, wie wesentlich es für Dermatologen ist, die normale genitale Anatomie sowie übliche anatomische Varianten zu kennen.

Patienten beruhigen

Männer, die aufgrund genitaler Erkrankungen den Arzt aufsuchen, haben große Angst vor Geschlechtskrankheiten oder Tumoren, auf die der Arzt eingehen sollte. Der Begriff Balanitis bezeichnet eine unspezifische Entzündung der Glans penis oder das klinische Anzeichen einer Rötung, ohne dass dadurch Aussagen über die zugrunde liegende Erkrankung getroffen werden. Im Gegensatz dazu sind bei einer Balanoposthitis sowohl die Eichel als auch die Vorhaut von den zuvor angeführten Veränderungen betroffen – auch hier ohne Bezug auf die Ätiologie. Grundsätzlich gilt, dass bei Vorhandensein der Vorhaut mit einer viel höheren Rate an genitalen Hauterkrankungen gerechnet werden muss. Die Phimose kann im Übrigen auch nicht-chirurgisch behandelt werden. Dieses Problem löst sich zudem meist von selbst. Kann bei der Geburt bei nur vier Prozent der Neugeborenen die Vorhaut zurückgezogen werden, sind es bei den 17-Jährigen 99 Prozent. Bei pathologisch verengter Vorhaut sollte vor dem chirurgischen Eingriff zunächst eine Behandlung mit topischen Kortikoiden versucht werden.

Psoriasis: häufigste inflammatorische Erkrankung des männlichen Genitals

Ungeachtet der Meinung von Laien oder Nicht-Dermatologen, ist die häufigste entzündliche Erkrankung der männlichen Genitalregion eine Psoriasis. Bis zu einem Drittel aller Psoriasispatienten weist eine genitale Beteiligung auf, in einer Selbstbefragung gaben zwei Drittel aller Psoriasispatienten an, sie hätten bereits Veränderungen am Genitale bemerkt.1 Klinisch imponiert die genitale Psoriasis vor allem durch den starken Juckreiz. Schuppen sind in dieser Lokalisation oft nicht vorhanden, speziell bei nicht beschnittenen Männern. Häufig sind auch der Perianalbereich und die Gesäßfalte betroffen. Finden sich einzelne Papeln oder Plaques in diesem Bereich, sollte nach weiteren Psoriasiseffloreszenzen, z.B. an den Nägeln, der Kopfhaut oder am Ohr gefahndet werden. Die genitale Psoriasisbeteiligung kann ausgesprochen atypisch aussehen und sich z.B. lediglich in einer diffusen Entzündung (Rötung) der Glans und der Vorhaut äußern. Therapeutisch gelten schwache Kortikosteroide als Mittel der ersten Wahl, da in diesem Bereich die Haut sehr dünn ist. Alternativ können Vitamin-D-Analoga oder Kalzineurinantagonisten zum Einsatz kommen. Zudem sollten Patienten darauf achten, bequeme Kleidung zu tragen, die im Schritt nicht zu eng sitzt oder scheuert, um den Juckreiz zu minimieren.

Irritative Kontaktdermatitis bei Patienten mit Atopieneigung

Eine Erkrankung des männlichen Genitale, die sehr häufig selbst von Dermatologen als „Geschlechtskrankheit“ fehldiagnostiziert wird, ist, nach Ausführung von Hall, die irritative Kontaktdermatitis. Auch sie tritt besonders bei nicht-beschnittenen Männern auf. Zudem besteht eine Assoziation zu atopischen Erkrankungen. Üblicherweise verursacht das Kontaktekzem Juckreiz, es kann jedoch auch eine asymptomatische Rötung der Glans und unter dem Präbutium bestehen. Patienten haben häufig zahlreiche erfolglose topische Behandlungsversuche hinter sich. Hier gilt es zunächst, den Patienten zu beruhigen und zu erklären, dass er an keiner Geschlechtserkrankung leidet. Zudem müssen alle Irritantien (häufig Seife oder Waschlösungen) entfernt werden.

Patienten sollten angewiesen werden, regelmäßig Feuchtigkeitscremes zu benutzen. Beim Sex empfiehlt sich Gleitmittel, um Irritationen zu minimieren. Zusätzlich ist eine Therapie mit topischen schwach wirksamen Kortikosteroiden indiziert. Eine allergische Kontaktdermatitis am Penis ist im Vergleich erheblich seltener. Ein Fall wurde z.B. nach der Anwendung von „natürlichem“ Teebaumöl am Penis dokumentiert: der Patient litt unter extremen Schmerzen und war nicht mehr in der Lage zu gehen. Hinter anogenitalem Juckreiz und klinischen Merkmalen wie Rötungen, weißen Hautveränderungen (wie Hyperkeratose und Sklerose) sowie bei Fissuren kann auch ein Lichen sclerosus stecken: Im Verlauf können Funktionseinschränkungen durch Fissuren und Vernarbungen entstehen. Hier empfiehlt es sich, die Diagnose durch eine Hautbiopsie zu sichern: In diesem Fall sind stark wirksame topische Steroide (z.B. 0,05%-iges Clobetasolpropionat) Mittel der ersten Wahl. Dadurch können mehr als 75 Prozent der Fälle zur Abheilung gebracht werden. Eine konsequente Behandlung ist auch daher so wichtig, da Männer mit fortbestehendem Lichen sclerosus ein leicht erhöhtes Risiko aufweisen, ein Plattenepithelkarzinom zu entwickeln: Dies wird mit einem geschätzten Lebenszeitrisiko von circa vier bis fünf Prozent angegeben.2 Lichen sclerosis ist die häufigste Ursache für eine erworbene Phimose.

Genitalwarzen: die häufigste Infektion des männlichen Genitals

Unter den Virusinfektionen sind neben Herpesviren vor allem humane Papillomviren verbreitet. Letztere können hochkontagiöse genitale Kondylome mit potenzieller neoplastischer Transformation induzieren: Am häufigsten (90 Prozent) kommen die HPV-Typen 6 und 11 vor, Hochrisikotypen sind HPV16 und HPV18. Neben dem Penis können auch die Perianalregion und die Leistenbeuge betroffen sein. Den wirksamsten Schutz bietet eine 9-valente Impfung (Gardasil-9). Erst vor zwei Jahren hat die Amerikanische „Food and Drug Administration“ die Indikation zur zuvor bestehenden Impfempfehlung von beiden Geschlechtern im Alter von neun bis 26 Jahre auf bis zu 45 Jahre ausgeweitet. Therapeutisch können die Warzen mithilfe der Kryotherapie, dem Elektrokauter oder mit einer Shave-Exzision entfernt werden. Die Behandlung sollte im Anschluss vom Patienten mit Topika (z.B mit 0,5% Podophyllotoxin, 5% Imiquimod oder 15%igem Grünteeextrakt) fortgesetzt werden. Allerdings sind Rezidive sehr häufig, die Behandlung von Feigwarzen stellt Arzt und Patient vor eine Geduldsprobe – oft ist auch eine Wiederholung der destruktiven Verfahren erforderlich.

Lues auf dem Vormarsch

Bei den klassischen venerischen Erkrankungen nimmt die Prävalenz der primären und sekundären Syphilis seit dem Jahr 2000 kontinuierlich zu. Besonders drastisch ist der Anstieg der kongenitalen Syphilis: Von 2014–2018 zeigte sich hier nach Angaben des Amerikanischen „Centers for Disease Control and Prevention“ eine Zunahme um 185 Prozent. Bei 90 Prozent der Betroffenen handelt es sich um männliche Patienten, 80 Prozent der Fälle sind zwischen 15 und 44 Jahre alt. Am häufigsten kommt die Syphilis bei Männern vor, die Sex mit Männern haben (60 Prozent), die Hälfte von ihnen hat eine Koinfektion mit HIV.

Der Primäraffekt ist leicht zu übersehen: Es handelt sich um ein kleines, rötliches Knötchen, das genital, anal oder oral auftreten kann, aus dem sich dann ein schmerzloses, ca. 2 cm durchmessendes Geschwür mit hartem Rand, das Ulcus durum, entwickelt. Zeitgleich ist oft eine Lymphadenopathie nachweisbar, die auch nach Abheilung des Ulcus für längere Zeit bestehen bleibt. Das Sekundärstadium der Syphilis ist klinisch durch ein diffuses Exanthem gekennzeichnet, das bei über 80 Prozent der Patienten auftritt. Bei meistens ovalen, rosafarbenen Macula und Papeln an den Handflächen und Sohlen besonders in Verbindung mit Lymphknotenschwellungen sollte nach Ausführung von Prof. Hall immer an eine Syphilis im Stadium 2 gedacht werden, die durch eine Penicillin-Therapie erfolgreich geheilt werden kann.

Ästhetischer Trend bringt Filzläuse zum Aussterben

Dagegen scheint der Befall mit Pediculosis pubis, vermutlich aufgrund des heute gängigen Schönheits- und Hygieneideals eines haarlosen Genitalbereichs immer seltener zu werden. Empfohlene Behandlungen bestehen in einer einprozentigen Permethrincreme. Sexualpartner müssen natürlich immer in die Behandlung mit einbezogen werden. Nach Empfehlung von Hall sollte bei Diagnose einer sexuell übertragenen Erkrankung immer nach einer anderen gefahndet werden; sie treten häufig gemeinsam auf: Dies gilt z.B. auch für eine Herpesinfektion und Genitalwarzen. Auch bei Männern kann es zu einem hartnäckigen genitalen Brennen, der genitalen Dysästhesie kommen, vergleichbar mit der Vulvodynie bei Frauen. Entweder ist hiervon das gesamte männliche Genital betroffen oder nur Teile z.B. das Skrotum oder der Penis.

Am wichtigsten ist, den Patienten mit seinem Problem ernst zu nehmen und ihm zu glauben, dass er tatsächlich an Beschwerden leidet, ohne dies als „Einbildung“ abzutun. Die meisten Patienten haben bereits eine Odyssee an Arztbesuchen hinter sich und sind entsprechend frustriert. Ein Behandlungsversuch kann mit Tricyclica (z.B. beginnend mit 5 mg Amitriptylin, das langsam gesteigert wird) unternommen werden. Wenn die Dysästhesie von einer Rosazea begleitet ist, sollte mit Doxyclicn behandelt werden. Fallberichte mit positiven Behandlungsergebnissen gibt es zudem für Gabapentin und selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer wie Duloxetin. Auch ein lokaler Calcineurin-Hemmer oder Lidocainspray kann versucht werden. Selbst eine Linderung der Beschwerden ist bei dieser schwer behandelbaren Störung als Erfolg zu werten.

Pigmentierte Läsionen nur in seltenen Fällen bösartig

Die häufigsten pigmentieren Läsionen am männlichen Genital sind seborrhoische Keratosen. Sie können als Genitalwarzen fehldiagnostiziert werden, typisch ist ein im Alter gehäuftes Auftreten. Melanotische Makula der Übergangsschleimhaut sind harmlos, können jedoch wie ein genitales Melanom aussehen und müssen diagnostisch gegen dieses abgegrenzt werden. Es handelt sich um gutartige, umschrieben vermehrte Melaninbeladungen der basalen Epithelzellen, ohne bzw. nur mit geringgradiger Vermehrung von Melanozyten.

Klinisch imponieren die Veränderungen als scharf umschriebene bräunliche Makula an der Genitalschleimhaut, währenddessen Melanome meist nicht eng umschrieben sind. Primäre Melanome am Genital sind mit 0,2 bis ein Prozent aller Melanome sehr selten und gelten als klinisch besonders aggressiv. Primäre Melanome am Penis machen weniger als 1,4 Prozent aller primären Peniskarzinome aus.3 Insgesamt sind Karzinome des Penis selten, 95 Prozent von ihnen sind Plattenepithelkarzinome (SCC). Der Hautarzt spielt eine wesentliche Rolle bei der Prävention von Peniskarzinomen. Denn häufig gehen Karzinomen penile intraepitheliale Neoplasien (PIN) voraus, die als flache Läsionen, umschriebene Rötungen, Papeln oder Leukoplakien in Erscheinung treten. Sie treten an der Glans sowie am Ostium urethrea externum auf und verursachen üblicherweise keine Symptome. Das Durchschnittsalter bei Auftreten ist 60 Jahre.

Fünf bis 33 Prozent dieser Präkanzerosen gehen in ein Plattenepithelkarzinom über, die Veränderungen sollten daher nach positiver Biopsie behandelt werden. Möglichkeiten bestehen in der Kryotherapie, Kürettage, topischem Imiquimod oder 5-FU. Bei PIN an der Glans sollte immer zusätzlich eine Zirkumzision durchgeführt werden. Da es schwierig ist, Präkanzerosen gegen andere dermatologische Veränderungen abzugrenzen, empfiehlt sich die Absicherung der Diagnose mithilfe einer Biopsie. Prinzipiell gibt es zwei pathogenetische Wege für ein SCC: Entweder sie stehen in Zusammenhang mit einer HPC-Infektion, was bei 50 Prozent der Fall ist, oder sie entstehen unabhängig von einer HPV-Infektion z.B. aufgrund der Progression eines Lichen sclerosus. Daher gibt es praktisch von früh an wirksame Präventionsmöglichkeiten (s. Kasten). Hautärzte haben daher eine entscheidende Bedeutung bei der Vermeidung von Peniskarzinomen.

Wirksame Maßnahmen des Hautarztes zur Prävention eines Peniskarzinoms

  • (Neonatale) Zirkumzision: Die Vorteile der Zirkumzision sollten öffentlich gemacht werden und wo möglich, mit Eltern diskutiert werden.
  • Phimosen vermeiden: Diese werden üblicherweise von Lichen sclerosus verursacht, der adäquat behandelt werden muss.
  • Frühe Behandlung von chronischen inflammatorischen Dermatosen am Penis
  • Präkanzerosen überwachen: Lichen sclerosus, PIN
  • Penile HPV-Infektionen limitieren: HPV-Impfung empfehlen, Safer Sex.
  • Keine PUVA-Behandlung an den Genitalien
  • Patienten Rauchstopp empfehlen.

Referenzen:
1 Ryan C et al., J Am Acad Dermatol 2015; 72:978–83
2 Lee A et al., JAMA Dermatol 2015; 151:1061–7
3 Stillwell TJ et al., J Urol 1988; 140:72–5

Quelle: „Male genital dermatology: lessons from male dermatology clinic, U039, Vortrag von Anthony Hall, www.aad.org

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum derma