19. Juni 2018Dr. Christoph Kamhuber

M. Hodgkin: Maximale Tumortherapie bei minimaler Toxizität

Wir haben mehrere österreichische Ärzte nach dem Besuch verschiedener Veranstaltungen zum Informationswert der Veranstaltungen und nach ihren persönlichen Eindrücken befragt. Dr. Christoph Kamhuber vom Krankenhaus Schwarzach hat die Session “Hodgkin Update 2018” besucht.

Sein Fazit: Aktuell bleibt die doch erhebliche Toxizität von Radiotherapie und Chemotherapie bei M.-Hodgkin-PatientInnen eine Herausforderung. Dazu zählen sekundäre Leukämien aufgrund der Therapien mit Alkylanzien und Etoposid sowie Lungenfibrose bei Bleomycin und die koronaren Herzerkrankungen bzw. sekundäre solide Tumoren wie Brustkrebs und Lungenkrebs nach Radiotherapie.

Das seit 1980 bestehende ABVD-Chemotherapie Schema soll bei M.-Hodgkin-Patienten mit günstiger Prognose (Stadium I, IIA) nach 3 Zyklen mittels PET kontrolliert werden und bei PET-Negativität ist die Nachsorge einer anschließenden Involved Field Radiatio nicht unterlegen. Mit PET-Positivität erhalten Patienten noch einen 4. Zyklus ABVD und danach die Bestrahlung (laut RAPID Trial). Grundsätzlich sollte bei unter 25-Jährigen die Bestrahlung vermieden werden, ebenso die Radiatio in Herznähe. Bei Patienten mit guter Prognose kann die Strahlendosis auf 20 Gray reduziert werden.

Einen entscheidenden Stellenwert in der Therapie des M. Hodgkin hat die PET Untersuchung nach zwei Chemotherapie-Zyklen (PET2). Als komplette Remission gilt ein Deauville-Score von 1 bis 3.  Bereits mehrere Studien zeigen, dass die PET2 für die Prognose entscheidend ist und den IPS-Score diesbezüglich verdrängt hat.

Bei Patienten mit Advanced Hodgkin Disease spielt der Einsatz von Brentuximab Vedotin anstelle des toxischen Chemotherapeutikums Bleomycin eine große Rolle. In der ECHELON-1-Studie wurde A (Brentuximab Vedotin) + AVD mit ABVD in der First Line bei Patienten mit Hodgkin Disease Stadium III und IV verglichen. Das 2-Jahres-PFS fällt um 5% besser zugunsten von A + AVD aus (82% vs. 77%). Die Toxizität zeigt beim A + AVD vermehrt Neutropenien und Neuropathien, beim ABVD vermehrt pulmonale Nebenwirkungen. Anzumerken ist, dass diese Studie nicht PET-kontrolliert war.

Auch beim BEACOPP-Schema laufen derzeit Studien, bei denen einzelne Chemotherapie- Komponenten durch Brentuximab Vedotin (BV) ersetzt werden sollen. In Zukunft werden Bleomycin und Vincristin zugunsten von BV wegfallen, Dacarbazin soll anstelle des toxischen Procarbazins verwendet und die Kortisongabe auf eine kürzere Zeitspanne beschränkt werden.

Aktuell gibt es außerhalb von Studien keine Indikation für Brentuximab Vedotin in der First Line des fortgeschrittenen M. Hodgkin. EscBEACOPP zeigt im Vergleich mit ABVD keinen Unterschied im OS, dafür aber im PFS zugunsten von escBEACOPP. Das zeigt sich auch in einer deutlich besseren Tumorkontrolle. Somit sollten Patienten mit guter Prognose ABVD 2-mal und bei negativer PET2  4 weitere Zyklen AVD (ohne Bleomycin) erhalten. Bei ungünstiger Prognose werden 2-mal escBEACOPP und nach negativer PET2  4 weitere Zyklen A(B)VD empfohlen.

Bei Patienten mit RR-HL (refraktärer/relapsierter M. Hodgkin) ist die genaue Beurteilung und Einschätzung des Allgemeinzustandes bzw. der Belastbarkeit entscheidend, da die Salvage- Therapien (ICE, DHAP, Dexa Beam, …) zwar eine ORR von 80% zeigen, aber sehr toxisch sind. Auch die autologe Transplantation setzt einen guten Performance-Status voraus. Die Radiatio hat grundsätzlich nur bei Patienten mit lokalisiertem RR-HL einen Stellenwert.

Brentuximab Vedotin ist gemäß der AETHERA-Studie beim High Risk RR-HL nach ASCT als Erhaltungstherapie indiziert und zugelassen. Das mediane PFS kann dadurch von 24 auf 42 Monate verlängert werden. Im OS zeigt sich kein Vorteil, was möglicherweise auf die hohe Cross-over-Rate von 85% zurückzuführen ist. Aktuell läuft die Auswertung des 4-Jahres-Follow-ups. Studien von Brentuximab Vedotin in Kombination mit anderen Chemotherapie-Schemen (Bendamustin, DHAP, …) beim RR-HL sind am Laufen.

Der Checkpoint-PD-1-Inhibitor Nivolumab ist seit 2017 beim RR-HL zugelassen, die ORR beträgt 70% bei einer CR von 20%. In Kombination mit Brentuximab Vedotin kann eine ORR über 80% erreicht und die Rate der kompletten Remissionen deutlich gesteigert werden. Phase-III-Studien zu dieser Kombination sind noch ausständig. Zurzeit werden auch Studien zum Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab in Monotherapie und in Kombination durchgeführt.

Betreffend die Untersuchungen zur PD-L1-Expression bei Morbus-Hodgkin-Patienten ist zu erwähnen, dass Patienten mit niedriger PD-L1-Expression eher zu einer Progression unter Nivolumab neigen, dies hat aber für die Verordnung von Nivolumab im aktuellen klinischen Alltag keine Relevanz. Gegenstand aktueller Studien ist die Verlaufskontrolle unter Therapie des M. Hodgkin anhand von zirkulierender Tumor-DNA.

EHA 2018
Hodgkin Update 2018