„Gute und schlechte Nachrichten überbringen“
Kommunikation mit Patientinnen und Patienten ist eine Basis-Kompetenz in der ärztlichen Praxis: Sie unterstreichen damit Ihre Professionalität und bauen vertrauensvolle Beziehungen auf. Fürchten Sie sich nicht vor dem Überbringen von schlechten Nachrichten, denn was als „gut“ oder „schlecht“ erlebt wird, hängt stets von der individuellen Situation der Person ab.
Sicher haben Sie sich schon einmal gefragt, was professionelle Kommunikation zwischen Arzt/Ärztin und seiner bzw. ihrer Patientenklientel ausmacht. Die Dauer des Gespräches gibt dabei nicht allein den Ausschlag, denn auch in 3 Minuten ist qualitätsvolle Kommunikation möglich. Bedenken Sie stets: Je professioneller Sie kommunizieren, desto eher bauen Sie eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung auf. Diese ist wiederum eine Voraussetzung für die Zusammenarbeit im Sinne der Adhärenz. Ohne das in Sie und Ihre ärztliche Tätigkeit gesetzte Vertrauen sind die beste Diagnose und Therapie nutzlos.
Der erste Eindruck, den Sie ihren Patientinnen und Patienten vermitteln, ist entscheidend. Es ist kein Fehler, sich beim ersten Kontakt namentlich vorzustellen, umso mehr, wenn Sie die Ordination gerade eröffnet oder von Ihrem Vorgänger übernommen haben. Begrüßen Sie Ihren Patienten oder Ihre Patientin jedes Mal höflich und freundlich und eröffnen Sie das Gespräch mit einer offenen Frage, etwa „Was führt Sie heute zu mir?“ oder „Womit kann ich Ihnen helfen?“.
Hören Sie aufmerksam zu und lassen Sie die Person ausreden, wenn Ihr Gegenüber sein Anliegen vorbringt. In der Regel haben Patientinnen und Patienten kein Interesse daran, mehr Zeit als nötig in der Ordination zu verbringen, und werden sich auch möglichst kurz halten. Anerkennen Sie, dass er oder sie heute zu Ihnen gekommen ist, um Ihre Hilfe zu suchen. Viele Patientinnen und Patienten fühlen sich unsicher, ob ihre Symptome auch „wichtig genug“ sind, um Sie damit zu belangen. Keinesfalls sollten Sie bei ernsthaften Erkrankungen Sätze wie „Warum kommen Sie erst jetzt?“ äußern, denn damit bauen Sie unnötig Schuld- oder Schamgefühle auf und schließlich hat sich die Patientin bzw. der Patient nun überwunden, zu Ihnen zu kommen!
Heikle Befundmitteilungen
Kommen Patientinnen und Patienten zur Befundbesprechung, dann werden Sie vermutlich vorab das Gespräch nach guten oder schlechten Nachrichten einschätzen, je nachdem, wie Sie selbst das Untersuchungsergebnis beurteilen. Dabei ist diese Kategorisierung in „gut“ oder „schlecht“ durchaus eine subjektive, wie die folgenden 3 Beispiele untermauern:
- Wenn Sie in der Frauenheilkunde eine Schwangerschaft mit „Gratuliere Ihnen, Sie erwarten ein Kind“ übermitteln und die Frau in ihrer momentanen Lebenssituation mit einer ungeplanten Schwangerschaft völlig überfordert ist;
- Wenn die Abklärung im Hinblick auf eine onkologische Erkrankung mit der Diagnose nach einer langen Zeit der Unsicherheit Gewissheit schafft, Ruhe in den Prozess bringt und eine Orientierung nach vorne zu den nächsten Therapieschritten ermöglicht;
- Wenn die Diagnose „Diabetes mellitus“ aus internistischer Sicht nicht als „schlimme“ Erkrankung angesehen wird, da sie als gut behandelbar gilt, für einen jungen Erwachsenen in der Ausbildung zum Berufspiloten aber die gesamte Lebensplanung mit einem Schlag zerstört.
Das bedeutet, dass Sie unabhängig von dem, was der Befund für Sie persönlich bedeuten würde, die Diagnose so sachlich und neutral wie möglich mitteilen sollten. Allein der Gedanke „Für mich wäre das schlimm“ drückt sich nonverbal in Ihrer Haltung oder Stimmlage aus und kann den Verlauf des Gesprächs maßgeblich beeinflussen.
Empathie haben
Wenn Sie vermuten, die Diagnose könnte für die Patientin oder den Patienten schwierig zu verarbeiten sein: Planen Sie genügend Zeit für das Gespräch ein und bestellen Sie z.B. die Person am Ende der Ordinationszeit. Damit gewinnen Sie mehr Raum für Empathie, als wenn Sie draußen ein volles Wartezimmer haben. Vermeiden Sie Adjektive wie „leider“ oder „wie befürchtet“.
Teilen Sie mit, was Sache ist, und warten Sie ab, um den Betroffenen Zeit zur Verarbeitung zu geben. Sie müssen nicht sofort alle Therapiemöglichkeiten aufzählen, vor allem wenn die Patientin bzw. der Patient in der emotionalen Reaktion einmal „weg“ ist. Fragen Sie lieber nach, welche Gedanken ihr/ihm gerade durch den Kopf gehen bzw. was er/sie verstanden hat oder welche Fragen auftauchen.
Es ist bei lebensbedrohlichen Erkrankungen nicht nötig, sofort mit der statistischen Lebenserwartung aufzuwarten. Um Mittelwerte und Signifikanzen zu interpretieren, braucht es enorm viel Kenntnis. Die Patientin bzw. der Patient ist schließlich keine Prüfungsfrage und auch als ganzheitliches Individuum wahrzunehmen. Falls er oder sie es wirklich wissen will, dann können Sie Ihren aktuellen Kenntnisstand vermitteln, aber auf die im Einzelfall von vielen Faktoren abhängigen Verlaufsformen verweisen.
Kommunikationstraining an der Medizinischen Universität Innsbruck
Das Projekt „eLearning Doctor-Patient Communication Skills“ von PD Mag. Dr. Stefan Höfer und seinem Team wurde kürzlich in den Atlas der guten Lehre des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung aufgenommen. Die Studierenden bereiten sich durch so genannte Doodle-Videos, in denen verschiedene Kommunikationssituationen dargestellt sind, auf zentrale Gesprächstechniken online vor. Wenn sie dann zu den Praktika kommen, wo mit Simulationspatienten gearbeitet wird, können sie direkt in die Übungen einsteigen. Das Gesprächstraining wird auf Video aufgezeichnet, sodass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gute Reflexionsmöglichkeiten für ihr Kommunikationsverhalten bekommen.
Dass es dann in der ärztlichen Praxis dennoch immer wieder dazu kommt, dass Patienten oder Patientinnen darüber klagen, der Arzt/die Ärztin habe ihnen gar nicht richtig zugehört, dürfte auch daran liegen, dass es im Laufe der praktischen Ausbildung im Spital verschiedene „Role Models“ für die ärztliche Kommunikation gibt, die dem Gelehrten entgegenstehen. Wertschätzung und, wenn nötig, Empathie sollten heute allerdings eine Selbstverständlichkeit sein.
Blitztutorial für Eilige
Sätze, die Sie – wenn nötig und sinnvoll – anwenden können:
- Gut, dass Sie jetzt gekommen sind.
- Entschuldigen Sie bitte, dass Sie warten mussten.
- Ich tue mein Bestes.
- Wir können auch abwarten.
- Das muss wirklich eine große Belastung für Sie sein.
- Das weiß ich jetzt nicht. (Ja, richtig, Sie dürfen auch die Grenzen Ihres Wissens ansprechen.)
- Sie können zuversichtlich sein. Sie können sich entspannen.
Folgende Sätze sollten Sie aus Ihrem Kommunikationsrepertoire streichen:
- In Ihrem CT ist etwas komisch.
- Das kann ich so nicht abrechnen.
- Der Kollege hat einiges falsch gemacht.
- Sie brauchen keine Angst zu haben. (Damit lösen Sie garantiert Angst aus!)
- Machen Sie sich keine Sorgen.
- Lassen Sie die Finger vom Internet. (Da waren die meisten Patientinnen und Patienten ohnehin schon. Machen Sie ihnen kein schlechtes Gewissen, denn es gibt auch viele seriöse medizinische Informationsquellen.)
Unser Gastautor PD Mag. Dr. Stefan Höfer ist Psychologe an der Universitätsklinik für Psychiatrie II der Medizinischen Universität Innsbruck. Er verantwortet die Ärztliche Gesprächsführung im Medizinstudium in Innsbruck.
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