Allergien: Entstehung & Prävention
Die Prävalenz von Menschen mit Allergien in Österreich hat in den letzten Jahren zugenommen. Hierzu existieren unterschiedliche Theorien.
Allergien sind häufig – laut Österreichischem Gesundheitsbericht 20161 ist ca. ein Viertel der Bevölkerung betroffen. Seit 2006 ist die Prävalenz damit deutlich, nämlich um acht Prozentpunkte, gestiegen. Die größte Bedeutung in der Praxis haben die Überempfindlichkeit vom Soforttyp (Typ I) und Spättyp (Typ IV).2
Typ I – Soforttyp
Beim Soforttyp – der häufigsten Allergieform – werden nach Erstkontakt mit dem Allergen Typ-2-T-Helferzellen (TH2-Zellen) aktiviert, die die Bildung Allergen-spezifischer IgE-Antikörper durch B-Zellen unterstützen. Diese Antikörper sensibilisieren Mastzellen durch Bindung an Fc-Rezeptoren. Beim wiederholten Kontakt löst das Allergen dann durch Quervernetzung des gebundenen IgE die Aktivierung der Mastzellen aus. Dies führt zur Ausschüttung von Mediatoren wie Histamin, Proteasen, Leukotrienen und Prostaglandinen, welche meist binnen Minuten eine Entzündung, vor allem von Haut und Schleimhaut, hervorrufen (Tabelle 1). Mastzellen finden sich in allen Bindegeweben des Körpers, aber welche bei einer Allergie aktiviert werden, hängt vom Eintrittsweg des Allergens ab; z.B. aktivieren inhalative Allergene die Mastzellen in der Submukosa der Bronchien, Allergene aus Nahrungsmitteln hingegen die Mastzellen im Gastrointestinaltrakt.
In manchen Fällen, z.B. beim allergischen Asthma, setzt eine zweite Reaktion nach vier bis sechs Stunden ein (verzögerte Sofortreaktion). Diese ist ebenfalls von IgE und der Aktivierung von Mastzellen abhängig, wird aber von Zytokinen vermittelt. Dieser Teil der Typ-I-Allergie ist nicht mit der Spättyp-Reaktion der Typ-IV-Allergie zu verwechseln.
Grundlage der Typ-I-Allergie ist eine Fehlfunktion in der Regulation der IgE-Produktion. Normalerweise wird die Reaktion der TH2-Zellen auf Allergene durch regulatorische T-Zellen unterdrückt. Diese Suppression ist bei Allergikern vermindert, sodass die TH2-Zellen die IgE-Produktion durch B-Zellen unterstützen.3 Diese Überproduktion von IgE ist genetisch determiniert: Kinder, bei denen entweder ein oder beide Elternteile Allergiker sind, haben ein erhöhtes Allergierisiko. Auch nicht-genetische Faktoren begünstigen eine Typ-I-Allergie. Dazu gehören etwa eine intensive Allergenbelastung (z.B. bei berufsbedingter Exposition) sowie körperlicher oder psycho-sozialer Stress, der als Trigger für die Auslösung einer Allergie wirken kann.
Die klinischen Manifestationen der Typ-I-Allergie sind vielfältig. Bei der allergischen Rhinitis/Sinusitis (Heuschnupfen) kommt es vorwiegend zu einer gesteigerten Mukus-Produktion und einer Entzündung der oberen Atemwege; Nahrungsmittelallergien zeichnen sich durch eine erhöhte Peristaltik aus, und bei einer durch Bienenstiche, Medikamente oder Nahrungsmittel ausgelösten Anaphylaxie führen Vasodilatation und Larynxödem zu einem Blutdruckabfall und zur Atemwegsobstruktion. Im Falle der atopischen Dermatitis wird der Eintritt von Allergenen durch eine eingeschränkte Barrierefunktion der Haut erleichtert, z.B. durch Mutationen im Gen für Filaggrin.
Typ IV – verzögerte Reaktion
Bei der zweithäufigsten Allergieform, dem verzögerten Typ IV wird die Reaktion nicht durch Antikörper, sondern durch T-Lymphozyten vermittelt und erst nach 12 bis 72 Stunden sichtbar. Beim Erstkontakt mit dem Allergen werden die T-Zellen sensibilisiert. Beim wiederholten Kontakt setzen sie dann Lymphokine frei, die Entzündungsreaktionen auslösen und Makrophagen rekrutieren und aktivieren, welche wiederum weitere Mediatoren der Entzündung sezernieren.
Ein Beispiel ist die durch Nickel verursachte Kontaktdermatitis. Nickel-Kationen, die durch die Haut aufgenommen werden und in die Epidermis gelangen, wirken als Haptene, d.h. sie bilden immunogene Proteinkomplexe. In der Folge werden T-Zellen durch diese Komplexe sensibilisiert. Beim erneuten Nickel-Kontakt wird dann die Entzündung ausgelöst, welche als Ekzem mit Rötung, Schwellung und Schuppung der Haut erkennbar ist.
Tabelle 1: Die häufigsten Allergie-Typen
Allergietyp | Vermittler | Erscheinungsformen (Auswahl) |
Typ I (Sofortreaktion) |
IgE, diverse Botenstoffe |
Allergische Rhinitis und Konjunktivitis,
|
Typ IV (Spättyp) |
T-Zellen | Allergisches Kontaktekzem, Arzneimittel-Exanthem |
Warum sind Allergien heutzutage häufiger?
Das Verständnis der Mechanismen, die Allergien auslösen, ist ständig gewachsen und manche Erkrankungen, die in der Vergangenheit nicht als Allergien eingeordnet wurden, werden jetzt als solche klassifiziert. Dies führt sehr wahrscheinlich dazu, dass allergische Erkrankungen heute häufiger diagnostiziert werden. Darüber hinaus gibt es aber auch eine nachweisbare Zunahme von Allergien, vor allem in westlichen Industrieländern, die z.B. für allergische Rhinitis, Asthma und Nahrungsmittelallergien gut dokumentiert ist. Eine Reihe von Erklärungsversuchen für die höhere Inzidenz der Allergie wird in Folgendem diskutiert:
- Hygienehypothese: Hier nimmt man eine mangelnde Aktivierung des Immunsystems vor allem in der Kindheit durch übertriebene Hygienemaßnahmen an. Dagegen scheinen Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, gegen Allergie, Heuschnupfen und Asthma geschützt zu sein;4 auch haben Kleinkinder weniger Nahrungsmittelallergien, wenn sie in einem Haushalt mit Hund aufwachsen.5 Ebenso scheint eine frühzeitige unspezifische Immunstimulation durch den Besuch einer Kindertagesstätte in den ersten zwei Lebensjahren und eine höhere Anzahl älterer Geschwister vor der Entwicklung allergischer Erkrankungen zu schützen. Der Schutz solcher Kinder könnte durch vermehrten Kontakt mit manchen Bakterien bzw. mit von ihnen produzierten Endotoxinen erklärbar sein; diese scheinen wichtig zu sein, um das kindliche Immunsystem, das vor der Geburt eine TH2-Dominanz aufweist, in Richtung einer TH1-Antwort zu lenken. Ein anhaltendes Überwiegen der TH2-Antwort begünstigt die IgE-Produktion und damit die Typ-I-Allergie.
Offenbar kann die Allergieneigung eines Kindes auch schon vor der Geburt geprägt werden. Kinder von Frauen, die während der Schwangerschaft Kontakt zu Tieren, Getreide oder Heu hatten, bekommen im späteren Leben seltener allergische Atemwegs- und Hauterkrankungen.6 Darauf hinzuweisen ist auch, dass die heutzutage häufige Kaiserschnittentbindung mit einem erhöhten Asthma- und Allergierisiko einhergeht; als Ursache wird das Ausbleiben einer Stimulation des kindlichen Immunsystems durch Mikroben im natürlichen Geburtskanal diskutiert.
- Veränderungen der kommensalen Flora, insbesondere des Darms, ausgelöst durch den Einsatz von Antibiotika, könnten ebenfalls das Immunsystem beeinflussen und im Zusammenhang mit dem vermehrten Auftreten von Allergien stehen. Der Einsatz von Antibiotika in den ersten Lebensmonaten steigert die Inzidenz für allergische Erkrankungen.7
- Rückgang parasitärer Erkrankungen: Die physiologische Funktion von IgE-Antikörpern ist die Abwehr von Parasiten, z.B. Helminthen. Das Verschwinden parasitärer Erkrankungen in Ländern mit hohen Hygienestandards könnte zu einer Umlenkung des Immunsystems auf andere, eigentlich harmlose Antigene führen.8
- Erhöhte Allergenexposition: Eine Zunahme von Allergenen, die zu vermehrter Sensibilisierung führt, kann vielfältige Ursachen haben, so die Zunahme der Milbenexposition durch verbesserte Isolierung der Wohnungen oder der steigende Verzehr exotischer Lebensmittel. Auch wurden verschiedene Wechselwirkungen zwischen Allergenen und Umweltgiften beschrieben, die eine Verstärkung der Reaktion auf das Allergen bewirken.
Viele weitere Faktoren, die das Auftreten von Allergien beeinflussen könnten, werden diskutiert. Als erwiesen gilt, dass eine kürzere Stillzeit ein höheres Allergierisiko des Kindes bedingt. Auch die verbreitete Vitamin-D-Defizienz bei Kindern durch vermehrten Aufenthalt in Innenräumen könnte das Asthma-Risiko erhöhen. Eine in der Laienpresse mancherorts diskutierte Hypothese macht Impfungen für die Zunahme von Allergien verantwortlich – dies wurde jedoch durch groß angelegte Studien eindeutig widerlegt.9 Ganz im Gegenteil, Schutzimpfungen dürften sogar eher auch vor der Neuenstehung von Allergien schützen.10
Prävention im Kindesalter
Leitlinien zur Allergieprävention empfehlen das Stillen ohne Zufütterung für die Dauer der ersten vier Lebensmonate.11 Neuere Metaanalysen konnten den allergiepräventiven Effekt des Stillens jedoch nicht belegen.12 Trotzdem ist Stillen aufgrund anderer günstiger Effekte weiterhin stark empfohlen.
Wenn Vollstillen in den ersten Lebensmonaten nicht möglich ist, erhalten Säuglinge eine Kuhmilch-basierte Fertignahrung. Abweichend davon wird von aktuellen Leitlinien empfohlen, dass ein Säugling bei familiärer Vorbelastung, d.h. wenn mindestens ein Elternteil oder Geschwisterkind Asthma, allergische Rhinitis oder atopische Dermatitis hat, in den ersten vier Monaten hypoallergene Hydrolysat-Nahrung erhalten soll.11 Eine neuere Metaanalyse fand jedoch keine konsistente Evidenz, dass hydrolysierte Kuhmilchformula das Risiko für Allergien bei vorbelasteten Kindern senkt.14 Säuglingsernährung auf Basis von tierischen oder pflanzlichen Kuhmilchalternativen ist zur Allergieprävention ungeeignet.
Ab dem vollendeten 4. Monat kann Beikost gegeben werden. Dabei ist die Meidung potenter Nahrungsmittelallergene zur Allergieprävention nicht zielführend; umgekehrt gibt es auch keine Belege für einen präventiven Effekt durch die frühe Einführung solcher Allergene in die Ernährung des Kindes.11 Auch für die Mutter bedarf es in Schwangerschaft und Stillzeit keiner speziellen Diät zur Allergenprävention.
Fischkonsum der Mutter und des Kindes zeigt protektive Effekte, möglicherweise aufgrund der dadurch erfolgenden Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren. Vielleicht zeigt die Einführung von Fisch auch einfach nur an, dass eine höhere Vielfalt von Nahrungsmittel angeboten wird. Dass sich allein die Vielfalt der Nahrungsmittel im ersten Lebensjahr auf die Inzidenz z.B. von Asthma und allergischer Rhinitis auswirkt, ist durch Studien belegt.13
Ein präventiver Effekt der Gabe von Präbiotika im Säuglings- und Kleinkindalter konnte bislang nur für die atopische Dermatitis gezeigt werden. Aktuelle Leitlinien auf Grund mangelnder Studienlage sprechen keine konkrete Empfehlung dazu aus.11
Bei familiärer Vorbelastung des Kindes sollte von der Anschaffung einer Katze als Haustier Abstand genommen werden. Insbesondere für vorbelastete Kinder – aber auch zur allgemeinen Primärprävention – gilt, dass Übergewicht, Belastung mit Tabakrauch, Luftschadstoffen und Schimmelpilzen vermieden werden soll.11
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Referenzen
- Griebler R et al.: Österreichischer Gesundheitsbericht 2016. Wien, Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (2017)
- Abbas A et al.: Basic immunology – Functions and disorders of the immune system. Elsevier 2015
- Robinson DS et al. J Clin Invest 2004; 114:1389–97
- Riedler J et al. Lancet 2001; 358:1129–33
- Marrs T et al. Allergy 2019; 74:2212–19
- Douwes J et al. Eur Respir J 2008; 32:603–11
- Zven SE et al. JAMA Pediatr 2019; doi:10.1001/jamapediatrics.2019.4794
- Yazdanbakhsh M & Matricardi PM Clin Rev Allergy Immunol 2004; 26:15–24
- Swartz J et al. EClinicalMedicine. 2018; 4-5:92–98
- Laubereau B et al. Eur J Med Res 2002; 7:387–92
- Schäfer T et al. Allergo J Int 2014; 23:186
- Heinrich J. Curr Opin Clin Nutr Metab Care 2017; 20:217–21
- Roduit C et al. J Allergy Clin Immunol 2014; 133:1056–64
- Boyle RJ et al. BMJ 2016; 352:i974