12. Juli 2018

Die Knaus-Methode – letztlich an der Pille gescheitert

Vor 48 Jahren starb jener österreichische Gynäkologe, der als Entwickler einer Zeitwahlmethode zur natürlichen Empfängnisverhütung in die Geschichte einging. MT traf seine Biografen. (Medical Tribune 27-28/18) 

Natürliche Verhütung ist eng mit dem Kärntner Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Knaus verbunden. Dass seine Methode letztlich an der Entwicklung der „Pille“ scheiterte, schmälert seine Leistung nicht. Über Knaus’ ereignisreiches Leben (1892–1970) kam 2017 eine spannende Biografie heraus, die den einst weltbekannten Wissenschaftler präsent machen. MT hat mit den Autoren Dr. Susanne Krejsa MacManus und Dr. Christian Fiala, die auch das „Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch“ in Wien 15 betreiben, über den „Detektiv der fruchtbaren Tage“ sowie die Philosophie des Natürlichen gesprochen.

Wie ist es Knaus gelungen, methodisch den Ovulationstermin bestimmen zu können?

MacManus: Knaus hatte sich von Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere mit Hormonen beschäftigt. In diesem Zusammenhang hat er Versuche mit Muskelstreifen von Gebärmüttern von Kaninchen gemacht und diese mit dem Extrakt von Hypophysen beträufelt. Er konnte beobachten, dass sich die Gebärmutter zusammenzieht, außer bei den Tieren, bei denen er im Ovar einen „gelben Körper“ beobachtete. Zu diesem Zeitpunkt war ihm aber die Interpretation des Beobachteten für den Menschen noch nicht möglich. Etwas später war er zu Besuch in Berlin, wo gerade das Röntgen eingeführt wurde. Es wurde damals alles geröntgt, so auch Frauen beziehungsweise deren Gebärmutter. Diesen wurde unter anderem auch Hypophysenextrakt gespritzt, und bei manchen Frauen konnte eine Kontraktion der Gebärmutter beobachtet werden, bei anderen nicht.

Die Ärzte konnten sich dieses Phänomen nicht erklären und diskutierten es mit dem zufällig anwesenden Knaus. Dieser erinnerte sich an seine Versuche mit Kaninchen und vermutete, dass dies mit dem Eisprung zusammenhängen könnte. Er machte die Röntgenuntersuchungen bei einigen Frauen täglich und bestimmte den Tag, an dem die Gebärmutter sich nicht mehr kontrahierte. Das war für ihn der Tag des Eisprungs. Und diesen Tag setzte er in den Zyklus ein. So konnte er beobachten, dass der Zeitpunkt vom Eisprung bis zur nächsten Regel immer 14 Tage betrug. Damit hatte er die Berechnung der fruchtbaren Tage und die Funktion des Zyklus entdeckt und damit den Grundstein für die Selbstbestimmung der Fruchtbarkeit gelegt.

Haben Knaus und Ogino während ihrer Studien von den Erkenntnissen des anderen gewusst?

Fiala: Im Gegensatz zu Knaus’ Erkenntnisweg über die veränderten Eigenschaften der Gebärmuttermuskulatur ging Kyūsaku Ogino einen anderen Weg: Bei den damals erstmals möglichen routinemäßigen gynäkologischen Operationen inspizierte er die Eierstöcke und gegebenenfalls den Gelbkörper. Er kannte die aktuelle deutsche Wissenschaftsdiskussion aus Übersetzungen dank seiner Deutschkenntnisse – in Japan waren medizinische Fachbegriffe deutsch, vergleichbar unseren heutigen lateinischen und griechischen Fachtermini. Seine Beobachtungen veröffentlichte er 1923 auf Japanisch im „Hokuetsu Medical Journal“: Darin kritisierte er die bis dahin gebräuchliche Rechenweise, den Tag des Eisprunges ab dem ersten Tag der Menstruation zu berechnen. Stattdessen kommt er wie Knaus zu dem Schluss, es müsse der Termin des Eisprunges vom zu erwartenden Einsetzen der nächsten Regel zurückgerechnet werden. Daraus und aus dem Zusammenhang zwischen Eisprung und der Entwicklung des Gelbkörpers konnte er bestimmen, an welchen Tagen eine Befruchtung möglich ist und an welchen nicht. In Europa waren Oginos japanische Arbeiten zu dieser Zeit allerdings noch nicht bekannt. Zwar besuchte er Deutschland im Jahr 1928, veröffentlichte aber seine deutschsprachige Arbeit erst nach Knaus’ Publikation.

Worauf basiert die Charakterisierung Knaus’, er sei „undiplomatisch, rechthaberisch, unangenehm“ gewesen?

MacManus: Im Unterschied zur heutigen Publikationskultur konnte Knaus in seine Arbeiten viel Persönliches einfließen lassen – was natürlich für jeden Biografen ein großes Glück ist. Man muss aber auch sagen, dass Knaus gleich in die ganze wissenschaftliche Runde gewütet hat und richtig spotten konnte. Diese verbalen Schlachten wurden nicht von allen goutiert: So wurde z.B. bei der Sitzung der Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie in Berlin 1942 „der dringende Wunsch ausgesprochen, dass die Publikationsart wieder in ein ruhiges wissenschaftliches Fahrwasser kommt und ihre Schärfe abstreift“. Von Verbindlichkeit, Zeichen kollegialer Wertschätzung oder gar diplomatischer Zurückhaltung ist in seinen Schriften wenig zu bemerken. Im Gegenteil: Wer anderer Meinung ist, wird von ihm abgekanzelt, öffentlich kritisiert, bloßgestellt – ohne Ansehen der Person. Er machte auch vor denen nicht halt, deren Wohlwollen er für einen angestrebten Job nötig gehabt hätte.

Herr Dr. Fiala, warum meinen Sie, dass es ein Widerspruch ist, die Knaus-Methode als natürliche Empfängnisverhütung zu bezeichnen?

Fiala: Natürlich ist es, wenn Frauen im Durchschnitt 15-mal schwanger werden. Demgegenüber möchten die meisten Menschen weniger Kinder und Anzahl sowie Zeitpunkt selbst entscheiden. Das ist definitionsgemäß ein künstlicher Eingriff in den „natürlichen“ Ablauf der Dinge. Somit ist eine „natürliche Verhütung“ ein inhärenter Widerspruch. Diesen Widerspruch hat Knaus in die Welt gesetzt* und an diesem Widerspruch, beziehungsweise der dadurch ausgelösten Illusion, scheitern heute noch viele Frauen, die dann „ganz natürlich“ schwanger wurden und zum Abbruch kommen. Ferner ist „Empfängnis“ ein religiöser Begriff, zu dem es medizinisch/biologisch kein Äquivalent gibt.

Ist die Selbstbestimmung der Frauen, ob Kinder ja oder nein, nicht auch „natürlich“?

Fiala: Das ist vermutlich eine philosophische Frage, was „Natürlichkeit“ ist. Man kann einerseits sagen, dass alles, was es auf der Welt gibt, „natürlich“ ist, weil alles aus der Natur heraus geschaffen wurde. Demgegenüber wird unter „natürlich“ meist verstanden beziehungsweise vermittelt, dass kein Eingriff erfolgte. So leben z.B. die Hutterer oder die Amish in den USA ihre Fruchtbarkeit ganz „natürlich“ und bekommen so viele Kinder, wie eben passieren. Diesem Konzept von „Natürlichkeit“ steht die „Verhütung“ gegenüber. Verhütung ist implizit Selbstbestimmung über die eigene Fruchtbarkeit, unabhängig davon, was die Natur vorgegeben hat. Genau an dieser Frage ist unter anderem auch der Vatikan durch die Einführung der Pille zerbrochen. Die Enzyklika Humanae Vitae und die jahrelange Auseinandersetzung im Vorfeld drehte sich genau um diese Frage, wie weit ist Selbstbestimmung natürlich, beziehungsweise im konkreten Fall wurde es geringfügig anders formuliert, wie viel Selbstbestimmung ist von Gott gewollt und kann von der Kirche akzeptiert werden.

* Knaus sprach von einer „natürlichen und dennoch willkürlichen Regelung der Fortpflanzung“. 

Buchtipp
S. Krejsa MacManus, C. Fiala:
Der Detektiv der fruchtbaren Tage – Die Geschichte des Gynäkologen Hermann Knaus (1892–1970).
Verlagshaus der Ärzte, Wien 2017
ISBN 978-3-99052-146-5

 

 

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune