Die HPV-Impfung ist bis 40+ sinnvoll

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Seit mittlerweile zwölf Jahren ist die HPV-Impfung in Österreich verfügbar. Für Univ.-Prof. Dr. Elmar Joura, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität Wien, ein willkommener Anlass, auf bereits Erreichtes zurückzublicken und über aktuelle Entwicklungen zu informieren. „Die erste Generation der Impfstoffe war hocheffektiv in der Verhinderung von hochgradigen Läsionen, die durch HPV 16 und 18 ausgelöst werden“, betont der Experte. Eine finnische Studie zeigte:

  • HPV-naive Mädchen wurden durch den Zwei- oder Vierfach-Impfstoff zu 97–100 Prozent vor dem HPV 16/18-assoziierten präkanzerösen Zervixkarzinomstadium CIN3+ geschützt.
  • Im Gesamtkollektiv der Geimpften (inklusive jener, die bereits eine HPV-Infektion oder HPV-assoziierte Erkrankung hatten), lag die Wirksamkeit bei etwa 45 Prozent.

Lange Zeit heftig diskutiert wurde die Frage, ob und wie gut die beiden Impfstoffe auch vor den nicht in den Vakzinen enthaltenen HPV-Stämmen schützen. Zumindest für HPV 31 scheint es eine gewisse Kreuzprotektion zu geben, so das Ergebnis einer Metaanalyse des Center for Dis­ease Control and Prevention in Atlanta. Die Daten für HPV 33 und 45 waren hingegen inkonsistent. „Die Schutzwirkung dauert allerdings nicht lange an“, erklärt Joura. „Nach fünf bis sechs Jahren ist die Kreuzprotektion nicht mehr nachweisbar.“ Noch eine Erkenntnis: Das Zervixkar­zinom ist nach wie vor das wichtigste HPV-assoziierte Karzinom. HPV-Infektionen sind aber auch für eine Vielzahl von oropharyngealen Karzinomen verantwortlich und können zudem Mali­gnome an Vulva, Vagina und Anus verursachen.

Schutz durch Herdeneffekte

In Australien, einem Land, in dem die Durchimpfungsrate bei Mädchen und Frauen zwischen elf und 26 Jahren über 80 Prozent liegt, kam es innerhalb von zehn Jahren durch das breit angelegte Impfprogramm nicht nur bei Geimpften zu einem dramatischen Rückgang der Infektionen mit den Impfstämmen, sondern auch bei Nicht-Geimpften. Ganz ähnliche populationsbasierte Effekte zeigte auch eine Studie aus Schottland. „Bei einer guten Durchimpfungsrate sieht man also auch Herdeneffekte“, hebt Joura hervor. Selbst in den USA, die nur eine Durchimpfungsrate von 40 Prozent aufweisen, kam es innerhalb von vier Jahren nach Einführung der Impfung bei jungen Frauen zu einem Rückgang bei den Impftypen von über 50 Prozent.
Auf dem Rückzug sind aber nicht nur die Infektionen: „Bereits drei Jahre nach Einführung des Impfprogramms hat man in Aus­tralien gesehen, dass höhergradige Dysplasien bei unter 18-Jährigen rückläufig sind“, berichtet Joura.
Ein Trend, der sich mittlerweile auch in höheren Altersgruppen beobachten lässt. Ende letzten Jahres veröffentlichen finnische Forscher Daten, die belegen, dass die Impfung überdies invasive HPV-­assoziierte Karzinome verhindert: Während in einer Kohorte von nicht geimpften Frauen im siebenjährigen Beobachtungszeitraum acht derartige Malignome aufgetreten waren, gab es in der gleichaltrigen Gruppe der Geimpften keinen einzigen Fall eines HPV-assoziierten Karzinoms.

Soll breiter geimpft werden?

Zielkohorte für die Impfung sind in Österreich Kinder der vierten Klasse Volksschule. Wäre es sinnvoll, breiter zu impfen? Die Antwort auf diese Frage gibt eine australische Studie, in der in einer Modellrechnung gezeigt wurde, wie groß der Beitrag der Nachhol­impfungen (d.h. die Tatsache, dass in Australien Frauen routinemäßig bis zum Alter von 26 Jahren ge­impft werden) zum deutlichen Rückgang der HPV-assoziierten Erkrankungen war. Joura empfiehlt, das Thema Impfung zumindest bis zum 40. Lebensjahr anzusprechen. Besonderes Augenmerk sollte auf Frauen mit HPV-assoziierten Erkrankungen in der Vorgeschichte gerichtet werden. Wie man heute weiß, haben diese nämlich ein deutlich erhöhtes
Risiko, im Laufe ihres Lebens an HPV-assoziierten Präkanzerosen und Karzinomen zu erkranken.

Neunfach-Impfstoff

Seit zwei Jahren steht ein Impfstoff zur Verfügung, der zusätzlich zu HPV 16 und 18 fünf weitere onkogene Stämme (HPV 31, 33, 45, 52, 58) und zwei HPV-Typen, die Genitalwarzen verursachen (HPV 6 und 11), abdeckt. Mit diesem konnten in einer randomisierten, doppel­blinden Studie zervikale, vulväre und vaginale Erkrankungen, die durch die fünf neu enthaltenen Stämme ausgelöst werden, um 97,4 Prozent reduziert und unmittelbare Karzinomvorstufen (CIN 3) sogar zu 100 Prozent verhindert werden. Für die Kostenträger interessant ist das Einsparungspotenzial bei Behandlungen: Die Zahl der Konisationen, die durch die fünf Stämme bedingt waren, nahm um 90 Prozent ab, PAP-Auffälligkeiten um 93 Prozent.
Wie lange hält der Impfschutz an? Untersucht man die Antikörperspiegel, ist der Kurvenverlauf bei allen neun Stämmen völlig gleich: Nach drei Dosen ist ein Peak zu beobachten und dann über zumindest fünf Jahre ein stabiles Plateau. Vom Vierfach-Impfstoff liegen bereits 12-Jahres-Daten vor: Bei Frauen, die zum Zeitpunkt der Impfung HPV 16/18-negativ waren, gab es in diesem Zeitraum keine einzige Durchbruchserkrankung.

Durchimpfungsrate steigern

Nachholbedarf besteht in Österreich noch bei der Durchimpfungsrate. Laut einer französischen
Berechnungen müssen nicht einmal hundert zwölfjährige Mädchen mit dem Neunfach-­Impfstoff geimpft werden, um ein Karzinom zu verhindern. Bezieht man auch Krebsvorstufen und Kondylome mit ein, profitiert jedes vierte Mädchen von der HPV-Impfung, die von der WHO als extrem sicher klassifiziert wurde.
Zahlen, die Joura hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lassen, und er setzt auf die Beratung durch Ärzte und Apotheker: „Wenn wir Vorsorge und die Impfung intelligent kombinieren, haben wir die echte Chance, das Zervixkarzi­nom und andere HPV-assoziierte Kar­zinome vollständig zu eliminieren!“

Jahrestagung der OEGGG; ­Mai 2018