15. Juni 2021Rheumatoide Arthritis

EULAR 2021: Die Qual der Wahl bei Eskalation der RA-Therapie

Die aktuellen Leitlinien sehen in der Therapie der rheumatoiden Arthritis bei Versagen konventioneller, synthetischer DMARDs eine Therapieeskalation auf ein Biologikum oder einen JAK-Inhibitor vor. Die Frage, welcher Substanzklasse oder welchem konkreten Medikament der Vorzug zu geben ist, lässt sich jedoch nicht evidenzbasiert beantworten.

Twenty four pills one being picked up
iStock/Martin Barraud

Dr. Andreas Kerschbaumer von der Medizinischen Universität Wien präsentierte den Fall einer 31-jährigen Patientin, die seit zwei Jahren unter seropositiver rheumatoider Arthritis mit hohen Titern von Rheumafaktor (263 IU/ml) und ACPA (>340 U/ml) leidet.

Die Behandlung erfolgte zunächst mit Sulfasalazin, da die Patientin zum Zeitpunkt der Diagnose stillte. Auf diese Therapie sprach sie zunächst gut an und blieb ein Jahr lang in CDAI-Remission, bis es unter laufender Therapie zu einem Flare mit CDAI 25 kam. Nach einer kurzen Glukokortikoid-Behandlung wurde eine DMARD-Therapie zunächst mit oralem Methotrexat (25mg pro Woche) eingeleitet, die nach einem Monat wegen Übelkeit auf subkutanes Methotrexat in der gleichen Dosierung umgestellt werden musste. Allerdings zeigte die Patientin nach drei Monaten noch immer moderate Krankheitsaktivität mit einem CDAI von 13,6, starken Schmerzen (VAS 68mm) sowie 60-minütiger Morgensteifigkeit.

Therapieversagen – was nun?

Alles in allem habe man es hier mit einem Fall von Methotrexat-Versagen zu tun, so Univ.-Prof. Dr. Daniel Aletaha von der Medizinischen Universität Wien. Mit einem CDAI von 13,6 sei weder das primäre Therapieziel Remission noch das sekundäre Ziel niedrige Krankheitsaktivität (Schwellenwert 10) erreicht. Eine Weiterführung der Therapie verspricht nach drei Monaten nur minimale Aussichten auf Erfolg. Nach dem Treat-to-Target-Konzept sei also eine Eskalation der Therapie und damit die Umstellung auf ein Biologikum oder einen JAK-Inhibitor geboten, zumal die Patientin bislang bereits auf zwei synthetische DMARDs nicht angesprochen hat.

Schwieriger als diese Entscheidung sei allerdings die konkrete Wahl des Medikaments, so Aletaha. Die klinische Erfahrung zeigt, dass die Chancen auf einen Therapieerfolg mit dem ersten gewählten Biologikum weitgehend davon unabhängig sind, auf welches Biologikum die Wahl fällt, zumal die in den verschiedenen Studien beobachteten Ansprechraten von der untersuchten Population und nicht vom untersuchten Medikament abhängen.1 Aktuell gibt es keine Biomarker, anhand derer sich ein Ansprechen auf ein bestimmtes Medikament oder einen bestimmten Wirkmechanismus vorhersagen ließe.2

Die zweite Option in derselben Guideline-Box sind die tsDMARDs (targeted synthetic DMARDs), worunter aktuell nur die JAK-Inhibitoren fallen. Der wesentliche Unterschied zwischen Biologika und JAK-Inhibitoren besteht darin, dass Biologika jeweils ein bestimmtes Ziel sehr effizient inhibieren, während JAK-Inhibitoren eine breitere Wirkung zeigen, dabei aber zu keiner kompletten Inhibition ihrer Targets führen.

Ergebnisse aus Vergleichsstudien

Was das klinisch bedeutet, ist schwierig zu beantworten, zumal direkte Vergleichsstudien rar sind. Die ORAL-Strategy Studie zeigte die Nicht-Unterlegenheit von Tofacitinib im Vergleich zu Adalimumab.3 Für Baricitinib konnte in der RA-BEAM Studie im Vergleich zu Adalimumab Überlegenheit demonstriert werden.4  Ebenso erwies sich in SELECT-COMPARE Upadacitinib in der Kombination mit MTX als überlegen im Vergleich zu Adalimumab und MTX.5  Filgotinib erwies sich in der Studie FINCH 1 im Vergleich zu Adalimumab als nicht unterlegen.6

Risiken, Nebenwirkungen und Präferenzen der Patienten

Diese Datenlage mache die Entscheidung nicht leicht und gebe Anlass zu verschiedenen Diskussionen, so Aletaha. Wobei anzumerken sei, dass Wirksamkeit nicht das einzige Kriterium für die Wahl eines Medikaments darstellt. Allerdings lassen sich auch aus den Nebenwirkungen keine generellen Empfehlungen für Biologika oder JAK-Inhibitoren ableiten. Sehr wohl können aber besondere Risikosituationen im individuellen Fall die Entscheidung bestimmen. So seien beispielsweise Patienten mit bekanntem Herpes Zoster keine idealen Kandidaten für die Therapie mit einem JAK-Inhibitor.

Andererseits mehren sich jedoch auch Hinweise auf Effekte bestimmter Substanzen und Wirkmechanismen über die Krankheitsaktivität hinaus. Diskutiert wird beispielsweise eine spezifische Wirkung auf die Schmerzsymptomatik. Direkte Vergleichsdaten fehlen hier jedoch und abgeleitete Vergleiche aus unterschiedlichen Studien sind grundsätzlich mit Skepsis zu sehen. Möglicherweise ist Baricitinib jedoch eine gute Option für Patienten mit ausgeprägten Schmerzen.7

Nicht zuletzt kommt die Frage nach den Patientenwünschen ins Spiel. Diese sind individuell verschieden. So bevorzugen manche Patienten  orale Therapien, während andere die parenterale Applikation favorisieren. Dies müsse mit dem Patienten besprochen werden und in eine gemeinsame Entscheidungsfindung einfließen.

Referenzen
  1. Smolen JS, Aletaha D, Ann Rheum Dis 2013 Jan; 72(1):3–6
  2. Cuppen BV et al., Rheumatology (Oxford) 2016 May; 55(5): 826–39
  3. Fleischmann R et al., Lancet 2017 Jul; 390(10093):457–468
  4. Taylor P et al., N Engl J Med 2017 Feb 16; 376(7):652–662
  5. Fleischmann R et al., Arthritis Rheumatol 2019 Nov; 71(11):1788–1800
  6. Combe B et al., Ann Rheum Dis 2021 Jan; annrheumdis-2020-219214
  7. Fautrel B et al., RMD Open 2020 Apr; 6(1):e001131

Virtueller Kongress der European League Against Rheumatism (EULAR), 2.–5.6.21